Weihnachten ist das Fest des Friedens …

Weihnachten ist das Fest des Friedens …

zf. Serbien gehört zum christlichen Kulturkreis. Es ist Peter Handke zu verdanken, dass das besiegte Serbien nicht ganz vergessen geht: Weder die Brücke von ­Varvarin noch der Nato-Schlag vom 23. April 1999 gegen den TV-Sender in Belgrad – eine zivile Einrichtung. Der «klinisch saubere» Präzisionsschlag hatte 16 tote Angestellte und ebenso viele Verletzte zur Folge.     
    Europa hätte eine gemeinsame Kulturgrundlage: Christliche Ethik und Soziallehre sowohl wie Aufklärung. Beide Pfeiler würden uns Mitgefühl und Achtung der Würde des Menschen abverlangen. Gilt das nur noch für die Sieger? Wird ein besiegtes Volk aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht, weil darin nur noch anglo-­amerikanisches ­«Tittytainment» Platz hat? Im besiegten Serbien gibt es noch mehr Wunden: die an multiplen Karzinomen Erkrankten und daran Sterbenden. Krebsformen, die es vor 1999 dort nicht gab. Etwa fünf Jahre nach solchen Bombardementen beginnt die Rate zu steigen, und Schnitter Tod holt seine späte Ernte.    
    Gemeinsame Kultur? Mitgefühl? Würde des Menschen?

Es geschah am 23. April 1999 gegen zwei Uhr nachts, als Kampfflugzeuge der NATO das Gebäude des RTS, des Radio-Televizija Srbije, des serbischen Radio und Fernsehens, mit gezielten Bomben zerstörten und 16 Mitarbeiter den Tod fanden.
Nicht unter den Toten war der Direktor des RTS, Dragoljub Milanovic. Er hatte das Haus nach einem arbeitsreichen Tag eine halbe Stunde vorher verlassen, um sich schlafen zu legen. Er wäre nicht auf den Gedanken gekommen, dass der Sender mitten in Belgrad ein Angriffsziel sein könnte; blauäugig oder nicht, aber so war es.
Die spätere serbische Regierung sah das unter veränderten politischen Zielsetzungen anders und verurteilte Milanovic mit der Begründung, er hätte das gesamte Personal rechtzeitig evakuieren müssen, zu einer zehnjährigen Haftstrafe, die er seither in dem Gefängnis von Pozarevac absitzt. Peter Handke erzählt diese Geschichte aus der Sicht eines Beobachters, der sich dagegen zur Wehr setzt, dass offenkundiges Unrecht ihm die Sprache verschlägt. So erzählt er, was war und was ist, zur Kenntnisnahme und mit Anteilnahme, vielstimmig und geradlinig zugleich.
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«Es ist hier eine Geschichte zu erzählen. Nur weiss ich nicht, wem. Mir scheint, es gebe keinen Adressaten für diese Geschichte, jedenfalls nicht in der Mehrzahl, und nicht einmal in der Einzahl. Mir ist auch, es sei zu spät, sie zu erzählen; der Zeitpunkt verpasst. Und trotzdem ist es eine dringende Geschichte. Der Meister Eckart spricht einmal von seinem Bedürfnis zu predigen, das so stark sei, dass er, fände er für seine Predigt kein Gegenüber, seine Predigt – wenn ich mich recht erinnere – notfalls auch an einen ‹Opferstock› richten würde. Hier handelt es sich um keine Predigt, sondern, wie gesagt, um eine Geschichte. Aber auch die wäre notfalls einem Holzstoss oder einem leeren Schneckenhaus zu erzählen oder gar, wie im übrigen nicht zum ersten Male, mir hier ganz allein.»

Quelle: Peter Hanke, «Die Geschichte des Dragoljub Milanovic», 2011, Klappentext und S. 5

ISBN 978-3-902497-93-2

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