Was wir von der Schule mitnehmen

Was wir von der Schule mitnehmen

von Christiane Bau-Hespe

Ich bin Lehrerin für Sekundarschule und Kleinklasse und seit 1½ Jahren im Ruhestand. Eine meiner Klassen aus Hamburg lud mich ein zu einem Wiedersehen im Februar 2011, 17 Jahre nach deren Schulentlassung. Diese Schulklasse führte ich von der 8. bis zur 10. Sekundarschulklasse. Es war eine besondere Klasse, da sie ausschliesslich zusammengewürfelt war aus Jugendlichen, die in verschiedenen Gymnasien gescheitert waren, eine sogenannte Rückläuferklasse. Es waren 25 Schülerinnen und Schüler und heute, 17 Jahre nach der Schulentlassung, hat mein ehemaliger Schüler Felix alle zusammengerufen. Dies ist ein Wirkungsfeld für uns Lehrer, auch Jahre nach der Schulentlassung noch mal das aufzugreifen, was wir in jahrelanger Arbeit bei unseren Schülern gelegt haben und sie wieder zu stärken für die nächsten 10 Jahre.
Mein ehemaliger Schüler Metin beschrieb diese Bedeutung in seinem Abschlussbuch am Ende der Schulzeit folgendermassen:

Metin:
«Irgendwie glaube ich auch, dass ein Lehrer sehr wichtig für das Leben ist. Denn er ist es, welcher fünf Tage die Woche, und wahrscheinlich zehn Jahre seines Lebens mit einem fremden Kind verbringt. Anfangs scheint es für beide ungewohnt – jedoch wird sich im Laufe der Zeit bei beiden etwas ändern. Sie werden ein eingespieltes Team. Der Schüler wird zunehmend klüger, und der Lehrer dadurch immer glücklicher. Denn er ist es, der am Ende auf jemanden stolz sein darf, weil er sieht, was er dort fabriziert hat. Er wird dem Schüler von der Welt erzählen, er wird derjenige sein, welcher ihm über sein Land erzählt, und er wird derjenige sein, der ihn mit einer guten Bildung in die Welt schickt. Wenn jemand den Schüler fragt – irgendwann einmal – ob er mal was gelernt hat, kann er mit gutem Gewissen sagen, dass er dies getan hat. Ein Lehrer bringt dem Schüler aber nicht nur seine Bildung bei – er wird den Schüler auch verändern. Denn wenn man über fünf Jahre mit einem Menschen zusammen ist, kann das schon jemanden beeinflussen – meistens zum Positiven. Bei den meisten hört man sogar: ‹Wenn mein Lehrer nicht gewesen wäre…› Mittlerweile hört man sogar Geschichten über Jugendliche, bei denen sich das Leben so durch den Lehrer verändert hat, dass sie am Ende ein besserer Mensch geworden sind.»

Zwei eindrückliche Klassentreffen

Um Ihnen diese Klasse gut vorstellen zu können, berichte ich zuerst von unserem ersten Treffen vor 7 Jahren:
Als ich hereinkam, skandierten sie im Chor: «Wir rauchen nicht, wir trinken nicht, wir nehmen keine Drogen.» Auf diese Weise begrüssten sie mich. Wir trafen uns in der Nähe der Schule in einer Art Fast-Food- Kneipe mit einem grossen Gastraum, wo alle 25 Schüler Platz hatten. Dort gab es schnelle Pizzafladen und ähnliches, was die Schüler dann gerne zu ihrer Cola bestellten.
Zu diesem Treffen brachte Felix das uralte Radio aus unserer Schule mit, das er immer verwaltet und am Laufen gehalten hatte.
Von weit her waren alle Schüler gekommen, selbst aus London. Einige hatten ihre Partner und Kinder dabei. Auch Schüler der Nachbarklasse waren aus Anhänglichkeit mitgekommen, weil sie mich wiedersehen wollten. Fast alle Schüler wollten sich unbedingt mit meinem Mann unterhalten. Sie wollten wissen, wer er ist und von meinem Mann wissen, wie er und ich zusammenleben.
Die Sitzordnung rotierte den ganzen Abend, da jeder einmal mit mir reden wollte. So wechselten wir immer wieder die Plätze. Bis nachts sassen wir dort zusammen und redeten.
Felix und der schöne Siegfried und John waren da. Auch untereinander haben sie sehr offen und viel erzählt. Sie waren sehr interessiert, auch aneinander. Man merkte, dass sie miteinander sehr verbunden waren.
Dann schlug einer ans Glas.
Er forderte mich auf, eine meiner «Standpauken» zu halten. So sprach ich also zu ihnen über die allgemeine Weltlage. Krieg, Warnung vor dem Geschäft der Drogen.
Es war mir egal, ob sie mich gern haben. Ich habe sie auf ihre Verantwortung für die Welt hingewiesen. Offenbar haben sie diese Ansprachen von mir vermisst, die sie herausforderten, die sie zum Denken aufforderten und ihnen in ihrer Bedeutung für die Welt eine Verantwortung auferlegten.
Wie in all meinen Klassen habe ich auch dort penetrant und immer wieder über Drogen, Alkohol und später auch über Aids aufgeklärt. 10 Jahre später war ihnen das offensichtlich geblieben.
Dora wollte mich am Schluss des Treffens noch unter vier Augen sprechen. Sie kam mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern von weit her und vor dem Raum umarmte sie mich und bedankte sich: «Sie haben mir damals das Leben gerettet. Ich möchte mich dafür bei Ihnen bedanken.»
Ich wusste zuerst nicht, was sie meinte. Ich konnte mich nicht erinnern, sooo besonders viel für sie getan zu haben.
Sie erinnerte mich an ihr Englischproblem. Ich hatte ihrem pensionierten Nachhilfelehrer ein Original der Klassenarbeit überlassen, damit er sie gut vorbereiten könne. Sie wurde von ihm also optimal vorbereitet, obwohl er ihr die Arbeit nicht gab.
Sie erzählte aber nun, sie hätte es die ganze Zeit gemerkt. Sie hätte sich die ganzen Jahre überlegt, dass ich damit meine Stellung als Lehrerin gefährdet hätte, nur um ihr einen erfolgreichen Schulabschluss zu sichern. So konnte sie ihren Traumberuf der Floristin ergreifen und vor allem hätte es ihr Vertrauen in sich selbst gestärkt. Sicher hätte ich ja an sie geglaubt. Warum sonst hätte ich dieses Risiko auf mich nehmen sollen? Ich hätte so viel riskiert, damit sie eine Chance hat. Meine Meinung, dass sie diese Chance verdient, hätte sie damals sehr bewegt und gestärkt, ihren Weg zu gehen.

Das hätte sie vorher und nachher nicht wieder erlebt. Ihre Mutter stritt immer mit ihr. Ihre Schwester war immer eifersüchtig auf Dora und wurde zu Hause meist bevorzugt.

Dieses Klassentreffen war ein grosses Erlebnis! Wir alle beschlossen, dies soll nicht das letzte sein.

Das zweite Klassentreffen

Auf das zweite Klassentreffen 7 Jahre später hatte ich mich vorbereitet, da ich inzwischen einen Sprachverlust erlitten habe. Deshalb hielt ich also diesmal keine spontane Ansprache, sondern eine vorbereitete und brachte dazu den Fragebogen für die Schüler­echos mit!
Im Februar 2011 las mein Mann meine obligatorische Ansprache an meine Klasse 10 b vor:
Liebe Klasse 10b!
Denn das bleibt ihr für mich immer, egal, wie viel Zeit vergeht!
So wie Kinder immer Kinder ihrer Eltern bleiben, auch wenn die Kinder 70 Jahre alt sind und die Eltern 90. Ganz so alt sind wir nicht, aber immerhin, 17 Jahre nach der Schulentlassung!
Ich freue mich sehr, euch hier zu sehen, und meine Reise nach Hamburg habe ich nur wegen euch gemacht!
Ein Lehrer ohne Stimme ist wie … den Rest könnt ihr euch denken! Aber Kopf und Herz funktionieren, und ich hoffe, ihr schreibt mir etwas auf für mein Buch, in dem ich die wichtigsten Stationen meines Lehrerlebens festhalte. Ich habe das Kapitel «Klassentreffen nach 17 Jahren» schon angelegt. Und Papier und Stifte bzw. mein i-Pad sind bereit.
Was beinhaltet meine heutige Ansprache?
Ich bin stolz auf euch! So wie ihr da seid, und dass ihr da seid! Das war immer das Besondere an dieser Klasse: der Zusammenhalt trotz grösster Unterschiede! Ich habe gar nicht so viele einzelne Geschichten über euch geschrieben, sondern immer die Klasse als Ganzes, meine Rückläuferklasse, in der jeder so war, wie er eben war und das beste aus sich herausholen musste. Natürlich ­musste ich euch erziehen, das war nicht bei allen nötig, aber doch immer wieder bei fast jedem, hier ein Hinweis, da eine kleine Korrektur in Sachen Fairplay, da etwas bescheidener, hier etwas mutiger und so weiter.
Ihr steht heute mit beiden Beinen mitten im Leben und seid die Generation, auf die es ankommt: Ihr werdet weitere Kriege verhindern, eure Kinder anleiten zum Menschsein, zum Lernen, zum Drogenverzicht! Das wichtigste ist heute, den Verstand und das Herz einzusetzen. Den Verstand, um zu durchschauen, was in der Weltpolitik wirklich läuft und was uns erzählt wird. Das Herz, um mutig gegen Lüge und Menschenverachtung anzukämpfen, und das kann jeder an seinem Ort im Leben tun, wo er steht!
Die Mutter zu Hause erzieht ihre Kinder so, dass sie mitfühlen lernen, dass sie Gewalt ablehnen, zusammenarbeiten und lebensfroh sind. Die Frau und der Mann im Beruf haben viele Möglichkeiten, sich für Fairness, für Wahrheit und für Werte einzusetzen, und letzten Endes ist dies auch immer der Weg, der zum Erfolg führt! Das werden viele von euch auch erlebt haben. Eine innere Stimme sagt mir immer, welcher Weg der richtige ist, wenn ich vor mehreren Alternativen stehe. Das ist mein Gewissen. Und wenn ich dem nicht trauen kann, brauche ich gute Freunde, die mich kennen, und dann geht’s wieder weiter mit frischem Mut!
Eure Lehrerin Christiane Bau

Den Fragebogen, den alle meine Schüler beantworteten, ist hier im Original zu lesen:
1.    Warum bist du heute hier?
2.    Welche Faktoren haben dazu geführt, dass du im Leben zurechtkommst?
3.    Was hat dich geleitet, wenn du dich entschlossen hast, den richtigen Weg zu beschreiten?
4.    Wer oder was hat dir Mut gemacht, Schwierigkeiten zu meistern?
5.     Welche Bedeutung hat für dich die Klassengemeinschaft damals und heute (im Rückblick)?
6. Wenn du sagen sollst, was wichtig war: die Leistung oder die Freundschaft, wie ist das dann?
Danke für das Beantworten der Fragen!

Ich füge nun noch einzelne Schülerporträts an und deren Antworten auf meinen Fragebogen.

Silvia

Silvia war auffällig. Sie versteckte sich immer hinter anderen, sie hatte zu Hause keine einfache Situation: Eine Mutter, die überbesorgt war und hinter ihr her, die sie nicht gross werden liess, und deshalb ass Silvia nicht. Sie hatte immer schwarze Kleider an und tat geheimnisvoll. Am Anfang hat mich das beeindruckt, aber bald nicht mehr. Ich redete mit der Mutter und bat sie, sich um ihr eigenes Leben zu kümmern und Silvia mir und der Klasse zur Erziehung zu überlassen, was auch klappte. Ich wies Marianne und Sabine an, sich um Silvias Ernährung zu kümmern, und das mit Nachdruck. Silvia liess das geschehen, sie genoss es sichtlich. Nie war Silvia fröhlich, das pass­te einfach nicht ins Konzept. Aber wir nahmen sie so, wie sie war, und taten unsererseits so, als wäre alles in Ordnung, und zunehmend wurde Silvia stärker. Sie konnte richtig giftig werden, wenn einer ihr zu nahe trat. Das war ein vitales Lebenszeichen!
Nach 17 Jahren: Silvia ist gewachsen, sie ist immer noch tätowiert, aber diskret, und sehr hübsch und offen. Sie hat gerade eine Ausbildung zur Ergotherapeutin gemacht, weil sie sich als Kosmetikerin zu wenig mit den Menschen verbinden konnte; sie hat sich erholt. Sie ist Sabines beste Freundin, und nun lassen wir Silvia zu Wort kommen:

Frage: Warum bist du heute hier?
Silvia: Weil ich auf diesen Tag gewartet habe, da wir alle wieder zusammen sind.

Welche Faktoren haben dazu geführt, dass du im Leben zurechtkommst?

Durch die liebe Unterstützung meiner Freunde – auch der «alten» Freunde! Und mit Leib und Seele Lebenskünstlerin zu sein.

Was hat dich geleitet, wenn du dich entschlossen hast, den richtigen Weg zu beschreiten?

Mein Bauchgefühl und Emotionen, gepaart mit Hoffnung!

Wer oder was hat dir Mut gemacht, Schwierigkeiten zu meistern?

Mir haben Menschen Mut gemacht, die trotz allem an mich geglaubt haben/ glauben.

Welche Bedeutung hat für dich die Klassengemeinschaft damals und heute (im Rückblick)?

Unsere Klassengemeinschaft war mir unheimlich wichtig; nicht nur im Nachhinein. Heute erinnern mich Menschen aus der Klassengemeinschaft daran, was bzw. wer ich war und was ich bis jetzt alles geschafft habe.

Wenn Du sagen sollst, was wichtig war: die Leistung oder die Freundschaft, wie ist das dann?

Definitiv die Freundschaft, denn meine damaligen Leistungen waren mehr als «übel» –hat sich zum Glück geändert!

Jasmin

Jasmin kam aus gepflegtem wohlsituiertem Elternhaus, als Einzelkind der Augenstern der Mutter und überbehütet. Auch war sie etwas Besseres … Im Gymnasium gescheitert, kam sie ziemlich frustriert in meine Klasse, aber bald lebte sie auf. Jasmin verfügte über eine beträchtliche Lebenskraft, die frei war von Standesdenken und Klassenbewusstsein, und das verhalf ihr zu einer sehr guten Akzeptanz in meiner Klasse. Sie war energisch, klug und ehrgeizig, aber nicht sehr geduldig, auch mit sich selbst nicht. Daran arbeiteten wir, und sie wurde weicher und gelassener.
Nach 17 Jahren: Jasmin hat das Wirtschaftsgymnasium besucht und ist heute Steuerprüferin in eigener Kanzlei, verheiratet und sehr entspannt und erwachsen, eine Mitspielerin, auf die Verlass ist!

Frage: Warum bist du heute hier?
Jasmin: Wegen einer netten Einladung und um zu sehen, was aus den anderen geworden ist. Vor allem aber, um Sie wiederzusehen!

Welche Faktoren haben dazu geführt, dass du im Leben zurechtkommst?

In erster Linie meine Eltern. Es war nicht immer einfach, auch durch die Krankheit meines Vaters, aber meine Eltern haben mir die richtigen Werte des Lebens beigebracht.

Was hat dich geleitet, wenn du dich entschlossen hast, den richtigen Weg zu beschreiten?

Ich selbst. Ich habe immer auf mich gehört.

Wer oder was hat dir Mut gemacht, Schwierigkeiten zu meistern ?

Meine Mutter.

Welche Bedeutung hat für dich die Klassengemeinschaft damals und heute (im Rückblick)?

Nach den schlechten Erfahrungen auf dem Hochrad (Gymnasium Elbvororte) hat mir unsere Klasse geholfen, wieder Spass an der Schule zu haben.

Wenn Du sagen sollst, was wichtig war: die Leistung oder die Freundschaft, wie ist das dann?

Obwohl ich tolle Freunde habe, habe ich gelernt, dass ich mich auf mich selbst verlassen muss. Ohne Leistung funktioniert das Leben nicht, aber ohne Freunde wäre es ziemlich einsam!

Sabine

Ruft übern Tisch: Ich komme jetzt zu Ihnen!

Ich: Dir geht’s gut?
Sie: Ja!
Ich: Man sieht’s. Du hattest immer einen inneren Kompass, und den hast du von deiner Mutter gelernt. Sie hat mich sehr beeindruckt!
Sie: Vielen Dank, das wird sie sehr freuen.

Anmerkung: Sabine lebte als Schülerin mit ihrer Mutter und Schwester im tiefsten St. Pauli, ging dort ins katholische Gymnasium und scheiterte. Sie war sehr nervös und trotzdem immer ehrenwert. Sie beruhigte sich bei uns und gelangte schnell zu guten bis sehr guten Leistungen. Sie war immun gegen Dreck der Strasse.

Frage: Warum bist du heute hier?
Sabine: Ich bin heute hier, um all die tollen Menschen wiederzutreffen, mit denen ich zur Schule gegangen bin. Erinnerungen und Gesichter auffrischen!

Welche Faktoren haben dazu geführt, dass du im Leben zurechtkommst?

Ich habe mich von allen Dingen und Menschen getrennt, die mir nicht gutgetan haben: loslassen und neue Wege aufbauen.

Was hat dich geleitet, wenn du dich entschlossen hast, den richtigen Weg zu beschreiten?

Mein Mann und meine beiden Söhne (Filip 3 Jahre) und Ben (10 Monate) zeigen mir jeden Tag neue Wege, mit schwierigen Situationen zurechtzukommen.

Wer oder was hat Dir Mut gemacht, Schwierigkeiten zu meistern?

Meine Therapeutin, mein Mann und meine beste Freundin Silvia!

Welche Bedeutung hat für dich die Klassengemeinschaft damals und heute (im Rückblick)?

Unsere Klassengemeinschaft hat mich geprägt, darum bin ich heute hier. Es war eine tolle Klasse, eine tolle Lehrerin – Sie, Frau Bau – Menschen, die man im Leben nicht mehr vergessen wird. Ich freue mich sehr, dass wir hier heute zusammen sind, es zeigt, dass wir eine wirkliche Klassengemeinschaft hatten.

Wenn du sagen sollst, was wichtig war: die Leistung oder die Freundschaft, wie ist das dann?

Die Freundschaft. Aber auch die Leistung. Eine Freundschaft zu halten erfordert viel Arbeit, und die fordert Leistung!
Ich wünsche Ihnen alles Liebe, Frau Bau.
   Ihre Sabine.

John

Er war einer von den Ältesten in der Klasse, ein blonder, drahtiger, etwas ungeschickter junger Mann, sehr schnell errötend, wenn er in die Enge kam, und das war nicht selten der Fall. John war zu Hause der Älteste von vier Kindern. Sein Vater war viel unterwegs und die Mutter stützte sich sehr auf ihren Ältesten ab. John war verantwortungsbewusst und angestrengt im Lernen, im Umgang mit Mitmenschen und im Leben überhaupt. Sein Streben, alles gut zu machen, war immer spürbar. Jedoch verhaspelte er sich, weil es schnell gehen sollte, er aber eigentlich gemütlich gelebt hätte. Das war aber in seinem Leben nicht vorgesehen.
Was er alles für Verpflichtungen hatte, die ihn neben der Schule in Anspruch nahmen, habe ich nie erfahren, aber seine Unruhe musste aus einer realen Quelle kommen, denn er war in der Lage, ganz ruhig zuzuhören, wenn jemand erzählte, er konnte sich hineinversetzen in die Gefühlswelt eines anderen, er konnte Rat geben bei Problemen und auch tatkräftig zupacken.
John hatte mehrfach in der Schule Schiffbruch erlitten, dabei fehlte ihm nur eine ruhige zuversichtliche Begleitung, er war zu sehr auf sich gestellt. Er hat bei uns den Real­schulabschluss gemacht, und als ich ihn das letzte Mal sah, war er bei der Marine!
Am Sporttag mussten John und seine Alterskollegen einen 1000-Meterlauf absolvieren, das war nicht für alle einfach. Er war unter den ersten, die das Ziel passierten. Weit hinten liefen die nächst jüngeren Schüler den 500-Meterlauf. Da sahen wir seine Schwester Saskia, die blass und erschöpft war und aufgeben wollte. Was tat John?
Er war wie der Blitz auf der Rennbahn und trug seine Schwester auf den Schultern die letzten 200 Meter durchs Ziel. Dann fiel er um, aber er stand bald wieder auf.
Es gab einen Riesenapplaus, und zwar von allen Schülern.
So war er, und wir mochten ihn alle sehr!
Nach 17 Jahren begrüsste mich John mit Umarmung lange – verloren geglaubte Mutter –, und küsste mich immer abwechselnd auf beide Backen und flüsterte: Ich bin so froh, Sie zu sehen! So froh!
Er kommt zu mir an den Tisch:
Ich: Wie geht es dir?
John: Wechselhaft.

Ich weiss, habe oft an dich gedacht.

Wie lieb. Ich habe 5 Jahre als Taucher bei der Marine gearbeitet, und jetzt bin ich bei Siegfried in der Bar.

Was willst du noch machen?

Studieren vielleicht.

Und bist immer noch so lieb?

Ja, nicht ganz.

Man braucht Muskeln der Abwehr gegen Übergriffe.

Ja, genau, die lege ich mir jetzt zu. Ich freue mich so, hier zu sein, es sind alle aus der Klasse gerade gewachsen. Ich bin so froh, Sie zu sehen. Sie haben damals gemerkt, dass ich ein Spätzünder war und haben mich sanft unterstützt! Vielen Dank!


Frage: Warum bist du heute hier?
John:Ich wollte eigentlich nicht kommen, war gestern «im Block». Zum Glück haben mich Siegfried und Marc eingepackt: Bin nicht mehr so gesellig!?

Welche Faktoren haben dazu geführt, dass du im Leben zurechtkommst?

Glaube an mich (und Gott).

Was hat dich geleitet, wenn du dich entschlossen hast, den richtigen Weg zu beschreiten?

Gibt es einen richtigen Weg? Es gibt für mich nur einen Weg bzw. den Weg …

Wer oder was hat dir Mut gemacht, Schwierigkeiten zu meistern ?

Meine Freunde, die besten, Siegfried und Marc, meine Family und mein Glaube und der Gedanke, dass alles gut ist und war – auch, wenn’s mal nicht so läuft.

Welche Bedeutung hat für dich die Klassengemeinschaft damals und heute (im Rückblick)?

Für mich gab es keine bessere Klasse/Abschlussklasse. Ein Team! Sie können das bestätigen.

Wenn du sagen sollst, was wichtig war: die Leistung oder die Freundschaft, wie ist das dann?

Habe noch keine Karriere gemacht. Ich liebe mich, mein Leben, meine Freunde und Familie … Ich weiss, dass ich immer «klar»kommen werde!    •

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