Direkte Demokratie ist der beste Schutz gegen Verlust der Bodenhaftung durch selbstanmassende «politische Eliten»

Direkte Demokratie ist der beste Schutz gegen Verlust der Bodenhaftung durch selbstanmassende «politische Eliten»

Das Volk ist der Souverän – Am Initiativrecht gibt es nichts herumzudeuteln

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Das Recht der Bürger, mit einer eidgenössischen Volksinitiative eine Änderung der Bundesverfassung zu verlangen, ist fester und unverzichtbarer Bestandteil des direktdemokratischen Schweizer Staatsmodells. Eine von Volk und Ständen an der Urne angenommene Volksinitiative wird Teil der Bundesverfassung und ist umzusetzen. Daran gibt es nichts herumzudeuteln – haben wir jedenfalls bis vor kurzem gedacht. Neuestens massen sich jedoch allerlei Politiker, Juristen und Politologen an, dem Stimmvolk zu sagen, ob eine vom Souverän angenommene Verfassungsbestimmung «rechtens» sei oder ob sie gegen «Völkerrecht» verstosse – was immer auch darunter verstanden wird.

Staunend vernehmen wir Stimmbürger nun im Staatsradio (SRF, Echo der Zeit vom 23.11.2013), dass wir mit einer Volksinitiative eigentlich kein handfestes Recht setzen könnten, sondern lediglich «eine Idee» aufs politische Parkett bringen dürften, die dann in der Bevölkerung breit diskutiert werde und wozu «die politische Elite» Stellung nehmen müsse. Diese hanebüchene Aufteilung der mündigen Schweizer Bürger in gewöhnliches Volk und politische Elite stammt nicht etwa von einem Besserwisser ennet dem Rhein, der keine blasse Ahnung vom schweizerischen Staatssystem hat, sondern von einem Politologie-Professor der Uni Bern (mit einem Schweizer Namen), dessen grosszügiger Zahltag vom Steuerzahler finanziert wird. Politologe Marc Bühlmann wörtlich: «Eine buchstabengetreue Umsetzung oder eine Deutungshoheit nur eines Akteurs ist nicht so angedacht von diesem System der halbdirekten Demokratie.» Vielmehr müsse der Wille der Stimmbürger durch die verschiedenen politischen Instanzen «interpretiert» werden. Ein zweiter vom Stimmvolk bezahlter Professor, Francis Cheneval von der Uni Zürich, doppelt nach: Das Initiativrecht sei früher kein Problem gewesen, weil fast nie eine Volksinitiative an der Urne angenommen worden sei. Mit der Annahme mehrerer Volksinitiativen in den letzten Jahren werde «ein staatsrechtliches Dilemma» sichtbar, nämlich: Wer hat die «Deutungshoheit» des Volkswillens?
Aha – dazu stehen wir bei Wind und Wetter draussen und sammeln Unterschriften für eine Volksinitiative, damit uns dann die ­«politische Elite» sagen kann, wie unser Volkswille zu deuten sei?!
Bisher sind wir auf der Grundlage unserer staatsbürgerlichen Erziehung zum demokratischen Bürger davon ausgegangen, dass unsere Bundesverfassung, inklusive angenommene Volksinitiativen, «buchstabengetreu» umgesetzt werden muss. Weit gefehlt: «[…] die Annahme einer Abzockerinitiative oder einer Ausschaffungsinitiative ist bereits jetzt ein grosser Erfolg, weil darüber geredet wird, weil politisch in eine Richtung gegangen wird, die von den Ideengebern in diesem Sinne beabsichtigt ist. Dass das nicht buchstabengetreu umgesetzt werden kann, das müsste man eigentlich aus einer tatsächlich demokratischen Perspektive durchaus auch verstehen können.» (Marc Bühlmann)
Nein, Herr Politologe, eine derart kühne Umdeutung des Initiativrechts müssen wir Bürger nicht «verstehen», sondern zurückweisen. Wir verlangen, dass die Verfassungsvorlagen, denen der Souverän in einer Volksabstimmung zugestimmt hat, ohne Herumdeuteln buchstabengetreu umgesetzt werden. Und wir verwahren uns in aller Deutlichkeit dagegen, dass irgendeiner unter uns sich anmasst, die Schweizer einzuteilen in «Bevölkerung» und eine im doppelten Sinne des Wortes eingebildete «politische Elite». Das direktdemokratische Schweizer Modell gründet gerade darauf, dass jeder einzelne Bürger seine Rechte und seine Verantwortung für seine Gemeinde, seinen Kanton und die Schweiz voll und ganz wahrnimmt. Jeder mündige Schweizer, der seinen Staatskundeunterricht kapiert hat, ist dazu fähig. Wem diese Grundlage abhanden gekommen ist, der ist als Staatsrechtler oder Politologe in einer Schweizer Hochschule fehl am Platz.    •

«Es gibt ein sicheres Mittel, mit dem die Auffassungen der Bevölkerung bis in die letzte Einzelheit und jede noch so geringe Veränderung der Lebensverhältnisse und der Geisteshaltung zu jeder Zeit aufs genaueste ermittelt werden können. Zu einem solchen Präzisionsinstrument, das über die Schwankung der öffentlichen Meinung genaueste Auskunft gibt, hat die Schweiz die Volksabstimmungen ausgebaut. Wie die in der Talgemeinde von Urseren [Bergtal im Kanton Uri] versammelten Männer über alles, was der Gesamtheit wichtig war, gemeinsam und aus eigenem Willen beschliessen konnten, entscheidet das Schweizervolk als Ganzes für den Bund. 50 000 [heute 100 000] stimmberechtigte Schweizerbürger können die Initiative auf Abänderung der Verfassung ergreifen: wenn es 30 000 [heute 50 000] Bürger oder acht Kantone verlangen, muss ein vom Parlament beratenes Gesetz dem Volk zur Annahme oder Ablehnung vorgelegt werden. Durch diese Bestimmungen ist Gewähr geboten, dass jede strittige Frage der Gesetzgebung, seit 1921 selbst der Abschluss von Staatsverträgen mit dem Ausland, im Sinne der Auffassungen der Mehrheit erledigt wird.»

Hermann Weilenmann, Die Schweiz und ihre Demokratie, Zürich, 1959, S.264f)

Dr. Hermann Weilenmann, 1893–1970, Wirtschaftswissenschafter und Historiker, war von 1928–1964 Direktor der Volkshochschule Zürich und leitete von 1943–1964 die Geschäftsstelle des Dachverbands der Schweiz. Volkshochschulen. Er erforschte unter anderem die Anfänge der schweizerischen Talschaften, die Gründung der alpinen Eidgenossenschaft («Zusammenschluss zur Eidgenossenschaft» 1940) und die Überwindung der Sprachgrenze. Als Mitglied der Aktion Nationaler Widerstand stellte er sich in den Dienst der geistigen Landesverteidigung und wurde 1951 von der Universität Zürich zum Dr. h.c. ernannt.

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