Ist die Armut messbar?

Ist die Armut messbar?

von Prof. Dr. V. Nedeljkovic, Nîs

Wir leben in einer Welt, in der die Wirklichkeit oft mit der Virtualität vermischt wird, in einer Welt, in der die Globalisierung Informationen produzieren kann, die eine derartige Macht ausüben, dass sie zu völliger Desinformation führen können. Wir wissen wohl, dass alle Kriege durch Lügen begleitet werden, aber manchmal bleiben die Lügen in den Köpfen haften, als ob sie die Wahrheit wären. Falschgeld-Zivilisationen werden schliesslich zu einem Zusammenbruch der Ordnung führen, und damit wird die Wahrheit über die Nationen und ihre Kriege, insbesondere im krisenanfälligen Balkan, ausgelöscht. Die letzten Balkan-Kriege haben Tod, Zerstörung und darüber hinaus Armut gebracht. Um einen international anerkannten Staat zu zerstören, werden passende Bedingungen für eine gefährliche Krise in dem anfälligsten Teil Europas kreiert, und die «logische» Folge davon ist die permanente Anwesenheit der Streitkräfte der USA und der Nato. Das Ganze beruht auf der strategischen Linie der USA, die ganze Welt zu beherrschen.
Die Weltwirtschaftskrise führt dazu, dass der wirtschaftliche Wettlauf in der Welt der Riesen sich beschleunigt und den Graben zwischen Arm und Reich vertieft. Die Ungleichheit verbreitet sich weltweit. Ein mittelloser Bürger, ja sogar einer der Mittelklasse, hat weniger Chancen, an die Spitze der Gesellschaft aufzusteigen, als ein wohlhabender Bürger.
Die Ungleichheit in der Verteilung der Güter wurde jedoch zum Problem auf der ganzen Welt, da 40 Prozent der Weltbevölkerung (etwa zweieinhalb Milliarden Menschen) mit weniger als zwei Dollar pro Tag leben, während die reichsten zehn Prozent 54 Prozent des globalen Reichtums besitzen. Die Tatsache, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, wird in Streitgesprächen zwischen Befürwortern und Gegnern des Kapitalismus oft verwendet.
Im August dieses Jahres sind Tausende von jungen Leuten auf die Strassen gegangen, um gegen die politische, wirtschaftliche und soziale Lage in den repressiven Gesellschaften, in denen sie leben, zu protestieren.
Der Rauch der brennenden Häuser in den armen Vororten Londons trübt die Sicht der Bewohner von Villenvierteln. Niemand in den Luxusbüros der Geschäftsviertel von East End denkt, zu einem Teil für den Aufstand der Jugend verantwortlich zu sein. Die Politiker reden sich damit heraus, die Ursache der Rebellion der Jungen sei ihre «Familiensituation», das «Bildungssystem», und sie bezeichnen die Rebellen als «krank». Dabei übergehen sie, dass offensichtlich einer der Hauptgründe für den Vandalismus der besorgniserregende Graben zwischen Arm und Reich ist.
Die Ungleichheit der Verteilung des Reichtums in der britischen Gesellschaft ist nicht nur eine Einbildung der Jungen von Tottenham oder von anderen armen Regionen. Ernstzunehmende Analysten bestätigen, dass Grossbritannien an grossen sozioökonomischen Unterschieden leidet, und sie glauben, dass diese Differenz noch zunehmen wird, wenn alle vorgesehenen Sparmassnahmen in Kraft sind.
Dies ist das Resultat der jahrzehntelangen Spaltung der Bürger und der Ausgrenzungen, und mit den Sparmassnahmen wird die Situation noch schlimmer. Die Polizei kann eine gewisse Zahl von Bürgern überwachen, aber das ist keine taugliche Massnahme für längere Zeit. Denn alles kann sich wiederholen.
Wie kann man die Armut in Grossbritannien messen und mit derjenigen der ärmsten Länder Afrikas vergleichen? Grossbritannien, ein Land mit einer der am weitesten entwickelten Staaten, früherer Welt-Leader, der stolz war auf seine gerechte Gesellschaft, auf seine hochstehende parlamentarische Demokratie?
Der Gini-Koeffizient, erfunden vom italienischen Statistiker Corrado Gini, ist ein Indikator für die Verteilung der Einkommen. Nach dieser Methode wird die Verteilung des Gesamteinkommens von 0 bis 100 gemessen. Wenn der Koeffizient eines Landes 0 beträgt, bedeutet dies, dass alle Bürger das gleiche Einkommen haben, während ein Koeffizient von 100 aussagt, dass ein einziger Mensch alle Einkommen des Landes erhält.
Der Gini-Koeffizient beträgt für Grossbritannien 34, also gehört es zu den europäischen Ländern mit der grössten Differenz zwischen Armen und Reichen. Zum Vergleich: Die Ratio Gini für Ägypten hatte vor der kürzlich stattgefundenen Revolution einen ähnlichen Wert. Der Koeffizient Gini zeigt, dass die grössten sozio-ökonomischen Unterschiede im kapitalistischen Amerika und im kommunistischen China registriert werden, aber auch im armen Afrika.
Gemäss den letzten durch die CIA publizierten Angaben und den internationalen Wirtschaftsorganisationen führt der Gini-Koeffizient der Einkommensunterschiede in Prozent zu folgenden Werten:
Vereinigte Staaten 45 (das ist ebenfalls hoch); Russland 42,2; China 41,5–50; Japan 39,7; Hongkong 53,3; Brasilien 56,7 (eine der weltweit dynamischsten Volkswirtschaften); Namibia 70,7; Südafrika 65; Lesotho 63,2; Sierra Leone 62,9; Zentral­afrikanische Republik 61,3; Gambia 50,8; Sambia 50,2; Haiti 59,2; Kolumbien 58,5; Guatemala 55,1; Honduras 53,3; Chile 52,4.
In Europa: Balkanländer 26–34,1; Serbien 33; EU durchschnittlich 30,4; Norwegen 25, Schweden 23 (der tiefste Wert der Welt).
Die grösste Zunahme der Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen besteht in China, dessen Gini-Koeffizient in den letzten Jahren «explodiert» ist.
Unter den 937 reichsten Personen der Welt zählt Forbes 64 Chinesen auf. Der derzeitigen chinesischen Regierung gelingt es nicht, trotz verschiedener Massnahmen, die riesigen sozialen Unterschiede zu reduzieren. Einige Kritiker des Kommunismus sehen den Grund der grossen Unterschiede darin, dass die mächtigen Staatsunternehmen versuchen, die Macht und den Reichtum für sich selbst zu behalten. Dies wird durch die Statistiken bestätigt, wonach innerhalb von 10 Jahren (1997–2007) der Anteil der Löhne der Erwerbstätigen am Sozialeinkommen von 53,4 auf 46 Prozent gesunken ist, während die Einnahmen der öffentlichen Hand kräftig zugenommen haben. Die Analysten sagen, das könnte bedeuten, dass die ökonomische Stellung des Landes sehr stark geworden ist, die Stellung des Bürgers sich dagegen verschlechtert hat. Die zahlreichen Milliardäre von der Forbes-Liste bestätigen dies am besten. Die Reichen haben selbstverständlich keinen Grund, das zu verändern.

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Nach der Bombardierung Serbiens durch die Nato und der Sezession des Kosovo begann in Serbien eine langjährige Krise mit einer starken Polarisierung der politischen Kräfte, wobei der Reichtum und die politische Macht in denselben Händen waren. Die Politiker verwenden einen grossen Teil ihrer Energie auf interne Konflikte und gegenseitige Anschuldigungen, die Arbeitslosigkeit steigt, die Korruption blüht, die Ungleichheiten verunstalten unsere Gesellschaft.
All dies schwächt die Abwehrkraft Serbiens, entsprechend der Dezimierung seines Territoriums, die von den westlichen Supermächten unterstützt und gefördert worden ist.    •
(Übersetzung Zeit-Fragen)

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