2014 – Uno-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe

2014 – Uno-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe

thk. Die Frage des Hungers und die Lösung dieses Problems beschäftigt die Menschheit seit Jahrhunderten. Um diesen Hunger aktiv bekämpfen zu können, wurden von einer internationalen  Arbeitsgruppe, bestehend aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank, OECD und Uno, die Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Millennium Development Goals, MDG) ausgearbeitet und 2001 vorgestellt.1 In acht verschiedenen Bereichen des Lebens auf unserem Planeten sollten bis 2015 entscheidende Verbesserungen erreicht werden. Eines dieser angestrebten Entwicklungsziele sollte die Halbierung der Hungernden von damals knapp einer Milliarde auf 500 Millionen sein. Auf der einen Seite eine riesige Aufgabe in Anbetracht schwerster Hunger- und Dürrekatastrophen auf unserem Globus, auf der anderen Seite eine Schande, dass trotz voller Nahrungsspeicher sowie genügend Anbauflächen und Nahrungsmitteln die Menschen verhungern. Bewusst hat Jean Ziegler seinem letztes Jahr veröffentlichten Buch den Titel «Wir lassen sie verhungern» gegeben.2 Für Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, der sich seit Jahren mit der Hungerproblematik auseinandergesetzt und kraft eines Uno-Mandats vertiefte Einblicke in die Welternährungslage erhalten hat, sind der Hunger und letztlich das Verhungern-Lassen weder eine Folge von Wetterkatastrophen noch von Dürreperioden, noch von einer ständig anwachsenden Bevölkerung, sondern ein perverses Geschäft, dessen Ursachen in der Spekulation und in der ungerechten Verteilung der Güter zu suchen sind. Er geht davon aus, dass 12 Milliarden Menschen problemlos genügend Nahrung auf unserem Planten finden werden und somit die Erde noch lange nicht überbevölkert ist.3 Wer sich aber auf den Standpunkt der Malthusianer stellt, kann eine Lösung des Hungerproblems nur in einer Dezimierung der Weltbevölkerung sehen oder wird den Hunger als unveränderliches Faktum bestehen lassen. Ein finsterer Ansatz, der heute zwar noch in gewissen Kreisen vertreten, aber von der internationalen Politik längst widerlegt wird.
Vor dem Hintergrund dieser unendlich grossen Zahl hungernder Menschen auf unserer Erde stiess im Jahre 2003 die Uno in Zusammenarbeit mit der Weltbank einen internationalen Prozess an, an dessen Ende der 2008 veröffentlichte Weltagrarbericht (International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Developement: IAASTD) stand.4 Über 500 Wissenschaftler aus der ganzen Welt, auch einige massgebliche aus der Schweiz, wirkten am Zustandekommen dieses umfassenden Berichtes mit. Grob gesagt ist dieser Welt­agrarbericht eine Antwort auf Spekulantentum und korrupte Machtpolitik, weil er die landwirtschaftliche Produktion zurück in dieHände der Bürger bzw. der Bauern legt und somit multinationalen Konzernen, die weltweit ein Geschäft mit dem Hunger betreiben, eine Alternative entgegensetzt, die nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch umweltschonender, nachhaltiger und somit erfolgreicher ist: «Diversifizierte, kleinbäuerliche Höfe stellen den Löwenanteil der weltweiten Landwirtschaft. Auch wenn die Produktivzuwächse in den spezialisierten Grossbetrieben mit hohem Output schneller erreicht werden können, liegt der grösste Spielraum zur Verbesserung von Existenzgrundlagen und von Gerechtigkeit in den kleinteiligen und vielfältigen Produktionssystemen der Entwicklungsländer. Dieser kleinbäuerliche Sektor ist hoch dynamisch und reagiert schnell auf veränderte natürlich sozioökonomische Rahmenbedingungen, denen er sein Produktangebot besonders auch der Steigerung der Produktion bei steigernder Nachfrage anpasst.»5
Das heisst doch nichts anderes, als dass die Zukunft der Landwirtschaft nicht in einer weiteren Industrialisierung liegt, sondern in einer sinnvollen Nutzung der Möglichkeiten, die vor allem in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft liegen. Weiter steht in dem Bericht, dass die Kleinbauern letztlich «mehr Ertrag aus dem Boden herausholen, kürzere Entscheidungswege haben, sich ständig verbessern und viel weniger die Umwelt schädigen».6
Die bäuerlichen Betriebe sind in 90 Prozent der Fälle als Familienbetriebe organisiert, und nach dem Weltagrarbericht hat sich diese Struktur bewährt und wird die Zukunft unserer Landwirtschaft sein. Besonders in den Entwicklungsländern, aber nicht nur dort, bildet diese Struktur seit Jahrhunderten die Grundlage für die produzierende Landwirtschaft.
Da diese Form der Bewirtschaftung aber von der Politik offensichtlich zu wenig gefördert wird, sondern die Landwirtschaft häufig Bestandteil zwischenstaatlicher Freihandelsabkommen, und somit einer gnadenlosen Konkurrenz ausgeliefert ist, wird der Markt von Entwicklungsländern oder von kleinen Staaten oft mit günstigerer Massenproduktion aus den Industrienationen überschwemmt. Am Ende ist die einheimische Landwirtschaft zerstört, die Menschen sind vom Import fremder Produzenten abhängig und die angestrebte Ernährungssicherheit und -souveränität ist verloren.  
Damit der Hunger der Vergangenheit angehört, muss bei den Industrienationen ein Umdenken stattfinden. Nicht der maximale Profit für einige wenige darf Triebfeder der nationalen und auch internationalen Agrarpolitik sein, sondern die Versorgung der Bevölkerung mit guten einheimischen Produkten zu angemessenen Preisen, die die Bauern entsprechend ihrer Leistungen entschädigen. Es ist kaum zu erwarten, dass es bis Ende 2014 gelingen wird, die Zahl der Hungernden zu halbieren. Dennoch muss die Anstrengung der Menschheit dahin gehen, dass allen Menschen genügend Nahrung zur Verfügung steht.•

1 <link http: www.un.org depts german millennium fs_millennium.html>www.un.org/depts/german/millennium/fs_millennium.html
2 Jean Ziegler, Wir lassen sie verhungern. Die Massenvernichtung der Dritten Welt, 2012, ISBN 3-442-74717-1
3 Jean Ziegler, Das Imperium der Schande, 2008, ISBN 3-442-15513-4
4 International assessment of agricultural knowledge, science and technology for development (IAASTD): global report / edited by Beverly D. McIntyre . . . [et al.].
5 ebenda, S. 379
6 ebenda, S. 379

Leistungen der bäuerlichen Familienbetriebe

–    Bäuerliche Familienbetriebe leisten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der einheimischen Bevölkerung mit Lebensmitteln.
–    Sie nutzen die natürlichen Ressourcen nachhaltig.
–    Die bäuerlichen Familienbetriebe verfügen über ein grosses Wissen über lokale Ökosysteme, ihre Veränderungen und den Umgang mit ihnen.
–    Sie produzieren divers und bauen keine riesigen Flächen von Monokulturen an.
–    Die bäuerlichen Familienbetriebe wirtschaften nachhaltig, so dass auch ihre Nachkommen noch davon leben können.
–    Bäuerliche Familienbetriebe tragen die Verantwortung für ihre Produktion und ihre Produkte. Sie sind damit Garanten für hochwertige Qualität.
–    Sie gehen verantwortungsvoll mit ihren Tieren um und achten das Tierwohl.
–    Die Wertschöpfung aus der Lebensmittelproduktion sowie die Entscheidungskompetenz in der Landwirtschaft bleiben dank den bäuerlichen Familienbetrieben bei der ländlichen Bevölkerung.

–    Bäuerliche Familienbetriebe tragen zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsstellen in ländlichen Regionen bei, da vor- und nachgelagerte Bereiche von ihren Tätigkeiten abhängen. In Entwicklungsländern ist diese Leistung besonders zentral für die Reduktion von Armut.
–    Die bäuerlichen Familienbetriebe zeichnen sich durch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aus, auch unter schwierigen Umständen wie beispielsweise bei einer kritischen Lage der Weltwirtschaft oder unter schwierigen klimatischen Bedingungen.
–    Sie fördern die dezentrale Besiedlung und verlangsamen die Abwanderung vom Land in die Städte.
–    Die bäuerlichen Familienbetriebe gestalten die Landschaft ihrer Region.
–    Sie tragen zur Pflege von Traditionen bei.
–    Innerhalb der bäuerlichen Familien findet ein Wissenstransfer zwischen den Generationen statt.
Aus all diesen Aspekten lässt sich herauslesen, dass bäuerliche Familienbetriebe für Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen stehen:

–    Ökologisch: Sie bewirtschaften ihren Boden und die natürlichen Ressourcen so, dass auch ihre Nachkommen auf dem Betrieb noch produzieren können.
–    Ökonomisch: Sie wirtschaften so, dass ihre Kinder und Enkel einen Betrieb auf gesunden finanziellen Beinen übernehmen können.
–    Sozial: In bäuerlichen Familien ist die soziale Sicherheit durch das Zusammenleben der Generationen gegeben. Ausserhalb der Familie bilden sie starke Gemeinschaften, da ihre Tätigkeiten weiteren Sektoren das Überleben in den ländlichen Gebieten ermöglichten und da sie regionale Traditionen und Bräuche pflegen.

Quelle: <link http: www.familyfarming.ch images dossier iyff_dossier_d_2013-08-23.pdf>www.familyfarming.ch/images/dossier/IYFF_Dossier_D_2013-08-23.pdf, Seite 12f.

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