von Seymour M. Hersh
Aus der Luft gleicht das abgelegene Gelände der Nevada National Security Side des US-Energieministeriums mit seinen trockenen Hochebenen und Bergen dem Nordwesten Irans. Das Terrain etwa 65 Meilen nordwestlich von Las Vegas wurde einst für Atomtests verwendet und beherbergt heute neben einer Einrichtung zur Schulung von Spionen auch einen privaten Flugplatz, auf dem eine Boeing 737 landen und starten könnte. Es ist ein sehr unwirtliches Sperrgebiet, und auf Schildern werden neugierige Eindringlinge gewarnt, das Sicherheitspersonal sei befugt, mit tödlicher Gewalt gegen sie vorzugehen.
Hier hat das Joint Special Operations Command/JSOC seit 2005 Mitglieder der Mujahideen-e-Khalq trainiert, einer oppositionellen iranischen Dissidentengruppe, die im Westen als MEK bekannt ist. Die MEK geht auf eine marxistisch-muslimische Gruppe zurück, die von Studenten gegründet wurde und in den 1970er Jahren an der Ermordung von sechs US-Bürgern beteiligt war. Sie war ursprünglich Teil der breit angelegten Revolution, die 1979 zum Sturz des Schahs von Persien führte. Aber nach wenigen Jahren begann diese Gruppe einen blutigen internen Krieg gegen den herrschenden (islamischen) Klerus zu führen; 1997 wurde sie vom US-Aussenministerium als ausländische Terrororganisation eingestuft. 2002 erregte die MEK internationales Aufsehen, als sie öffentlich enthüllte, dass Iran begonnen hatte, in einer unterirdischen Anlage heimlich Uran anzureichern – was zutraf. Mohamed El-Baradei, der damalige Generaldirektor der International Atomic Energy Agency/IAEA der Vereinten Nationen, sagte mir später, er sei darüber informiert worden, dass diese Information ursprünglich vom (israelischen Geheimdienst) Mossad stammte. Die Verbindungen der MEK zu westlichen Geheimdiensten wurden nach dem Fall des irakischen Regimes im Jahr 2003 noch enger; damals begann das JSOC im Auftrag der Bush-Regierung in Iran zu operieren, um herauszufinden, ob Iran in einer anderen geheimen unterirdischen Anlage auch versuchte, eine (Atom-)Bombe zu bauen. Einer Reihe interner iranischer Oppositionsgruppen flossen insgeheim US-Gelder zu; als Gegenleistung wurden Informationen und gegen das iranische Regime gerichtete Terrorakte erwartet. So entwickelte sich die MEK allmählich zu einer (von den USA finanzierten) Organisation, die (dem US-Geheimdienst) Informationen lieferte und das Regime mit Waffengewalt bekämpfte. Nach Aussage ausgeschiedener und noch aktiver US-Geheimdienstler und Militärberater finden solche verdeckten Operationen auch heute noch in Iran statt.
Trotz der wachsenden Verbindungen und der massiven verdeckten US-Unterstützung blieb die MEK auf der vom US-Aussenministerium geführten Liste der ausländischen Terrororganisationen – deshalb musste das Training in Nevada unbedingt geheim bleiben. «Wir haben sie hier ausgebildet, nachdem wir sie über das Energieministerium ‹gewaschen› hatten, denn das ganze Gelände im Süden Nevadas gehört dem US-Verteidigungsministerium,» erzählte mir ein ehemaliger führender US-Geheimdienstler. «Wir haben ihnen in der hiesigen Wüsten- und Gebirgslandschaft beigebracht, wie sie über grosse Entfernungen hinweg miteinander kommunizieren können, denn die Koordinierung der Kommunikation ist eine wichtige Aufgabe.» (Nach Angaben eines seiner Sprecher war das JSOC weder über diese Ausbildung von MEK-Mitgliedern informiert, noch an ihr beteiligt.)
Nach Aussage des ehemaligen Beamten wurde die Ausbildung beendet, kurz bevor Präsident Obama sein Amt antrat. In einem anderen Gespräch teilte mir ein pensionierter Viersternegeneral, der die Regierungen Bush und Obama in Problemen der Staatssicherheit beraten hat, mit, er sei 2005 privat von einem daran beteiligten US-Amerikaner über die Ausbildung der zur MEK gehörenden Iraner in Nevada informiert worden. Sie hätten «die Standardausbildung in Kommunikation und in der Verschlüsselung von Nachrichten, in Taktik für kleine Einheiten und im Umgang mit Waffen» erhalten, die sechs Monate gedauert habe. «Es hat sich immer nur um kleine, voneinander isolierte Gruppen gehandelt.» Ihm sei auch mitgeteilt worden, dass die Ausbildung vom JSOC durchgeführt werde, das ab 2005 zu einem Hauptinstrument der Regierung Bush im globalen Krieg gegen den Terror geworden war. «Bei den JSOC-Trainern hat es sich nicht um erfahrene Frontsoldaten gehandelt, sondern um Ausbilder geringerer Qualifikation, die ziemlich rücksichtslos vorgegangen seien – (nach dem Motto): «Wenn wir euch schon Taktik beibringen müssen, dann wollen wir euch auch ein paar wirklich heisse Sachen zeigen.»
Die improvisierte Ausbildung habe beunruhigte Anrufe an ihn provoziert, sagte der ehemalige General. «Ich sagte einem der Kerle, die mich anriefen, ihre Vorgesetzten könnten ihnen grosse Schwierigkeiten machen, wenn sie weiter ohne schriftliche Anweisungen handelten. Die Iraner seien sehr gut in Gegenspionage, und was sie da (in Nevada) trieben, sei kaum geheimzuhalten.» Die Anlage in Nevada sei zur gleichen Zeit auch zur Fort- und Weiterbildung von irakischen Elite-Kampfeinheiten genutzt worden. (Der pensionierte General sagte, er sei nur über die Ausbildung einer der MEK nahestehenden Gruppe informiert worden. Nach Aussage des ehemaligen höheren Geheimdienstlers ist diese Ausbildung aber bis 2007 fortgeführt worden.)
Allan Gerson, ein für die MEK tätiger Washingtoner Rechtsanwalt, erklärte, die MEK habe wiederholt öffentlich auf Terrorakte verzichtet. Gerson wollte sich nicht zu der angeblichen Ausbildung in Nevada äussern. Die behauptete Ausbildung stehe «im Widerspruch zu der Tatsache, dass die MEK immer noch auf der Terroristenliste des US-Aussenministeriums geführt wird. Wie können die USA auf dieser Liste stehende Terroristen trainieren, wenn sie gleichzeitig strafrechtlich gegen alle vorgehen, die dieser Organisation auch nur einen Cent zukommen lassen?»
Robert Baer, ein pensionierter CIA-Agent, der fliessend Arabisch spricht und früher verdeckt in Kurdistan und anderen Ländern im Mittleren Osten gearbeitet hat, hat mir schon Anfang 2004 erzählt, eine US-Privatfirma, die vermutlich im Auftrag der Bush-Administration handelte, habe ihn zur Rückkehr in den Irak bewegen wollen. «Sie wollten, dass ich die MEK beim Sammeln geheimer Informationen über das iranische Atomprogramm unterstütze», erinnerte sich Baer. «Sie dachten, ich spreche Persisch, was ich aber nicht kann. Ich sagte, ich würde mich wieder melden, tat es dann aber nicht.» Baer, der jetzt in Kalifornien lebt, erinnerte sich, dass ihm damals gesagt worden war, es handle sich um eine langfristige Tätigkeit und nicht nur um einen einmaligen Einsatz.
Massoud Khodabandeh, ein IT-Experte, der jetzt in England lebt und die irakische Regierung berät, gehörte zur MEK, bis er sich 1996 von ihr abwandte. In einem Telefongespräch gab er an, heute ein erklärter Feind der MEK zu sein und die Gruppe zu bekämpfen. Khodabandeh erklärte, bis zum Sturz des Schahs Mitglied der MEK und als Computerexperte geheimdienstlich und zum Schutz der MEK-Führung tätig gewesen zu sein. Seit einem Jahrzehnt betrieben er und seine englische Frau ein Unterstützungsprogramm für andere MEK-Abtrünnige. Khodabandeh erzählte mir, er sei von neueren Abtrünnigen über die Ausbildung in Nevada informiert worden. Ihm sei gesagt worden, die Kommunikationsausbildung in Nevada habe mehr umfasst, als das Kontakthalten bei Angriffen – auch das Abfangen von Nachrichten sei geübt worden. Es sei den USA gelungen, in die Hauptkommunikationssysteme Irans einzudringen. Sie hätten Operativkräften der MEK die Fähigkeit vermittelt, Telefonate und SMS-Nachrichten innerhalb Irans mitzuschneiden. Diese seien dann von der MEK übersetzt und an US-Geheimdienste weitergeleitet worden. Er wusste aber nicht, ob diese Aktivitäten noch andauern.
Seit 2007 wurden fünf iranische Atomwissenschaftler ermordet. MEK-Sprecher haben zwar jede Beteiligung an diesen Morden bestritten, aber Anfang letzten Monats wurden in den NBC-Nachrichten zwei höhere Vertreter der Obama-Regierung zitiert, die bestätigten, dass die Anschläge von MEK-Einheiten durchgeführt wurden, die vom israelischen Geheimdienst Mossad ausgebildet und finanziert wurden. Nach NBC-Angaben haben die Regierungsvertreter aber jede Beteiligung der USA an Aktivitäten der MEK abgestritten. Der ehemalige höhere Geheimdienstler, mit dem ich gesprochen habe, bestätigte die NBC-Meldung, dass die Israeli mit der MEK zusammenarbeiten, fügte aber noch hinzu, dass deren Operationen von Informationen der US-Geheimdienste profitierten. Er sagte, die Ermordeten seien keine «Einsteins» gewesen; es gehe nur darum, die Psyche und die Moral der Iraner zu schwächen und ihr ganzes System zu demoralisieren – also alle die in der Raketenentwicklung, der Urananreicherung oder in Atomkraftwerken arbeiten. Es habe auch schon Anschläge auf Pipelines gegeben. Er fügte hinzu, die Operationen würden hauptsächlich von der MEK mit Unterstützung der Israeli durchgeführt, die USA stellten aber die dafür notwendigen Geheimdienstinformationen zur Verfügung. Ein Berater des Special Operations Command sagte mir, die Verbindungen zwischen den USA und der MEK bestünden schon seit Jahren. «An allen Anschlägen, die innerhalb Irans stattfinden, sind unsere Leute beteiligt.»
Die Quellen, mit denen ich gesprochen habe, konnten mir nicht sagen, ob die in Nevada ausgebildeten Leute jetzt in Operationen in Iran oder anderswo einbezogen sind. Sie wiesen aber auf den allgemeinen Wert der US-Unterstützung hin. «Die MEK war nur eine Lachnummer», sagte der führende Pentagon-Berater, «jetzt bildet sie aber ein echtes Netzwerk innerhalb Irans.» Er hängte die rhetorische Frage an: «Warum konnte sie wohl so viel effizienter werden? Beigetragen dazu haben sicher die Ausbildung in Nevada und die logistische Unterstützung in Kurdistan und im Inneren Irans selbst. Die MEK ist jetzt zu echten Operationen fähig. Das war sie vorher nicht.»
Mitte Januar, ein paar Tage nachdem ein iranischer Atomwissenschaftler in Teheran durch eine Autobombe ums Leben gekommen war, gab US-Verteidigungsminister Leon Panetta bei einem Treffen mit Soldaten in Fort Bliss in Texas zu, dass die USRegierung sich vorstellen könne, wer an dem Anschlag beteiligt gewesen sei, es aber nicht genau wisse. Er fügte hinzu: «Ich kann Ihnen aber versichern, dass sich die USA nicht an so etwas beteiligen. Das ist nicht unser Stil.» •
Quelle: The New Yorker vom 6.4.12, <link http: www.newyorker.com online blogs newsdesk mek.html>www.newyorker.com/online/blogs/newsdesk/2012/04/mek.html
Übersetzung Luftpost: Wir [LP] haben den Hersh-Artikel komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in runden Klammern und Hervorhebungen versehen. Die Ergänzungen in eckigen Klammern hat der Autor selbst eingefügt. Weitere Informationen über die Unterstützung iranischer Terroristen durch die USA sind nachzulesen unter <link http: www.luftpost-kl.de luftpostarchiv lp_10 lp06610_080310.pdf>www.luftpost-kl.de/luftpostarchiv/LP_10/LP06610_080310.pdf.
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