Gegen den Sachverstand

Gegen den Sachverstand

Grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg will mit einer Änderung des Schulgesetzes Gemeinschaftsschule als Regelschule einführen

Trotz grosser Bedenken der Opposition im Landtag, der Ministerialverwaltung, von Schulleitern und Lehrerverbänden, der baden-württembergischen Arbeitgeberverbände, des Städtetages und anderer will die grün-rote Regierung von Baden-Württemberg im April 2012 vom Landtag einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Schulgesetzes beschliessen lassen, mit dem eine neue Schulart, die sogenannte Gemeinschaftsschule, nicht etwa als Schulversuch, sondern als Regelschule eingeführt werden soll.

km. Mit Beginn des Schuljahres 2012/2013 sollen in Baden-Württemberg fürs erste 34 Schulen (das Ministerium spricht von «Starterschulen»), vor allem bisherige Grund- und Hauptschulen, ihren Schulbetrieb als sogenannte Gemeinschaftsschulen weiterführen. Gemeinschaftsschulen werden vom Kultusministerium auf Antrag des örtlichen Schulträgers, das sind Städte und Gemeinden, zugelassen. Gemeinschaftsschulen sind Schulen, die bisherige Hauptschulen und Realschulen in einer Schule zusammenfassen sollen, die auch bisherige Förderschüler haben sollen und die auch eine Oberstufe mit dem Ziel des Abiturs haben können. Wichtiger noch als die Zusammenfassung der Schularten soll aber in den künftigen Gemeinschaftsschulen sein, dass sie in ihrem «pädagogischen Konzept» radikal vom bisherigen Unterricht abweichen sollen.
Die Kultusministerin von Baden-Württemberg, Gabriele Warminski-Leitheusser, ist zwar Mitglied der SPD und kommt aus der nord­rhein-westfälischen SPD, setzt aber nichts anderes um als eines der Hauptprojekte der Grünen und des grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann. Das, was jetzt per Gesetz als Regelschule eingeführt werden soll, die Gemeinschaftsschule, war das bildungspolitische Hauptanliegen im Wahlprogramm der Grünen für die Landtagswahlen im März 2011, und die heutigen Rechtfertigungen für die neue Schulart finden sich fast wortgleich in diesem Wahlprogramm.

Jegliche Art von rechtlich verbindlicher und geordneter Struktur wird in Frage gestellt

Die Gemeinschaftsschule soll nicht nur das gegliederte Schulsystem auflösen, sondern stellt jegliche Art von rechtlich verbindlicher und geordneter Struktur in Frage. Die Gemeinschaftsschule ist von ihrem ideologischen Hintergrund her vor allem ein Nachfahre der die Gesellschaft zersetzen wollenden antiautoritären Erziehung und der Antipädagogik, materiell ist sie allerdings auch ein riesiges Geschäft für Konzerne wie Bertelsmann, die mit besten Kontakten in die Bildungspolitik nur darauf warten, teure Lernmaterialien für den dann fast nur noch individualisierten, atomisierten Unterricht anbieten und verkaufen zu können. Aber auch Bertelsmann geht es nicht nur ums Geschäft.
Die Ergebnisse erziehungswissenschaftlicher Forschung zur überragenden Bedeutung des Lehrers und seiner Unterrichtsführung für ein erfolgreiches Lernen der Schülerinnen und Schüler, zur Bedeutung der Klassengemeinschaft für die Gemeinschaftsbildung und die Ausbildung von Gemeinschaftsgefühl und zu den fatalen Auswirkungen mangelnder klarer Strukturen gerade für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, so wie sie gerade erst wieder in einem neuen Buch (Michael Felten: «Schluss mit dem Bildungsgerede. Eine Anstiftung zum pädagogischen Eigensinn», 2012, ISBN 978-3-579-06670- 7) prägnant, pointiert und gut belegt in Erinnerung gerufen werden, werden übergangen.
Das, was von der grün-roten Landesregierung als «Schule von unten» angepriesen wird, ist in Tat und Wahrheit der Versuch, über die Bereitstellung umfangreicher Geldmittel und unter Anwendung politischer Machtmittel Gemeinden und Schulen und vor allem Schulleitungen mit dem Hang zum ideologisch motivierten Experimentieren mit Kindern und Jugendlichen den Vorrang zu geben. Den Vorrang vor den Schulen, die bislang gute Arbeit geleistet haben, nun aber benachteiligt werden sollen.
Zudem sollen kleine Gemeinden, deren Schulen von einer Schliessung bedroht sind, damit geködert werden, ihr Schulstandort könne gerettet werden, wenn sie eine Gemeinschaftsschule bilden – obwohl es den Protagonisten der Gemeinschaftschule überhaupt nicht um die Rettung wohnortnaher Schulen geht.
Das alles wissen auch zahlreiche Schulleiterinnen und Schulleiter. Schulleiter, die sich kritisch geäussert haben – so 60 Schulleiterinnen und Schulleiter aus Baden-Württemberg mit einer Anzeige in einer baden-württembergischen Tageszeitung kurz vor den Landtagswahlen 2011 – wurden nach den Landtagswahlen, im August 2011, also kurz vor der Umsetzungsphase des Projektes «Gemeinschaftsschule», von der neuen Ministerin gemassregelt und mehr oder weniger angewiesen, sich zum Thema nicht mehr öffentlich zu äussern. Überhaupt lässt sich die grün-rote Regierung, die sich als bürgernah und gesprächsfreudig pries, kaum auf sachliche Diskussionen ein, schon gar nicht mit Sachverständigen. So wurde die zuständige Ministerialverwaltung, aus der es viele kritische Stimmen gibt, kurzerhand durch die Einrichtung einer Stabsstelle, deren Leitung ein GEW-Funktionär übernommen hat, ausgehebelt.

Trotzkisten und Maoisten am Werk?

Dass die grün-rote Regierung den Plan hat, das gegliederte Schulsystem aus den Angeln zu heben, wird schon aus dem Vorblatt zum Entwurf des «Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes und anderer Gesetze» vom 13. Dezember 2011 deutlich, denn dort heisst es, dass der «getrennte Unterricht für Schülerinnen und Schüler im gegliederten Schulwesen […] überwunden werden» soll. [Hervorhebung durch Verfasser]
Die Gemeinschaftsschule wird als «leistungsstark», «sozial gerecht» und «demokratischen Werten besonders verpflichtet» angepriesen. All das ist nicht richtig. Die Gemeinschaftsschule widerspricht den Prinzipien der Schulgestaltung in einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat und ist weder leistungsstark noch sozial gerecht.
Zum pädagogischen Konzept der Gemeinschaftsschule heisst es in der Begründung zum Gesetzentwurf:
«Die bisher üblichen, an Jahrgängen orientierten Klassenverbände sind durch Lerngruppen ersetzt. […] Selbstlernprozesse und kooperative Lernformen spielen eine zentrale Rolle. Sie sind […] prägendes Merkmal des Lernens in der Gemeinschaftsschule. Lehrkräfte verstehen sich als Lernbegleiter. […] In der Gemeinschaftsschule gibt es keine Versetzung/Nichtversetzung und keine Wiederholung im bisherigen Sinne.»
Lauter Versatzstücke einer wirklichkeitsfremden Ideologie (mit welchem politischen Ziel heute?), die in der seriösen Pädagogik überwunden sind. In der Gemeinschaftsschule aber soll es keine Klassengemeinschaft mehr geben, soll es kaum noch einen vom Lehrer geführten Unterricht geben, sollen die Lehrerinnen und Lehrer ihre pädagogische Verantwortung vernachlässigen, sollen die Schülerinnen und Schüler sich und ihrem teuren Lernmaterial weitgehend selbst überlassen und praktisch allein gelassen bleiben, soll es die Fördermöglichkeit durch Wiederholen einer Klassenstufe nicht mehr geben.
Bislang gehörte das Schulsystem von Baden-Württemberg in jeglicher Hinsicht, auch was die soziale Gerechtigkeit und Integrationsfähigkeit betrifft, zu den besten in Deutschland – anders als zum Beispiel das Schulsystem im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Dass man nun gerade dieses Bundesland mit seinen Gemeinschaftsschulen zum Modell für Baden-Württemberg machen will, scheint nur ein politischer Zwischenschritt zu sein.
In Baden-Württemberg hat es in den vergangenen Wochen und Monaten, bei einer für dieses Bundesland für viele Akteure kennzeichnenden politischen Zurückhaltung und Kompromissneigung, doch in der Substanz viele kritische Stellungnahmen zur Bildungspolitik der grün-roten Landesregierung gegeben. Wir dokumentieren im folgenden Auszüge daraus.    •

Aus ideologischen Gründen «Gemeinschaftsschule»

«Die neue Landesregierung hat aus ideologischen Gründen die Einführung der sogenannten Gemeinschaftsschule angekündigt. Aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion wird damit das erfolgreiche differenzierte Schulsystem in Baden-Württemberg leichtfertig geopfert. Völlig unverständlich ist, dass die Rahmenbedingungen der sogenannten Gemeinschaftsschule bis heute nicht abschliessend geklärt sind. Das Kultusministerium startet einen Modellversuch, bevor das Schulgesetz (geplant ist April 2012) entsprechend geändert ist. Eine solch überhastete Einführung der sogenannten Gemeinschaftsschule, ohne jede rechtliche Grundlage, ist nach unserem Dafürhalten unverantwortlich, da hier Eltern, Lehrer und Schüler nicht die Geschäftsbedingungen kennen, für die sie sich entscheiden müssen. Es ist eine Fahrt ins Blaue. So kann man keine verantwortliche Bildungspolitik für unser Land gestalten.»

Pressemitteilung des bildungspolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion, Georg Wacker, MdL, vom 9.12.2011

Landesregierung protegiert Gemeinschaftsschule ohne Beweis, dass dies die bessere Schulart ist

«Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht die neuen Gemeinschaftsschulen von der neuen Landesregierung eindeutig auf die ‹Poleposition› geschoben und damit alle anderen Schul­arten benachteiligt. ‹Wer die Gemeinschaftsschulen so klar einseitig bevorzugt, wertet die Arbeit aller anderen Schulen ab›, [so] VBE-Chef Gerhard Brand.
Noch seien die Gemeinschaftsschulen nicht einmal im Schulgesetz verankert, da werde vom Leiter der Stabsstelle ‹Gemeinschaftsschulen, Schulmodelle, Inklusion› im Kultusministerium, Norbert Zeller, auf durchaus gut besuchten Veranstaltungen überall im Land diese neue Schulart, bereits als Erfolgsmodell verkauft […].
Der VBE befürchtet mit der neuen Gemeinschaftsschule einen herben Verlust der Fachlichkeit und damit verbunden ein Absinken des gesamten Leistungsniveaus, zumal als Bildungsplan – zumindest vorläufig – der der Realschule als Richtschnur gelten soll, was Schüler mit gymnasialer Ausrichtung in den neuen als das Nonplusultra gepriesenen heterogenen Lerngruppen ohne Klassenverband deutlich unterfordern und bisherige Hauptschüler heillos überfordern würde. […]
Investitionen in ein neues Schulmodell lohnen sich für Lehrer insbesondere dann, wenn sie von einer ansteckenden Aufbruchstimmung mitgerissen werden und von der Sache voll begeistert sind. Noch stecken in der Gemeinschaftsschule zu viele wissenschaftlich nicht abgesicherte Unwägbarkeiten, zu wenig Realitätssinn und zu viele Visionen. Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat schon damals geraten, dass, wer Visionen habe, lieber gleich zum Arzt gehen solle. ‹Der schulische Alltag sieht zurzeit völlig anders aus, als wie ihn die grünroten Visionäre wahrhaben wollen›, fasst Brand das Durcheinander der aktuellen Bildungspolitik zusammen.»

Pressemitteilung des VBE vom 16.11.2011. Der VBE (Verband Bildung und Erziehung) ist der Lehrerverband der Lehrer an Grund-, Haupt- und Real-, Förder- und Gesamtschulen innerhalb des Deutschen Beamtenbundes. Bundesweit haben sich im Verband rund 140 000 Lehrerinnen und Lehrer organisiert.

Gemeinschaftsschulen bevorzugen ohne Grund selbstorientiertes Lernen

«Bei den Vorzügen der Gemeinschaftsschule wird immer wieder auf das andersartige Lernen an dieser Schulform verwiesen. Dabei hört man oft einen gewissen Stolz mit heraus, dass dort kaum noch Frontalunterricht stattfindet. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg wendet sich gegen eine grundsätzliche Abwertung des Frontalunterrichts an Schulen. […]
Der professionelle Umgang mit individuellem Lernen, mit Freiarbeit, Gruppenunterricht, Lerntheken, Partnerarbeit, Stationenlernen und Wochenplan gehört heute zum Standardrepertoire einer modern ausgebildeten Lehrkraft. Trotzdem ist ein gut vorbereiteter und interessant dargebotener Frontalunterricht nicht minder erfolgversprechend für das Weiterkommen der Schüler als Unterricht, der ausschliesslich auf das selbstorientierte Lernen setzt oder einseitig auf Teamarbeit am Gruppentisch, wo alle Schüler zwar immer «beschäftigt» sind, am Ende der Stunde aber manchmal nicht mehr so genau wissen, warum sie eigentlich was gemacht haben. Und das sind meist gerade die, die besonderer Förderung bedürfen.»

Pressemitteilung des VBE vom 29.1.2012

Gemeinschaftsschule folgt dem Modell von Nordrhein-Westfalen

«Die Parallelen zu Nordrhein-Westfalen sind deutlich. So deutlich, dass sich ein Blick über den Zaun lohnt. Seit dem Regierungswechsel in Düsseldorf im Juli 2010 von Jürgen Rüttgers zu Hannelore Kraft mit der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann herrscht dort genau das Modell, das die neue baden-württembergische Landesregierung einzuführen gedenkt.»

Aus einer Pressemitteilung des VBE («Wo Milch und Honig fliessen»), ohne Datumsangabe

«Der Philologenverband lehnt die Einführung der Gemeinschaftsschule ab»
«Der Philologenverband lehnt die Einführung der Gemeinschaftsschule ab. Alle innerdeutschen Schulleistungsstudien bestätigen, dass, je differenzierter ein Schulwesen ist, je weniger Gesamtschulen es in einem Bundesland gibt, desto besser das Bundesland abschneidet. Eine gegliederte Schul­struktur kommt allen Schülerinnen und Schülern zugute, insbesondere auch Kindern aus sozial schwächeren Schichten oder mit Migrationshintergrund. ‹Der designierte Ministerpräsident täuscht sich, wenn er behauptet, dass vom längeren gemeinsamen Lernen die Leistungsschwächeren und die Leistungsstärkeren profitieren würden, wofür es auch keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis gibt›, sagt Bernd Saur, Vorsitzender des PhV BW. Die intendierte einseitige Förderung von Gemeinschaftsschulen zu Lasten aller anderen Schularten ist nicht hinnehmbar.»

Pressemitteilung des Philologenverbandes Baden-Württemberg vom 3.5.2011. Der Deutsche Philologenverband (DPhV) ist ein gewerkschaftlicher Zusammenschluss von Lehrern an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, die auf das Abitur vorbereiten. Dem DPhV gehören rund 90 000 Lehrer sowohl im Beamten- wie auch im Angestelltenverhältnis an.

Entscheidend sind die besten pädagogischen Konzepte

«Die Fortentwicklung der Schullandschaft in Baden-Württemberg ist für die Wirtschaft eine Standortfrage allerersten Ranges. Die Ausbildungs- und Studienreife der Schulabsolventinnen und -absolventen ist zentrale Voraussetzung zur Sicherung des Fachkräftebedarfs der Unternehmen in Baden-Württemberg.
Schon seit Jahren erklären die Arbeitgeber, dass für sie die Schulstruktur nachrangige Bedeutung besitzt. Entscheidend sind die besten pädagogischen Konzepte, die Kompetenzorientierung und die richtigen Lerninhalte sowie die überzeugende Qualitätssicherung und ein vernünftiger Umgang mit knappen Zeit- und Geldressourcen. Das gilt auch für die Gemeinschaftsschule, die von der neuen Landesregierung etabliert werden soll.»

Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e.V.: Positionspapier der Arbeitgeber Baden-Württembergs zur «Gemeinschaftsschule» vom 13.12.2011

Warum nicht zuerst ein seriöser Schulversuch?

«Vordringlichstes bildungspolitisches Ziel der Landespolitik muss deshalb mittel- und langfristig die Schaffung verlässlicher und verständlicher Schulstrukturen sein. Welche Vorstellungen das Land zu einer solchen perspektivischen Schulentwicklung hegt und welche strukturellen Wirkungen sich das Land demgemäss auf lange Sicht mit der Gemeinschaftsschuleinführung verspricht, geht weder aus dem Entwurf noch aus sonstigen seitherigen Verlautbarungen des Landes hervor. Da sich die Gemeinschaftsschule auf Schulen aller anderen Schularten auswirkt und ihre Einführung folglich herausragende Bedeutung für das gesamte Schulwesen Baden-Württembergs hat, muss dieses Gesetzesvorhaben jedoch auf einer konkreten und nachvollziehbaren bildungspolitischen Zukunftsperspektive des Landes gründen.
Anstatt eine solche Perspektive aufzuzeigen, werden die kommunale Selbstverwaltung und die Freiheit der Schulen zu eigenständiger Weiterentwicklung beschworen. Der Städtetag Baden-Württemberg begrüsst selbstverständlich jedes Bekenntnis zu dieser Selbstverwaltung. Freiheit und Selbstverwaltung sind allerdings nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln. Gerade der Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung erfordert die Verständigung der beiden grossen bildungspolitischen Akteure Land und Kommunen über gemeinsame bildungspolitische Zielsetzungen. Nur dann ist gewährleistet, dass diese beiden Akteure nicht nur am selben Bildungsstrang ziehen, sondern auch am selben Ende dieses Strangs.
Weil sich das Land hierzu ausschweigt, fehlt momentan der Kompass in der Schulpolitik des Landes. […]
In der Gemeinschaftsschule soll eine völlig andere Form des Lernens und Unterrichtens praktiziert werden als in den anderen Schularten. Klassenverbände werden durch leistungsheterogene Lerngruppen ersetzt, beim Unterrichten sind die Bildungsstandards mehrerer Kompetenzstufen einzuhalten, daher ist in Lernteams zu arbeiten, Versetzungen und Nichtversetzungen sowie Klassenwiederholungen sind perdu, behinderte Kinder auch in der Aufbauphase umfassend aufzunehmen (Inklusion) – um nur einige Stichworte zu nennen.
Für eine solche Zäsur sieht § 22 Schulgesetz einen probaten Einstieg vor: Die Durchführung von Schulversuchen. Solche Versuche sollen ‹zur Entwicklung und Erprobung neuer pädagogischer und schulorganisatorischer Erkenntnisse, insbesondere neuer Organisationsformen für Unterricht und Erziehung sowie für die Verwaltung der Schulen, wesentlicher inhaltlicher Änderungen, neuer Lehrverfahren und Lehrmittel› ergehen. Genau das ist für die Gemeinschaftsschule erforderlich. Bislang gibt es für sie weder einen Bildungsplan noch geschulte Lehrer oder gar Praxiserfahrungen – und alle kommunalen Ressourcenfragen sind ebenso ungeklärt.
Statt Versuche durchzuführen, dadurch die erforderlichen Erfahrungen zu sammeln und die Ressourcenfragen zu klären, soll mit dem Entwurf eine gänzlich neue Schulart sofort im Schulgesetz verankert werden. Es wird nicht einmal die Chance genutzt, erste Praxisberichte aus den Starterschulen abzuwarten, die andererseits doch Vorbildcharakter haben sollen.»

Stellungnahme des Städtetags Baden-Württemberg bei der Anhörung zum Gesetz zur Gemeinschaftsschule vom 3.2.2012

«Bildung lebt von Kontinuität, von Ruhe, Sorgsamkeit und Weitblick»

«Da Bildung von Kontinuität, von Ruhe, Sorgsamkeit und Weitblick lebt, ergeht die dringende Bitte des Verbandes Bildung und Erziehung VBE an die Regierung, Sorge dafür zu tragen, dass nicht Prozesse eingeläutet werden, die nicht sinnvoll und sicher eingeführt, verlässlich fortgeführt und dauerhaft umgesetzt werden können. Der Scherbenhaufen in der Bildung wäre immens. Zu oft haben wir Schulleiter Reformen  mitgetragen, Veränderungen herbeigeführt, Neuerungen implementiert, Entwicklungen evaluiert und anschliessend wieder alles eliminiert. Wie oft haben wir nach Kontinuität gerufen und nach Ruhe im System. Es geht nicht um die viele unnütze Arbeit, die diese temporären Anforderungen hervorgebracht haben, das ertragen wir mit Demut. Es geht vielmehr um die enttäuschten Menschen, die zurückgeblieben sind. Die Lehrer, die sich ans Werk gemacht und diese Prozesse mitgestaltet haben, die sie passgenau für die Situation an ihrer Schule zurechtgefeilt haben. Es geht um die Eltern, die geglaubt haben, dass neue Konzepte ihre Kinder nach vorn bringen. Es geht um die Kinder, die zum Spielball politischer Feldversuche wurden. Es geht immer um die Menschen, und es geht um Vertrauen!»

Aus einer Pressemitteilung des VBE («Wo Milch und Honig fliessen»), ohne Datumsangabe

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