Der Kanonenbootpolitik entgegentreten

Der Kanonenbootpolitik entgegentreten

Zum chinesischen Nein im Uno-Sicherheitsrat

von Li Qingsi *

Bei der gegenwärtigen Krise in Syrien geht es nicht einfach um den Schutz der Menschenrechte, wie das der Westen vorgibt. Der Westen will die derzeitige Regierung stürzen und sie durch eine andere, das heisst prowestliche, ersetzen. Syrien wird auf Grund seiner engen Beziehungen mit Iran und Libanon, die beide den Vereinigten Staaten feindlich gesinnt sind, als Problem für die Nahost-Politik des Westens angesehen.
Um im Nahen Osten eine Rolle zu spielen, ist die Arabische Liga bereit, die westliche Strategie in der Region zu unterstützen. Wenn das syrische Problem auf unfriedliche Art gelöst wird, wäre Iran ohne jeden Zweifel das nächste Ziel.
Das chinesische Veto bedeutet nicht, dass Peking sich an die Seite der syrischen Regierung stellt oder dass es blind wäre gegenüber den blutigen Auseinandersetzungen; es bedeutet, dass es nicht will, dass Syrien den gleichen verheerenden Weg wie Libyen geht, der in einen allgemeinen Bürgerkrieg mündete.
Als permanentes Mitglied des Uno-Sicherheitsrates hat China die Verantwortung und die Pflicht, die Charta der Vereinten Nationen, internationales Recht und internationale Verfahrensregeln zu verteidigen, und es muss daher jede Resolution, die diese Charta und ihre Ziele verletzt, zurückweisen.
Würde China nichts tun, wenn es gewahr wird, dass eine Resolution die Souveränität eines Staates bedrohen kann und der Gerechtigkeit zuwiderläuft, wäre das ein schwerer Amtsmissbrauch.
Die wütende Reaktion des Westens auf das russische und das chinesische Veto zeigt, dass letztere das wahre Ziel des Westens aufgedeckt haben – den Nahen Osten zu beherrschen versuchen und die Organisation der Vereinten Nation zu monopolisieren –, das sie geflissentlich hinter ihren noblen Forderungen nach Verteidigung der Menschenrechte in Syrien zu verdecken versucht haben.
Zu oft ist die Welt schon Zeuge von Invasionen in souveräne Staaten und von Bluttaten an unschuldigen Zivilisten geworden, begangen im Namen der humanitären Intervention. Die militärischen Interventionen seit dem Ende des kalten Krieges zeigen, dass der Westen – während er die Fahne des Schutzes der Menschenrechte schwenkt – in Wirklichkeit nur seine eigenen globalen und regionalen strategischen Interessen verfolgt.
Tatsache ist, dass sowohl in den Ländern, in die man nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 einmarschiert ist, aber auch in gewissen muslimischen Ländern, die im vergangenen Jahr «farbige Revolutionen» durchmachen mussten, diese Invasionen und «Revolutionen» nicht dem Schutz der Menschenrechte dienten, sondern im Gegenteil die Verschlechterung der inneren Stabilität und der humanitären Situation vorantrieben.
Die Erfahrung zeigt, dass sich die westlichen Länder bei allen Divergenzen, die unter ihnen bestehen, gegenseitig unterstützen, wenn sie mit einem nicht-westlichen Land in Konflikt stehen. Selbst im Zeitalter der Globalisierung existiert eine klare Demarkationslinie zwischen dem Westen und dem Rest der Welt.
Aus historischen wie praktischen Gründen ist das Machtgleichgewicht zwischen dem Westen, vor allem den Vereinigten Staaten, und der nicht-westlichen Welt ungleich. Genauso, wie eine absolute Macht ohne Aufsicht und Beschränkungen zur Korruption innerhalb eines Staates führt, wird auch eine Macht ohne Gegengewicht in der internationalen Gemeinschaft autoritär und skrupellos und damit zur Bedrohung für die Stabilität der ganzen Welt.
Nach dem kalten Krieg ist es den Vereinigten Staaten gelungen, «starken Einfluss auf die Uno zu nehmen, um die internationale Gemeinschaft zu unterdrücken», während die kleinen und mittleren Staaten nicht wagten, ihr Missfallen zum Ausdruck zu bringen.
Die hysterische Reaktion der Vereinigten Staaten auf das chinesische Veto zeigt, dass sie die Entwicklung Chinas nicht verstanden haben. In einer Zeit, in der die Kanonenbootpolitik wieder Mode geworden ist, erscheint ein bescheidener und selbstdisziplinierter Ansatz der Diplomatie vielleicht etwas unzeitgemäss.
Wenn China und die Vereinigten Staaten friedlich koexistieren könnten, vollbrächten sie damit etwas noch nie Dagewesenes. Aber die Geschichte der chinesisch-US-amerikanischen Beziehungen zeigt, dass eine solche Zusammenarbeit nicht durch Kompromiss oder einfaches Ersuchen zu erreichen ist und dass unser blosses Wunschdenken keine Win-win-Beziehung schafft. Der Kampf ohne Abbruch der Beziehungen kann nicht Grundlage der chinesischen Haltung gegenüber den USA sein, denn nur, wenn wir bereit sind, den Preis des Bruches zu zahlen, werden wir in der Lage sein, zu kämpfen, ohne uns gegenseitig herabzusetzen. […]
Als permanentes Mitglied des Uno-Sicherheitsrates muss China die grosse Verantwortung auf sich nehmen, den Weltfrieden zu schützen. Um die Einheit zu wahren, war China gezwungen, von seinem Veto Gebrauch zu machen.
Als Mitglied der internationalen Gemeinschaft ist sich China bewusst, dass es seine eigenen Interessen nicht ohne Kooperation mit der Aussenwelt verwirklichen kann. Aber China wird genauso auf jene westlichen Länder achten, die zu weit gehen. Nach den Invasionen der westlichen Mächte in der Vergangenheit kennt China das Leid, das sich daraus ergibt. Das erwachende China wird daher die Fehler der andern nicht wiederholen, weil das chinesische Volk glaubt, dass man das, was man nicht will, dass einem selber angetan werde, auch keinem andern zufügen soll.     •

*Li Qingsi ist Professor für internatonale Beziehungen an der Renmin Universität in China.

Quelle: <link http: www.voltairenet.org>www.voltairenet.org, 23.2.2012
(Übersetzung Zeit-Fragen)

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