Monetative – eine monetäre Modernisierung

Monetative – eine monetäre Modernisierung

Eine Volksinitiative will die Vollgeldreform

von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich

Wer sind die Initianten? – Der Verein «Monetäre Modernisierung» (MoMo) ist vor kurzem gegründet worden. Er besteht zum Teil aus Mitgliedern der INWO, der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung, Schweiz. Diese Organisation hat ihre Wurzeln in der Freiwirtschaftsbewegung, die 1915 von Silvio Gesell initiiert wurde. Dazu einige wenige Merkpunkte, die für das Folgende von Bedeutung sind: 1924 bildete sich der Schweizerische Freiwirtschaftsbund. Daraus entstand 1946 die Liberal-sozialistische Partei, die über lange Zeit Vertreter sowohl im National- als auch im Ständerat hatte. 1990 wurde die Partei aufgelöst. Aus diesem Umfeld wurde die INWO Schweiz gegründet. Ihre ungefähr 300 Mitglieder verstehen sich als unabhängige Nichtregierungsorganisation (NGO), die auf die geld- und bodenrechtlichen Ursachen der heutigen Fehlentwicklungen, wie zum Beispiel der Bankenkrise, aufmerksam machen und Alternativen aufzeigen.

Die INWO diskutiert seit längerer Zeit über eine Volksinitiative zur Reform des Geldwesens. Mit der Gründung des neuen Vereins «Monetäre Modernisierung» ist der Personenkreis wesentlich erweitert worden – unter anderem auch mit Politikern aus den Reihen der SVP und der FDP.
Der Verein verfügt über einen wissenschaftlichen Beirat. Dazu gehören: Prof. Philippe Mastronardi (Universität St.Gallen), Prof. Josef Huber (Universität Halle, Deutschland), Prof. em. Hans Christoph Binswanger, Dr. Peter Hablützel, Prof. em. Peter Ulrich, Prof. Heinrich Bortis. Prof. Huber hat mit seinem Buch, «Das Geldwesen in öffentliche Hand», den theoretischen Rahmen für die beginnende Diskussion gezeichnet.
Was wollen die Initianten? Sie haben im Mai dieses Jahres in Winterthur zu einer zweitägigen Tagung zum Thema «Schweizer Vollgeldreform» eingeladen und einen provisorischen Initiativtext vorgestellt. In den folgenden Zeilen sollen die groben Konturen ihres Projektes skizziert werden.

Umbau der Schweizerischen Nationalbank

Das Geldwesen soll neu als «Service public» ausgestaltet werden. Dazu soll die Schweizerische Nationalbank gestärkt, zu einer sogenannten «Monetative» umgebaut und zur Vierten Gewalt im Staate werden – in Ergänzung zu Exekutive, Legislative und Judikative. Nach den Ausführungen von Prof. Mastronardi wäre dieser Umbau ohne grössere Schwierigkeiten durchzuführen: «Die privaten Aktionäre der Nationalbank haben schon heute nicht viel zu sagen. Wir sind in der glücklichen Lage, eine fast autonome Zentralbank zu haben, die eigentlich staatlich ist. Sie ist zwar eine Aktien­gesellschaft, aber man könnte sie – wie ich es vorgeschlagen habe – ohne weiteres in eine öffentlich-rechtliche Anstalt umwandeln.» Ihr würde das Monopol der Geldschöpfung zustehen – und zwar nicht wie heute nur für das Bargeld (Noten und Münzen), sondern auch für das Buchgeld, das heute zu einem grossen Teil von den Geschäftsbanken selber kreiert und in Umlauf gesetzt wird. Sie ist als Fachinstanz autonom, wird aber in den politischen Zielen und Aufgaben möglichst klar durch ein demokratisch beschlossenes Gesetz gesteuert.
Professor H. C. Binswanger hat den Vorgang der privaten Geldschöpfung in seinem Grundsatzreferat «Finanz- und Umweltkrise sind ohne Währungs- und Geldreform nicht lösbar» ausführlich dargelegt (vgl. dazu Zeit-Fragen vom 26.9.2011). Er kommt zum Schluss, dass es unerlässlich ist, die gesamte Geldversorgung (mit Bar- und Buchgeld) zu kontrollieren und auf eine effiziente Art so zu steuern, dass keine gravierenden Störungen im System auftreten und ein geordneter, marktwirtschaftlicher Wirtschaftsablauf gewährleistet wird.
Die Monetative würde die geldmässige «Infrastruktur» bzw. den Ordnungsrahmen zur Verfügung stellen. Der Finanzmarkt könnte – müsste aber nicht – in allen Teilbereichen staatlich gesteuert werden. Eine Verstaatlichung von Banken ist in keiner Art und Weise vorgesehen.

Vollgeld

Das Geld, das die Monetative künftig neu schöpft, würde also nicht nur aus dem Bargeld, sondern neu auch aus dem Buchgeld bestehen, das heute die Geschäftsbanken über ihre Kreditgewährung selber schaffen. Die Initianten nennen dieses neuartige Geld «Vollgeld». Nach dieser Reform hätten die Geschäftsbanken keine Möglichkeit mehr, über ihre Kreditgewährung eigenes Buchgeld zu schaffen, sondern sie müssten sowohl das Bargeld wie auch das Buchgeld von der Zentralbank bzw. von der Monetative beziehen. Ein Beispiel: Wenn eine Bank einen Hypothekarkredit gewähren will, müsste sie zuerst den Betrag bei der Nationalbank bzw. Monetative beziehen oder Spargelder verwenden. Das staatliche Geldmonopol würde – im Unterschied zu heute – alle Geldarten erfassen, und das Geld würde auf diese Weise künftig zu einem öffentlichen Gut.
Heute machen die Zentralbanken immer wieder die Erfahrung, dass ihre Geldpolitik wirkungslos verpufft, weil sie nur einen kleinen Teil des Geldes beeinflussen können. Die neue Nationalbank bzw. Monetative könnte die Geldmenge im Gesamtinteresse wirksam steuern, weil sie allein das neue Vollgeld schöpft. Die Monetative würde die Geldmenge regulieren, so dass das marktwirtschaftliche System funktioniert und der Geldwert erhalten bleibt. Es wäre aber auch möglich –, wie Professor Binswanger ausführte – das Wachstum und die Konjunktur über die Geldmenge so zu steuern, dass die Güter der Natur nicht übermässig beansprucht werden. Dies würde stärker als heute in Absprache mit der Politik und mit der Bevölkerung geschehen. So wäre es zum Beispiel möglich – wie Professor Binswanger ausführte –, neben gesamtwirtschaftlichen auch ökologische Kriterien zu berücksichtigen, d.h. das Wirtschaftswachstum und die Konjunktur über die Geldmenge so zu steuern, dass die Güter der Natur nicht übermässig beansprucht werden.
Prof. Huber wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die Geldmenge in Deutschland im heutigen System in den letzten Jahren acht Mal stärker gewachsen ist als die Wirtschaftsleistung. Das überschiessende Geld sei in die globalen Finanzmärkte geflossen und habe die Krisen bewirkt, mit denen wir heute zu kämpfen haben. Im neuen System würde die Geldmenge im Rahmen der Wirtschaftsleistung nur noch 1,2-mal stärker wachsen. «Keine unkontrolliert überschiessende Geldschöpfung (samt Geldverknappung in Krisenzeiten) könnte mehr stattfinden.»

Wie kommt das Geld in Umlauf?

Die «Monetative» soll das jährlich neu produzierte Geld, das die Wirtschaft für ihre Entwicklung braucht, auf neuartige Art in Umlauf bringen, die noch diskutiert werden kann. Beispielsweise:
Einen Teil davon stellt sie – wie es heute die Zentralbanken tun – den Geschäftsbanken gegen Zins zur Verfügung.
Ein weiterer Teil fliesst – zins- und schuldenfrei – in den Staatshaushalt und würde über die staatlichen Ausgaben in Umlauf gesetzt. Oder das Geld würde direkt an die Bürger gezahlt, die es ausgeben. Der Nutzen der staatlichen Geldschöpfung würde so direkt der Allgemeinheit zukommen. Das würde allerdings nur funktionieren, wenn kein Missbrauch geschieht und die Monetative sich an die Vorgaben in Verfassung und Gesetz hält.
Nach den Berechnungen von Prof. Josef Huber würde der Betrag, den die Monetative auf diese oder andere Art jedes Jahr neu in Umlauf bringt, in der Schweiz aktuell etwa 10 Milliarden Franken betragen, ohne dass der Geldwert der Landeswährung gefährdet würde.
Heute würde es sich aufdrängen, dass der Betrag, der dem Staatshaushalt zukommen würde, direkt zum Abbau von Schulden verwendet würde. Angesichts der weltweiten, fast hoffnungslosen Schuldenproblematik würde dieses neue Konzept Erleichterung bringen. Er wäre für viele Staaten ein Lichtblick. Die EZB als Monetative könnte zum Beispiel mithelfen, mit ihrem neu kreierten Geld direkt Schulden ihrer Mitgliedländer zurückzuzahlen.
Binswanger erwähnt in seinem Buch, «Vorwärts zur Mässigung», noch einen dritten Weg: Er würde einen Teil des neu geschöpften Geldes regionalen Einrichtungen zur Verfügung stellen, die es als Regionalgeld in Umlauf bringen. Hier liesse sich eine «Um­laufsicherung» im Sinne von Silvio Gesell einbauen.

Was würde sich für den Bankkunden ändern?

Der Systemwechsel würde auch für den Bankkunden manches ändern: Das sogenannte Vollgeld, das er zur Bank bringt oder überweist, bliebe in seinem persönlichen Eigentum und würde von der Bank nur verwaltet – ähnlich wie heute eine Bank die Wertpapiere verwaltet, die der Kunde in seinem Depot hält. Der Sparer entscheidet, ob die Bank sein Geld sicher aufbewahrt ohne Zins (oder ob er ein Risiko eingehen will und dafür auch einen Zins erhält). Fällt die Bank in Konkurs, wäre das Geld des Kunden gar nicht betroffen, weil es im Eigentum des Kunden bleibt. Die Bank führt das Buchgeld des Kunden ausserhalb ihrer Bilanz, so dass es nicht in die Konkursmasse fällt. Eine Einlagesicherung oder gar eine Staatshaftung wäre so gar nicht notwendig.
Der Kunde erhält nur dann einen Zins, wenn er der Bank erlaubt, sein Geld auszuleihen. Der Kunde übernimmt so Eigenverantwortung und akzeptiert, dass der Zins auch das Risiko abdeckt, das mit Bankgeschäften verbunden ist.

Gemeinwohl statt Bankeninteressen

Diese Volksinitiative des Vereins «Monetäre Modernisierung» orientiert sich direkt am Gemeinwohl und ist weniger einseitig auf die Interessen der Geschäftsbanken ausgerichtet. Sie würde diesen wesentliche Geschäftsfelder entziehen. Neu geschöpftes Geld der Zentralbank würde nicht mehr ausschliesslich Banken und Finanzkonzernen zukommen, sondern – zu mindestens teilweise – an den Staat oder direkt an die Bürger fliessen. Die Initianten rechnen deshalb mit Widerstand aus Bankenkreisen. Das Geldsystem und mit ihm das kapitalistische System würden aber wesentlich stabiler. Garantien der Steuerzahler, teure Einlagesicherungen oder Bankenrettungen aller Art wären gar nicht nötig. Banken könnten ganz normal Konkurs gehen – wie andere Unternehmen auch –, ohne dass die Spargelder gefährdet wären. Die «Too Big To Fail»-Problematik wäre gelöst, und die EZB zum Beispiel könnte mit einem Teil des neu kreierten Geldes direkt Schulden ihrer Mitgliedsländer zurückzahlen.

Diskussion

Eine zentraler Punkt in der Diskussion an der Tagung in Winterthur war die Frage, ob das Finanzsystem – wie dies heute vielfach gefordert wird – zusätzlich zur oben geschilderten Reform des Geld- und Bankwesens reguliert werden müsste –, zum Beispiel im Bereich der «spekulativen Finanzprodukte».
Während Prof. Mastronardi für weitere Regulierungen im Finanzsystem plädierte, nahm Prof. Binswanger wie folgt Stellung: «Es ist unklar, ob diese Finanzprodukte sich noch lohnen würden oder überhaupt noch möglich wären, wenn die Ausweitung der Geldmenge begrenzt wird. Entstanden sind diese Finanzprodukte erst, als es möglich war, die Geldmenge beliebig auszuweiten. Wenn das nicht mehr möglich ist, dann sind auch die ausufernden Finanzprodukte nicht mehr aktuell, und es besteht keine absolute Notwendigkeit mehr, diese zu regulieren.»
In Anlehnung an die Lehre von Silvio Gesell stellten Teilnehmer folgende zwei Fragen:

Schafft die Vollgeldreform den Zins ab?

Dazu Prof. Josef Huber, der das Konzept der «Vollgeldreform» in seinem Buch «Das Geldwesen in öffentliche Hand» entworfen hatte: «Nein. Es ist zwar möglich, dass die zinslose Geldbasis, also dass die Zentralbank Geld zinslos in Umlauf bringt, zu einer geringen Absenkung des allgemeinen Zinsniveaus führt. Die Zinslenkung der Kapitalmärkte wird durch eine Vollgeldordnung nicht tangiert. Ich vermute auch, dass eine Geldreform, die sich zum Ziel macht, den Zins abzuschaffen, auf unabsehbare lange Zeit nicht anschlussfähig ist [d.h. im heutigen Finanzsystem funktionieren könnte, der Verf.]. Zudem sehe ich keinen Mechanismus, der die Zinssteuerung ersetzen könnte. Eine Zustellungsbürokratie, die bestimmt, wer wem wieviel Geld zinslos zur Verfügung stellen muss, würde beispielsweise sofort zur Vetternwirtschaft ausarten.»

Soll eine «Umlaufsicherung» Teil einer Geldreform sein?

Dazu Professor Josef Huber: «Ich halte eine Umlaufsicherungsgebühr nicht für ein notwendiges Element einer Geldreform. Gesell hat diese Idee vor dem Hintergrund einer Konjunkturtheorie entwickelt. Er sah die Gefahr, dass mangelnde Nachfrage eine Krise auslösen könnte. Gesell stand zwischen der Zeit des Gold- und Silbergeldes, in der eine gewisse Geldknappheit herrschte, und der Zeit des frei schöpfbaren Papiergeldes. Die Um­laufsicherungsgebühr nutzt die Möglichkeit reinen Papiergeldes, um so etwas wie ein permanentes Konjunkturprogramm herzustellen, weshalb sich auch Keynes für das Thema interessiert hat. In den Ländern, welche die Phase des industriellen ‹Take-off› schon hinter sich haben und sich in einer Phase des organischen Wachstums befinden, sehe ich den Sinn einer solchen ständigen Konjunkturpeitsche weder ökonomisch noch ökologisch.»     •

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