Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung – nicht ohne Wehrhaftigkeit

Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung – nicht ohne Wehrhaftigkeit

Zukunftsfähig werden durch faktengestütztes Geschichtsbewusstsein – ein längst fälliges Korrektiv zur Bergier-Geschichtsklitterung

von Tobias Salander

Welche Anforderungen müssen die Schweizer Bürger des Jahres 2011 erfüllen, wenn sie die Botschaft in die Welt senden wollen, dass sie ihre Freiheit, Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht auch in Zukunft behalten und gleichzeitig das friedliebendste, aber auch wehrhafteste Volk bleiben wollen? Diese Frage, rechtzeitig aufgeworfen in der Zeit der grossen Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihren noch nicht absehbaren Verwerfungen in der westlichen Welt, insbesondere im Dollar- und Euro-Raum, beantwortet eine neue Studie zur Geschichte der Schweiz von 1933 –1945 aus der Feder eines weltoffenen, beruflich für die Weltbank, die Uno, die OECD, diverse Regierungen und private Auftraggeber in über 100 Ländern der Welt tätig gewesenen Volks- und Betriebswirtschafters und ehemaligen Infanterie-Bataillonskommandanten.
Gestützt auf eine Fülle von wissenschaftlichen Publikationen zum Zweiten Weltkrieg liefert Gotthard Frick mit seinem Buch «Hitlers
Krieg und die Selbstbehauptung der Schweiz 1933 –1945. Eine neue, umfassende Sicht auf die Selbstbehauptung der Schweiz im Zweiten Weltkrieg und die daraus für die Zukunft zu ziehenden Lehren» ein wohltuendes Korrektiv zur geheimdienstlichen Auftragsarbeit der Bergier-Kommissare. Das Buch von Gotthard Frick kann allen Bürgern, insbesondere auch den Geschichtslehrkräften und ihren Schulklassen, wärmstens empfohlen werden. Herausgekommen ist eine faktengestützte Sicht der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, die jeder ideologischen Verunglimpfung abhold den Sachverhalt wieder in sein richtiges Licht rückt und von all jenen, die damals dabei waren, nur bestätigt werden kann.
Nach den Attacken der 90er Jahre gegen die Schweiz im Auftrag der US-Ostküste, willfährig ausgeführt durch eine 5. Kolonne von Pseudokunstschaffenden, Heimatmüden und erpressbaren und gekauften Wendehälsen und Karrieri­sten, welche die Schweiz in einer grossangelegten «Psyop»-Attacke zur Eingliederung in die globalisierte neue Weltordnung hätte sturmreif schiessen sollen, gelingt es Frick mit seiner klaren Wertung der bekannten hi­storischen Ereignisse, den Selbstbehauptungswillen wiederaufzurichten und den Blick für die Zukunft zu schärfen. Es geht ihm dabei nicht nur um einen Beitrag zur Diskussion über die Zukunft der Schweizer Armee, dies natürlich auch. Habe es sich damals gelohnt, grosse Opfer zu bringen, um Krieg vom Land fernzuhalten, müssten auch heute «umfassende und langfristige Überlegungen angestellt werden, wollen wir unser Land durch eine Zukunft steuern, die wohl wesentlich schwieriger und anspruchsvoller und möglicherweise auch viel bedrohlicher sein wird, als sich heute viele vorstellen.» (S. 2f.) Überlegungen, die nicht nur anlässlich der 1.-August-Feiern ernsthaft erwogen werden sollten.

Wer seinen Mitbürgern den Blick auf die Vergangenheit verstellt, verbaut ihnen auch eine eigenständige Zukunftsperspektive: Was die Bergier-Ideologen an verqueren Deutungen – neue Fakten brachten sie ja keine, lediglich falsche Deutungen der Vergangenheit – auf unser Volk niederprasseln liessen, muss nun mühsam Stück für Stück abgeschüttelt werden. Einer, dem das Verdienst zukommt, nach diesem Bombenhagel Schutt weggeräumt zu haben und wertvollste Aufbauarbeit zu leisten, ist Gotthard Frick. Seine Darstellung des Selbstbehauptungswillens der Eidgenossen in bedrängter Zeit, von 1933 bis 1945, ist derart klar, faktengestützt und immer mit dem Blick nach vorne, auf die heutige Zeit gerichtet, dass sie gerade auch für die Jugend einen Fixpunkt und eine Verankerung bilden kann, von wo aus die Probleme der Gegenwart in Angriff genommen werden können: Mit klarem Bewusstsein der Leistungen unserer Vorfahren und der Eigenheit unserer Geschichte: der Geschichte eines Volkes, welches sich nicht unterjochen lassen wollte, die Freiheit über alles liebte und die eigenen Angelegenheiten selber in der Hand haben wollte. Immer aber mit dem Blick auf das Umfeld, in Verbundenheit mit den Mitmenschen ausserhalb der eigenen Grenzen, solidarisch und mit guten Diensten beispringend, wo Not am Mann war und ist. Ein wohltuender Kontrapunkt also zu jenen bereits genannten, aber auch neueren Machwerken von innerhalb des Landes, deren leicht zu durchschauender Fluchtpunkt immer die Eingliederung der Schweiz in die EU, die Nato, mithin als Vasall und Steigbügelhalter für die Interessen von Grossmächten, beinhaltet.

Jedes Land hat eine Armee – die eigene oder eine fremde

Einige wichtige Erkenntnisse der Darstellung Fricks gerade für die heutige Zeit seien dem Übrigen vorangestellt:
Die konzise Darstellung der Eroberungszüge Hitlers und der Pläne der Alliierten, welche durch den Autor nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern nach den ihnen zugrundeliegenden Motiven in erhellender Weise geordnet dargestellt werden, machen eines klar – was auch jedem sozial gesinnten und friedliebenden Menschen unmittelbar einleuchten muss: In einer Welt, in welcher zwischen Staaten letztlich nie wirkliche Freundschaften, sondern immer nur Interessen bestehen, geht die Freiheit und Würde verloren, wenn der Ernstfall von demokratischen Staaten nicht auch immer mitgedacht und vorbereitet wird: Frick stellt klar, dass man damals wie heute selbstverständlich den Sozialstaat aufbauen, sich für neutral erklären und stolz verkünden könne, man investiere nichts in die Rüstung. Nur dürfe man sich dann nicht wundern, wenn sich die ­politische Lage über Nacht ändert und ein ehemals befreundetes Land das so geschaffene Machtvakuum selber füllt. So geschehen mit Dänemark und Norwegen im Jahre 1940, so aber auch wieder möglich heute. Man könne zwar schon sagen, wir wehrten uns im Falle eines Angriffs nicht, weil es ja keinen Sinn mache, sich gegen eine Übermacht zu verteidigen! Die Konsequenzen? Die Besatzungsmacht wird die Männer des besetzten Landes selbstverständlich als Zwangsarbeiter verschleppen, zum Ausbau der Rüstungsindustrie und zur Freisetzung der einheimischen Arbeiter und Bauern für die eigene Angriffsarmee. Eventuell muss der Unterworfene dann auch Kriegsdienst leisten, wird Teil der Eroberungsmaschinerie, wird töten, nur schon, um nicht selber getötet zu werden. Diese schrecklichen Konsequenzen, denen sich die Pazifisten Belgiens, Dänemarks, Norwegens, Frankreichs usw. gegenübersahen, aber auch die Wehrhaften, die unterlagen, wie die Serben, beschreibt Frick in seiner Studie und zerstört auf heilsame Art und Weise jede Illusion, man könne sich auch heute passiv verhalten, dann sei man halt Untertan, so schlimm werde es schon nicht werden. Die Geschichte, so Frick, hat diese Ansicht noch immer auf schmerzhafte Weise Lügen gestraft.

Ausländische Stimmen lobten wehrhafte Schweiz

Mit einer Vielzahl von Dokumenten ausländischer Generäle, Staatsleute und Journalisten zeigt der Autor auf, dass die Schweizer Verteidigungsanstrengungen, insbesondere die Errichtung eines Reduits, im grossen Kanton drüben, und nicht nur dort, mehr als nur ernst genommen wurden. Frick lässt mit diesen hochrangigen Stimmen von aussen das wahre Bild der damaligen Zeit erstehen – siehe auch die Kästchen zu diesem Artikel. Da wird die Schweiz eben gerade nicht als judenfeindlich, sondern im Gegenteil in der Schrift «Welt-Dienst» des staatlich finanzierten deutschen Erfurter Verlags mit Gift und Galle als «das einzige Judenparadies in Europa» (zit. nach Frick, S. 15) bespien, da ist nicht von einem angeblichen Defätismus der Eidgenossen die Rede, sondern von Kampfesmut und Wehrhaftigkeit, an welcher sich die Wehrmacht die Zähne ausbeissen werde, so der General der Gebirgstruppen der Wehrmacht, Franz Böhme, welcher sich später in alliierter Kriegsgefangenschaft in Nürnberg suizidierte, in seiner Angriffsstudie gegen die Schweiz. So wird in der Londoner «Times» betont, keine Armee der Welt könne so schnell mobilisieren wie die schweizerische, und auch die Wehrmachts-Angriffsstudie Tannenbaum von 1940 bestätigt diese Einschätzung, wenn auch mit anderen Hintergedanken.
Das für die deutschen Truppen im Felde bestimmte «Kleine Orientierungsheft Schweiz» des Generalstabes des Heeres vom 1. September 1942 schreibt über das Milizsystem der Schweiz, was die Bergier-Ideologen in ihrer Nato-Hörigkeit immer nur zu verunglimpfen wussten: «Das schweizerische Milizsystem ermöglicht eine vollständige Erfassung der Wehrfähigen unter verhältnismässig geringen Kosten. Es erhält den im schweizerischen Volk seit je regen soldatischen Geist und gestattet die Aufstellung eines für das kleine Land sehr starken und zweckmässig organisierten, schnell verwendungsfähigen Kriegsheeres. Der schweizerische Soldat zeichnet sich durch Heimatliebe, Härte und Zähigkeit aus.» (zit. nach Frick, S. 55)

General Böhme voller Respekt vor dem Reduit

Und der bereits genannte General Böhme zum von den Bergier-Geschichtsklitterern als Mythos bezeichneten Reduit: «Die Schweizer Landesverteidigung verfügt über ein Heer, das schon wegen seiner zahlenmässigen Stärke ein äusserst beachtlicher Faktor ist. Die Bezwingung der sich erbittert verteidigenden Truppen im Hochalpenreduit wird eine schwer zu lösende Aufgabe darstellen.» (zit. nach Frick, S. 57) Es mutet schon eigenartig an, die Würdigung der Leistungen unserer Vorväter aus Wehrmachtsquellen zu erhalten, während die staatlich verordneten Geschichtslügen uns das Gegenteil weismachen wollen.
Wie um- und weitsichtig die Planung der Zurücknahme des Gros des Heeres in die Alpen durch General Guisan war, zeigt Frick in gebührender Tiefe auf. Die kapi­talen Fehler der polnischen Generalität, eine Front von 1500 km halten zu wollen, statt sich auf die natürlichen Verbündeten wie Flussläufe zu stützen und die Kräfte zu konzentrieren, wurden von General Guisan und seinem Stab genauestens studiert. So musste die mit viel Aufwand errichtete Limmatstellung nach der Niederlage Frankreichs, weil nun nutzlos, aufgegeben werden. Auch wenn in der genannten Situation während einiger Wochen höchste Gefahr drohte durch die offene Flanke im Jura, gelang es mit einem Quäntchen Glück, das Reduit zu errichten, ohne dass die Wehrmacht die Gunst der Stunde hatte nutzen können. Auch der Kampf um die französischen Südalpen, wo französische Truppen einer vielfach überlegenen Streitmacht Mussolinis von der einen und Hitlers von der andern Seite siegreich widerstanden, wurde in der Schweiz genau verfolgt und machte Mut, mit dem Konzept der Alpenfeste auf dem richtigen Weg zu sein. Ein Sachverhalt, der die Psychokriegführer der BergierFraktion mit ihrer unsachlichen Häme der Reduit-Konzeption gegenüber mehr als nur in Verlegenheit bringt.

Alliierte hätten Krieg um Jahre verkürzen können

Einem weiteren unsäglichen und völlig unsubstantiierten Argument der 5. Kolonne, jenem einer angeblichen «Kriegsverlängerung durch die Schweiz», tritt Frick mit der Feststellung entgegen, die Alliierten hätten den Krieg um Jahre verkürzen können, hätten sie nur die Treibstoffproduktionsanlagen der Deutschen bombardiert. Die Nazis wuss­ten selber ganz genau, dass dies ihre Achillesferse war. Aber was geschah? Die wehrlose und durch das Völkerrecht geschützte Zivilbevölkerung der Städte wurde durch die alliierten Bombergeschwader angegriffen – ein Kriegsverbrechen ohnegleichen, völkerrechtlich gesprochen, strategisch gesehen der grösste Fehler der Alliierten, so Frick unmiss­verständlich. Oder war dieses «moral bombing», wie «Bomber»-Harris und Churchill es nannten, gar kein Fehler, sondern diente anderen Zwecken? Leider werden wir auch hier weiter im dunkeln tappen müssen, bis die Alliierten die Geheimakten zum Zweiten Weltkrieg, und es soll sich dabei ja um mehr als 50% aller Dokumente handeln, freigeben. Warum dies nicht schon lange geschehen ist, nach Ablauf der üblichen Sperrfrist von Jahrzehnten, lässt Ungutes erahnen …

Fazit – 10 Punkte für die Selbstbehauptung heute

Klären die Ausführungen Fricks die Gedanken und bilden ein lange gewünschtes Gegengift gegen die Zersetzungsarbeit der Bergieraner, so gibt sein Fazit in 10 Punkten wertvolle Hinweise, wie die Erkenntnisse aus der Geschichte für den aufrechten Gang auch in der heutigen, nicht weniger brisanten Zeit nutzbar gemacht werden können.

1.    Treue zu immateriellen Werten

Punkt 1: Die wichtigste Voraussetzung für die Selbstbehauptung eines Volkes, so Frick, sei die Treue zu seinen immateriellen Werten. Sie geben einem Volk die innere Stärke, in extremen Lagen zu bestehen. Es sind dies in der Schweiz, durch fast alle ausländischen Quellen der damaligen Zeit bestätigt, nur von den Bergier-Ideologen gezielt verhöhnt: Vaterlandsliebe, Unabhängigkeit, direkte Demokratie, Föderalismus, Friedensliebe, gepaart mit Wehrhaftigkeit, «das heisst die Bereitschaft, diese Werte und die territoriale Integrität des eigenen Landes, ohne nach dem Erfolg zu fragen, im Falle eines Angriffs bis zur Erschöpfung aller menschlichen und materiellen Ressourcen zu verteidigen». (Frick, S. 116)
Dazu gehörten aber immer auch Respekt, Anstand und die Aufrechterhaltung normaler Beziehungen zu allen anderen Staaten.

2.    Innere politische Geschlossenheit gegen aussen

Punkt 2: Als weitere wichtige Voraussetzung für die Selbstbehauptung nennt Frick die innere politische Geschlossenheit gegen aussen. Der Autor betont, dass es im Gegensatz zu anderen Ländern ausländischen Mächten nicht gelang, staatstragende Parteien in der Schweiz für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Auch für die SP war ja die Landesverteidigung, wenn auch spät, zum «Alpha und Omega aller schweizerischen Politik» (Parteipräsident Oprecht) geworden.

3.    Gesellschaftliche Solidarität

Im Innern gehörte dazu, dies Punkt 3, auch eine minimale gesellschaftliche Solidarität: «Das bedingt Zurückhaltung und Masshalten bei den wirtschaftlich Mächtigen und die Einsicht, dass wirtschaftliche Stärke auch Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber mit sich bringt» (Frick, S. 117) – während die Schwächeren auf Kampfmassnahmen verzichten. Das Friedensabkommen zwischen Arbeitnehmern und -gebern der Maschinenindustrie, aber auch die Erwerbsersatzordnung und die Lebensmittelrationierungen stellten sicher, dass niemand wegen seines Einsatzes für das Land in Not geraten sollte.

4.    Wehrhaftigkeit und glaubwürdige Armee

Als vierten Punkt nennt Frick die Wehrhaftigkeit und das Aufstellen einer glaubwürdigen Armee: Ein Angriff auf das Land muss jedem Angreifer als zu teuer erscheinen, und falls er den Angriff doch wagt, muss er in einen langen und entschlossenen Kampf verwickelt werden. Dies bedingt aber eine gute Ausrüstung und eine harte, kriegsnahe Ausbildung, Disziplin und grosse Selbständigkeit von Führern und Soldaten. Werde die Wehrhaftigkeit einmal vernachlässigt, sei es schwierig, sie kurzfristig zu beleben – so viel zum Thema «Aufwuchsfähigkeit» der Armee XXI!
Wer meint, mit einem Verzicht auf Verteidigung sich Schonung zu erkaufen, wird durch die Geschichte Lügen gestraft: Geiselnahme, Rekrutierung von Zwangsarbeitern oder Missbrauch als Kanonenfutter sind die Folgen. Frick: «Es gibt nur eine Antwort, die auch moralisch einwandfrei ist: Dem Frieden verpflichtet sein, aber eine starke Armee bereit halten, die nur im Falle eines Angriffes kämpft, aber dann mit kompromissloser Entschlossenheit.» (Frick, S. 119)

5.    Staaten haben nur Interessen

Unter Punkt 5 führt Frick aus, dass Staaten weder Freunde noch Feinde hätten, so ein englischer Premierminister vor langer Zeit, sondern nur Interessen: «Besonders kleine Länder sollten sich dieser Maxime sehr bewusst sein. Alle Kriegsparteien handelten ausschliesslich nach ihren Interessen. Freundschaftliche Gefühle, gleiche Werte, Demokratie, Menschenrechte waren bedeutungslos, wenn es darum ging, Entscheide zu fällen.» (Frick, S. 119) Als Beispiel führt der Autor unter anderem an, dass Grossbritannien zwischen 1939 und 1940 der Schweiz aussenwirtschaftlich rücksichtslos die Kehle zugeschnürt habe. Der britische Aussenminister habe in der Situation dem Schweizer Gesandten versichert, «die Briten empfänden zwar Gefühle grosser Sympathie für die demokratische Schweiz, aber es befinde sich in einem Kampf auf Leben und Tod und müsse seine eigenen Interessen wahren. Nach dem Fall Frankreichs erklärte die gleiche Regierung, es läge im Interesse der Alliierten, dass die Schweiz so lange als möglich ihre Abwehrkraft und Unabhängigkeit aufrechterhalten könne und als Nachrichtenzentrum in der Mitte des von Deutschland beherrschten Europas erhalten bliebe. Man dürfe sie deshalb wirtschaftlich nicht zu sehr unter Druck setzen.» (Frick, S. 120)

6.    Neutralität ist wehrhaft oder sie ist nicht

Punkt 6: Die Neutralität. Sie schützt weder vor Freund noch Feind und bedarf als Schutzschild deswegen unbedingt einer glaubwürdigen Armee: «Deutschland hat zahlreiche neutrale Länder überfallen, selbst solche, die auf seine Initiative hin noch kurz vorher Nichtangriffspakte mit ihm abgeschlossen hatten. Aber auch die Alliierten haben genau so gehandelt, wenn es ihrem Interesse entsprach.» (Frick, S. 121)
Damit die Neutralität glaubwürdig ist, muss sie gegen jede Partei verteidigt werden. Ohne Rücksicht auf Sym- oder Antipathien. In dem Zusammenhang ordnet Frick auch das Treffen von General Guisan mit SS-General Schellenberg ein. Guisan habe damit dem deutschen Oberkommando die Versicherung zukommen lassen, die Schweiz werde entschlossen gegen jeden kämpfen, der ihre territoriale Integrität verletze, auch gegen die Alliierten: «Es galt zu verhindern, dass Deutschland die Schweiz vorsorglich angreife, weil es dem Schweizer Willen misstrauen könnte, auch einen alliierten Durchmarsch durch ihr Territorium mit aller Kraft zu bekämpfen.» (Frick, S. 122)

7.    Kein Beitritt zu Allianzen

Unter Punkt 7 betont Frick, dass es nie im Interesse eines kleinen Landes liegen könne, einer Allianz beizutreten. Denn die grösseren Mächte würden auch in Allianzen nur ihre eigenen Interessen verfolgen und die kleinen Verbündeten als Kanonenfutter einsetzen.

8.    Leidens- und Leistungsfähigkeit eines Volkes

Punkt 8 handelt von der Leidens- und Leistungsfähigkeit der Völker, die unabhängig bleiben wollen. Frick würdigt in dem Zusammenhang die Briten nach dem Zusammenbruch Frankreichs, die ausgehungerten Juden im Warschauer Ghetto im Kampf gegen die SS, die Heimatarmee Polens, aber auch die Sowjetunion, welche am meisten Todesopfer gegen die deutschen Herrenmenschen zu verzeichnen hatte. Was die Schweiz betrifft, wirft Frick folgende Fragen auf: «Wir heutigen Schweizer leben in einem Wohlstand, wie es ihn in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat. Kann von einer solchen Gesellschaft überhaupt noch das Begreifen dessen, das Verständnis dafür erwartet werden, was es an Kampfwillen und materiellen Vorbereitungen braucht, um einen möglichen Angreifer davon zu überzeugen, dass das Verhältnis zwischen ‹Kosten und Nutzen› eines Angriffs negativ ist, dass sich ein Angriff nicht lohnt? Und können wir uns vorstellen, was für eine Leistungs- und Leidensfähigkeit aufgebracht werden müssten, sollte sich ein Angreifer nicht abschrecken lassen und das Volk mit seiner Armee im Krieg bestehen?» (Frick, S. 124f.)
Und er doppelt nach: «Wieviel Nähe zur schrecklichen Realität eines Krieges, wieviel Risiko erlaubt unser behütetes, verwöhntes, demokratisches, den Menschenrechten verpflichtetes Volk seiner Armee in der Ausbildung? Welche Mittel ist es bereit ihr zu gewähren, um sie stark genug zu machen, einen zukünftigen Krieg mit seinen unvorstellbaren Leiden vom Land möglichst fern halten zu können, oder im schlimmsten Fall, lange zu kämpfen? Denn unser Sieg ist die «Dauer» des Widerstandes, nicht eine Siegesparade in der Hauptstadt des Angreifers.» (Frick, S. 125)

9.    Langfristiges Denken

Unter Punkt 9 ruft Frick dazu auf, langfristig zu denken, trotz aller tagespolitischen Kurzfristigkeit. Eine Armee könne nicht in kurzer Zeit aufgebaut werden: «Jedenfalls braucht es sehr viel Zeit, um eine Tradition der Wehrhaftigkeit aufzubauen, wie sie alle Mächte der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges immer wieder anerkennend zuschrieben und wie sie schon Macchiavelli im 15. Jahrhundert als Grund dafür nannte, dass die Schweizer das freieste Volk Europas seien.» (Frick, S. 125f.)

10.    Innenpolitische Entscheide sind immer Signale nach aussen

Unter Punkt 10 gibt Frick zu bedenken, dass wir uns bei all unseren Entscheiden immer bewusst sein sollten, «dass nicht alle Fragen, die wir entscheiden, nur innenpolitischer Natur sind. Wir senden damit auch Signale in die Welt, die dort aufgenommen und interpretiert werden.» (Frick, S. 126) Bis 1939 hätten die meisten Regierungen der europäischen Demokratien Hitler signalisiert, dass sie demoralisiert und nicht bereit seien, für ihre Werte zu kämpfen. Grossbritannien und Frankreich luden so ebenfalls Schuld für den Zweiten Weltkrieg auf sich, weil sie sich in München nicht entschieden gegen Hitler wandten: «Durch ihre Kapitulation haben die beiden Mächte auch die Bevölkerung Berlins desavouiert, die noch drei Tage vor München in aller Deutlichkeit ihre Gegnerschaft gegen den Krieg demonstriert hatte.» (Frick, S. 126) Anders die Schweiz: Sie sandte das deutliche Signal aus, dass sie zum Kampf entschlossen sei. So notierte der deutsche Generalstabschef Halder im Frühling 1940 in sein Kriegstagebuch, ein Angriff auf Frankreich durch eine unverteidigte Schweiz wäre eine verlockende Möglichkeit. Er musste diese Option aber ausschliessen, da die Schweiz eben nicht unverteidigt war.
Sich für den schlimmsten Fall vorbereiten
In seinem Schlusswort wirft Frick den Sachverhalt auf, dass ein Angriff gegen die Schweiz oder Krieg in Europa heute vielen Menschen undenkbar scheine. So wie nach dem Ersten Weltkrieg auch niemand so schnell wieder mit einem Weltkrieg gerechnet habe. Es liege wohl in der Natur des Menschen, «einen schon lange andauernden Frieden und ganz allgemein gute und angenehme Umstände quasi als gottgegeben und für alle Zeiten andauernd zu betrachten und schreckliche Möglichkeiten zu verdrängen». (Frick, S. 127) Leider zeige die Geschichte aber, auch wenn man den Optimisten noch so gerne recht geben würde, «wie irrationale Verhaltensweisen und Entscheide, oft im Verbund mit niedrigsten menschlichen Instinkten, auf allen Seiten immer wieder die Politik und das militärische Handeln bestimmen». (Frick, S. 127) Da der Homo sapiens sapiens sich aber in letzter Zeit nicht verändert habe, könne ein Krieg in Europa und auch einer gegen die Schweiz nicht ausgeschlossen werden, auch nicht in den nächsten Jahren. Wem das zu verstiegen erscheint, höre die letzen Sätze von Gotthard Frick: «Was, wenn z.B. die Welt oder nur Europa wegen der angehäuften Schulden in eine grosse Währungs- und Wirtschaftskrise schlittert und Europa vielleicht sogar ausein­anderbricht und sich auch noch die aus der Vergangenheit herrührenden, zahlreichen ethnischen und territorialen Spannungen entladen würden?» (Frick, S. 128) Wie weit sind wir heute, im Sommer 2011, von diesem Szenario entfernt? Ist nicht die von unseren Gründervätern beschworene «Arglist der Zeit» eben gerade überzeitlich, zu unser aller grossem Bedauern?
Wie viele Jahre lagen zwischen der Machtergreifung Hitlers und der Remilitarisierung des Rheinlandes? Der Zerschlagung der Tschechoslowakei und dem Einmarsch in Öster­reich? Und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges? Drei, fünf und sechs Jahre! Deshalb, so Frick abschliessend, sei es unerlässlich, «dass die Schweiz sich auch für den denkbar schlimmsten Fall vorbereitet, hoffend, er trete nie ein». (S. 128) Eine Hoffnung, aber auch eine Aufforderung, welcher sich wohl jeder wache, freiheitsliebende Zeitgenosse nur anschliessen kann!    •

Literatur:
Gotthard Frick. Hitlers Krieg und die Selbstbehauptung der Schweiz 1933–1945. Eine neue, umfassende Sicht auf die Selbstbehauptung der Schweiz im Zweiten Weltkrieg und die daraus für die Zukunft zu ziehenden Lehren. Eigenverlag Gotthard Frick, CH-4103 Bottmingen. Februar 2011. ISBN 978-3-033-02948-4.

Bezwingen des Reduits – eine schwer zu lösende Aufgabe

«Die Schweizer Landesverteidigung verfügt über ein Heer, das schon wegen seiner zahlenmässigen Stärke ein äusserst beachtlicher Faktor ist. Die Bezwingung der sich erbittert verteidigenden Truppen im Hochalpenreduit wird eine schwer zu lösende Aufgabe darstellen.»

Franz Böhme, General der deutschen Gebirgstruppen, in einer für die SS
erstellten Angriffsplanung gegen die Schweiz, Sommer 1943.
(Zit. nach Frick, S. 57)

Was einer besetzten Schweiz geblüht hätte

 

Beispiel Griechenland

«Griechenland blieb drei Jahre lang von Truppen der Achse besetzt. Es wurde systematisch geplündert und musste nicht nur einen grossen Teil seiner industriellen Ausrüstung und der Landwirtschaftsfahrzeuge und -maschinen, sondern während der ganzen Besetzungszeit auch den Grossteil seiner Lebensmittel an die Sieger abliefern. Das führte bereits im ersten Winter zu einer katastrophalen Hungersnot, der etwa 100 000 Griechen und 80% aller Neugeborenen zum Opfer fielen. […] Da die Griechen bald einen heftigen Partisanenkampf aufnahmen, rächten sich die deutschen Truppen wie anderswo oft mit der Erschiessung der gesamten Bevölkerung – Männer, Frauen und Kinder – von Dörfern, die in der Nähe von Partisanenüberfällen lagen und der Erschiessung von zivilen Geiseln.» (Frick, S. 92f.)

Beispiel Jugoslawien

«Die Deutschen nahmen auch hier die Zivilbevölkerung als Geiseln. Für jeden im Kampf mit den Partisanen gefallenen deutschen Soldaten oder Volksdeutschen wurden 100 zivile Geiseln erschossen, für jeden verwundeten 50. Der Autor der SS-Angriffsstudie von 1943 auf die Schweiz, General der Gebirgstruppen Franz Böhme, war 1941 während 2 ½ Monaten Bevollmächtigter kommandierender General in Serbien. Allein während seiner Zeit wurden 30 000 serbische Geiseln erschossen. Er kam dafür vor das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal, entzog sich aber dem Urteil am 27. Mai 1947 durch Selbstmord.» (Frick, S. 91)

Die Schweiz – eine «härter zu knackende Nuss»

«Die Schweiz hat einen Zehntel der Bevölkerung unter Waffen, mehr als irgend ein anderes Volk der Welt. Sie sind bereit, für ihre Lebensart zu kämpfen … Die Holländer werden für die Deutschen eine leichte Beute sein. Ihre Armee ist miserabel. Die Schweiz wird eine härter zu knackende Nuss sein, und ich bezweifle, ob es die Deutschen versuchen werden.»

William L. Shirer, US-Journalist, unmittelbar nach Kriegsausbruch. (Zit. nach Gotthard Frick. Hitlers Krieg und die Selbstbehauptung der Schweiz 1933–1945. S. 54)

Vaterlandsliebe der Schweizer auf denkbar höchster Stufe

«Der Kampfwille des Schweizer Soldaten ist ein hoher, und wir werden ihn etwa dem der Finnen gleichstellen müssen. Ein Volk, das gute Turner hat, hat auch immer gute Soldaten gehabt. Die Vaterlandsliebe der Schweizer ist auf denkbar höchster Stufe.»

Franz Böhme, General der deutschen Gebirgstruppen, in einer für die SS erstellten Angriffsplanung gegen die Schweiz, Sommer 1943. (Zit. nach Frick, S. 57)

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