«Die Freiheit, die Unabhängigkeit, die Neutralität, der gegenseitige Respekt und die Eigenverantwortung müssen auch in Zukunft ihre Gültigkeit haben»

«Die Freiheit, die Unabhängigkeit, die Neutralität, der gegenseitige Respekt und die Eigenverantwortung müssen auch in Zukunft ihre Gültigkeit haben»

Festansprache zum 1. August 2011 von Nationalrat Jakob Büchler, gehalten in Schänis SG

Am Nationalfeiertag der Schweiz besinnt man sich auf die zentralen Werte, die die Schweiz schon seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten kennt: Die Freiheit, die Un- abhängigkeit, die Neutralität, der gegenseitige Respekt und die Eigenverantwortung müssen auch in Zukunft ihre Gültigkeit haben. In einer offenen Gesellschaft stehen sich unterschiedliche Ideen und Weltanschauungen gegenüber.Unser Weg der direkten Demokratie hat sich bewährt, er steht in der Bundesverfassung und gilt auch für die Zukunft. 720, die Zahl des Jahres 2011! Das sind 720 Jahre, seit die drei Eidgenossen auf dem Rütli zusammenkamen: Walter Fürst aus Uri, Werner Stauffacher aus Schwyz, Arnold vom Melchtal aus Unterwalden. Sind Sie ihnen auch schon mal begegnet, diesen drei wackeren Nationalhelden? Nein? Mir schon – in der Kuppelhalle im Bundeshaus in Bern stehen sie. Alle drei wiegen 24 Tonnen zusammen, das sind somit politische Schwergewichte, jeder wiegt rund 8 Tonnen.
Sie werden bewacht von den 4 Landsknechten auf den Treppenpfosten. Die 4 Landsknechte repräsentieren die 4 Sprachregionen in der Schweiz. Laut Statistik gibt es in der Schweiz: 63,7% Deutsch- schweizer und Deutschschweizerinnen; 20,4% sprechen französisch; 6,5% reden italienisch; 0,9% gehören zu den romanisch sprechenden Schweizerinnen und Schweizern; 9% verbleiben, die sprechen andere Sprachen, Tendenz zunehmend.

Wieso erzähle ich Ihnen das? Das Geheimrezept unseres Landes ist die Vielfalt inder Einheit.

Unsere Freiheit ist unschätzbar, auch wenn oft behauptet wird, dass die Freiheit in unserem Land nicht mehr das ist, was sie einmal war!

Das mag in gewissen Fällen stimmen, wenn wir uns aber mit anderen Ländern ver- gleichen, stellen wir fest, dass unsere Frei- heit trotzdem noch in Takt ist. Zwei Begriffe möchte ich erwähnen:
- Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit!
- Genauso wie es keine Sicherheit ohne Freiheit gibt!

Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu geniessen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit!
Wilhelm von Humboldt (1767–1835)

Das Schweizervolk fühlt sich sicher, das zeigt eine statistische Umfrage! Das ist positiv, das freut uns. Seit 160 Jahren gab es in der Schweiz keinen Krieg mehr, Gott sei Dank!
Das ist aber kein Grund, sich zurückzulehnen und auf der Geschichte auszuruhen. Es kann sehr schnell anders werden.

Was heisst eigentlich Sicherheit?

Die Sicherheit wird verschieden ausgelegt. Ist es: Die Sicherheit, einen Arbeitsplatz zu haben?
Ja, Arbeitssicherheit hat immer noch einen hohen Anteil. Die Sicherheit um die Sozialwerke?
Sie ist vor allem für ältere Menschen wichtig.
Die Sicherung der AHV? Die Sicherheit auf der Strasse bei Dunkelheit?
Sie ist vor allem für Frauen wichtig. Der Begriff Sicherheit ist deshalb sehr weit- läufig zu verstehen.
Die neuen Gefahren der heutigen Zeit sind;

• Die Verschuldung von europäischen Staaten!
• Griechenland. Regierung und Parlament wollen sparen, das Volk sieht es anders.
• Rettungspakete sind nur Symptombekämpfung, ändern aber die Strategie leider nicht.
• Weitere Staaten sind in den Sog dieser Schuldenkrise geraten: Italien, Portugal, Spanien!
• «Der Euro ist gescheitert», schrieb unlängst eine Schweizer Zeitung!

Was hat das mit uns Schweizern zu tun, können Sie sich fragen. Sehr viel!
Der Schweizerfranken wird immer stärker, weil er als sichere Währung gilt. Nicht weil der Franken soviel besser wäre, sondern weil die anderen Währungen schwach geworden sind, haben wir diese Situation. Für viele Anleger gilt der Franken als sicherer Hafen.
Der starke Franken ist ein Risiko für unsere Konjunktur. Die Auftragsbücher unserer Betriebe sind zwar noch voll. Die Gewinnmargen sinken aber, vor allem in der Exportwirtschaft. Einzelne grössere Unternehmungen überlegen sich, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen, wenn sie nicht schon dort sind.
Wer hätte gedacht, dass die grösste Na-tion der Welt, die USA, einmal zahlungsunfähig werden könnte? Und das in einer Zeit, in der China und Indien mächtig Aufschwung haben. Die stolzen USA, die während Jahr- zehnten den Weltpolizisten spielten!
Unser Umfeld auf dem Planeten Erde!
• Die Bevölkerung weltweit nimmt jedes Jahr um rund 85 Millionen Menschen zu.
• Die Mobilität nimmt auf unserem Planeten zu.
• Die Nachfrage nach Nahrung steigt von Jahr zu Jahr.
• Trinkwasser wird zunehmend knapper, denn nur 1% auf der Erde ist Trinkwasser. • Die Nachfrage nach Energie steigt weiter an. Wie wird die Menschheit mit diesen Herausforderungen fertig? Ich kann Ihnen heute die Antwort nicht geben! Sicher ist, dass diese Auswirkungen auch die Schweiz früher oder später beeinflussen werden.

Deshalb braucht unser Land eine Sicherheitsreserve! Die Schweiz braucht gute Sicherheitskräfte, auch in der Zukunft!

• Polizei,
• Grenzwachkorps,
• Nachrichtendienste,
• Zusammenarbeit auf der Grundlage des Sicherheitsverbundes Schweiz! Bund, Kantone und Gemeinden.
• Unsere letzte Sicherheitsreserve ist die Armee!

Deshalb wäre die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ein grosser Fehler. Wenn un- sere Nachbarländer diesen Schritt gemacht haben, ihn zwar heute schon bereuen, heisst das nicht, dass wir den gleichen Fehler auch machen müssen.

Ich möchte aber bewusst nicht auf die parteipolitische Diskussion eingehen, denn ein Nationalfeiertag soll alle Bürgerinnen und Bürger ansprechen!

In der Schweiz ist die Sicherheitspolitik auf drei Kompetenzebenen angesiedelt.

Beim Bund

Die Armee, der Bevölkerungsschutz und das Grenzwachkorps, der Nachrichtendienst usw.

Bei den Kantonen

Die Polizei, die Blaulichtorganisationen und der Zivilschutz usw.

Bei den Gemeinden

Die Feuerwehr usw.

Über alledem steht das Volk, welches das letzte Wort spricht, wenn es nötig ist.

Das Volk kann aber auch Aufträge delegieren, an die eidgenössischen, die kantonalen und kommunalen Parlamente oder an die Regierungen, bis hin zum Gemeinderat.

Das ist unsere direkte Demokratie, und diese hat sich bewährt.

Die Globalisierung

Der Begriff Globalisierung ist der Leitfaden der heutigen Zeit. Die Umsetzung der Globalisierung ist aber nicht so einfach.
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit unter den einzelnen Staaten ist heute zwingend und auch richtig. Diese muss auch in Zukunft weitergeführt werden.
Die politische Zusammenarbeit ist nicht das gleiche und kann mit der wirtschaftlichen nicht verglichen werden.
Das gilt auch für die Finanzpolitik wie für die Sicherheitspolitik. Der Euro hat Pro- bleme, dem Dollar geht es nicht besser.
In der Sicherheitspolitik ist das nicht anders.
Die Nato-Staaten sind sich nicht einig untereinander. Das hat der Einsatz in Libyen gezeigt.
Jedes Land hat seine eigene Prioritäten und seine Bevölkerung, seine Besonderheiten der Topographie, des Klimas usw.
Es ist nicht möglich, alle europäischen Völker zu Europäern zu machen. Ein Franzose bleibt ein Franzose. Ein Deutscher bleibt ein Deutscher. Ein Italiener bleibt ein Italiener. Ein Grieche bleibt ein Grieche.
Schauen wir mal im Sport. Die Fussball-WM, jedes Land kämpft um den besten Platz. Wenn es einen Weltmeister zu feiern gibt, dann feiert das ganze Volk mit. Wenn eine Niederlage zu verkraften ist, suchen ganze Völker nach der Ursache.
Beim Wintersport: Niemand sagt, ein Europäer hat das Lauberhornrennen gewonnen. Es ist eben ein Schweizer oder dann halt ein Österreicher, der gewonnen hat.
Die Schweiz mit ihrer Vielfalt ist genauso organisiert. Die Zugehörigkeit zu einem Kanton ist uns allen wichtig. Ob Aargauer, St. Galler, Appenzeller (mit Spezialisierung auf Innerrhoden und Ausserrhoden), ob Thurgauer, Zürcher oder Berner. Uns allen ist die Zugehörigkeit zu einem Kanton wichtig!
In Schänis ist das genauso. Schänner sind keine Dörfler, Rufner oder Maseltranger. Auch die Ortsgemeinde ist eine wichtige Grösse, zu der jemand dazugehört oder eben nicht!
Jeder Mensch hat eine Herkunft, und zu dieser will er auch gezählt werden! Das liegt in unseren Genen und war schon immer so.
Im Grossen wie im Kleinen, der Mensch ist eben letztlich sich selber am nächsten und lässt sich nicht so leicht in ein Schema hin- einpacken. Das gilt in der Familie, in der Partnerschaft, im Beruf, in der Gesellschaft, im Staat und in jeder Nation genauso.
Das ist auch ein gutes Stück Freiheit, das jedem einzelnen von uns gehört, das man nicht einfach hergibt.

Fazit

1. Wir alle dürfen dankbar sein, in einem Land leben zu können, wo Ruhe und Ordnung auf den Grundlagen eines Rechtsstaates gelebt wird.
2. Der Verschuldung unseres Staates ist besondere Beachtung zu schenken. Die Bei- spiele in den Nachbarländern zeigen, wohin es gehen kann.
3. Wir müssen Sorge tragen zu unserm Sozialsystem. AHV, IV sind weiterzuführen, damit es sie in 10, 20, 30 und 50 Jahren auch noch gibt.
4. Unsere Wirtschaft soll ihren Platz auch in Zukunft behalten können. Der internationale Wettbewerb ist weiterhin aufrechtzuerhalten. Der Soziale Friede muss erhalten bleiben.
5. In der Energiepolitik muss eine sichere Energieversorgung ohne Versorgungslücke auch in Zukunft möglich sein, neue Technologien sind dringend notwendig und müssen gefördert werden.
6. Die Schweizer Landwirtschaft muss auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die Nahrungsmittelproduktion und damit die Versorgung unseres Landes sicherstellen.

Auf dem bewährten Weg der direkten Demokratie müssen wir die Zukunft meistern. Ich bin sicher, wir werden es schaffen.

 

Aufruf zum 720. Geburtstag unserer Schweiz

Heute, da unsere Landesbehörde bereit ist, Stück um Stück unsere Souveränität aus der Hand zu geben, wollen wir jener gedenken, die für uns Freiheit und Eigenständigkeit erstritten und uns diese unersetzlichen Werte zur Weitergabe an die kommenden Generationen anvertraut haben.
Gebe uns Gott den Mut und die Kraft dazu.

Die Herausforderung

Ob Schillers «Tell» eine geschichtliche Wahrheit oder ein Mythos ist, ist unwesentlich. «Tell» bleibt durch die Zeiten hindurch eine Herausforderung, sich der Arglist der Zeit entgegenzustellen. «Tell» ist der Stachel im Fleische der Anpasser, die «buhlen um der Fürsten Gunst, die sich anschliessen möchten an ein mächtig Haupt». Anpasser, die «buhlen um der Fürsten Gunst», hat es immer gegeben. Gerade heute treten sie unter mancherlei Verkleidung wieder stärker in Erscheinung. «Tell» lebt im Volk, während in Bundesbern die «Rudenzen», die Anpasser, den Ausverkauf der Freiheit und Unabhängigkeit betreiben.

Rudolf Burger

Quelle: Mediawatch Nr. 178, Juni 2011, Informationen der Vereinigung Medienpanoptikum

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