von Karl Müller
Am 10. September hat im Nachbarland Baden-Württemberg das neue Schuljahr angefangen. Rund 40 sogenannte Gemeinschaftsschulen werden erstmals ihren Schulbetrieb aufnehmen. Die pädagogischen Argumente gegen diese neue Schulart sind mittlerweile gut dokumentiert (<link http: www.arbeitskreis-schule-und-bildung.de>www.arbeitskreis-schule-und-bildung.de ). Aus staatspolitischer und rechtsstaatlicher Sicht muss hinzugefügt werden, dass die Konzeption dieser Schulart, obwohl Teil einer im Landtag von Baden-Württemberg mit grün-roter Mehrheit beschlossenen Änderung des bisherigen Schulgesetzes, auch rechtsstaatlich sehr fragwürdig ist. Denn nach wie vor gilt die Verfassung des Landes Baden-Württemberg mit ihren klaren Erziehungs- und Bildungszielen. Nach wie vor gelten die einleitenden Paragraphen des Schulgesetzes von Baden-Württemberg, die an der Landesverfassung orientierte Erziehungs- und Bildungsziele für die Lehrer an den staatlichen Schulen festlegen. Die Konzeption der sogenannten Gemeinschaftsschulen steht diesen Zielen aber diametral entgegen.
Solche Entwicklungen sind besonders dann zu beklagen, wenn die deutsche Gesetzgebung nicht mehr das gewachsene deutsche Recht von der Sache her weiterentwickelt, sondern Mehrheiten in Parlamenten anderen Herren folgen und nicht mehr ihren Wählern. Insofern verletzt die derzeitige deutsche Praxis der parlamentarischen, repräsentativen Demokratie auch deren Ideale und Verfassungsgrundlagen, und Deutschland gerät so immer mehr in eine hoch gefährliche Art von «Ausnahmezustand».
Dies gilt auch für die Gesetzgebung im Schulbereich. Konkret ist damit gemeint, dass von keiner Verfassung und von keinem Gesetz legitimierte Institutionen wie EU und OECD – und über letztgenannte vor allem Einflusskräfte aus den USA – in die deutsche Gesetzgebung eingegriffen haben und einzugreifen versuchen. Exemplarisch illustriert dies ein Interview der «Frankfurter Rundschau» (13.7.2012) mit dem von der OECD beschäftigten «Pisa-Chef» Andreas Schleicher. In diesem Interview findet man eine Art Blaupause für das, was nun in Baden-Württemberg mit sogenannten Gemeinschaftsschulen umgesetzt werden soll. Dabei wird über nationale Rechtstraditionen und Rechtszusammenhänge hinweggegangen. Der Bruch nationalen Rechts ist im Rahmen des Programms der Zerstörung von Nationalstaaten sogar Absicht.
Wie abgehoben und destruktiv solche internationalistischen Pläne sind, zeigt zum Beispiel die Forderung von Schleicher nach einer Akademisierung der Berufsausbildung. Haben doch erst kürzlich wieder vor Ort wirkende Fachleute dagegen protestiert, dass der Anteil von Akademikern in Deutschland immer weiter erhöht werden soll, wo doch gleichzeitig immer mehr Facharbeiter fehlen («Mitteldeutsche Zeitung» vom 29.8.2012: «Steigende Studentenzahlen stellen aus Sicht von Arbeitsmarktexperten eine Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dar», «Berliner Zeitung» vom 30.8.2012: «Viele Studenten, wenig Lehrlinge – Akademiker werden zum Problem»).
Der Rechtsbruch im Schulbereich ist nur ein Bereich einer immer mehr Politikbereiche erfassenden mangelnden Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. Das reicht von der andauernden deutschen Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, über die Vorbereitung von verfassungswidrigen Bundeswehreinsätzen im Inneren des Landes gegen die eigenen Bürger (Gefechtsübungszentrum, GÜZ, Altmark) und der Missachtung der Souveränität benachbarter Staaten (Attacken auf die Schweiz, Anstiftung zu Diebstahl und Hehlerei mit gestohlenen Bankkundendaten) bis hin zum Bruch internationaler Verträge, selbst innerhalb der EU-Vertragsordnung, und dem damit einhergehenden Angriff auf das nationale Budgetrecht und auf das Eigentumsrecht der Bürger.
Auch der aktuelle Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB), ab sofort in unbegrenzter Höhe und zeitlich unbegrenzt Staatsanleihen verschuldeter Euro-Staaten kaufen zu wollen – wofür das Land, dessen Vertreter als einziger dagegen gestimmt hat, relativ am meisten haften soll, nämlich mit 27 Prozent – gehört in diese Reihe.
Dass deutsche Parlamentsabgeordnete, der Präsident der Deutschen Bundesbank, namhafte Finanzfachleute und Staatsrechtslehrer auf die Illegalität des EZB-Beschlusses hingewiesen haben und nun unisono die Rückkehr zum Recht einfordern, ist allerdings ein Licht am Ende des Tunnels.
Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Paul Kirchhof schreibt in seinem neu erschienenen Buch «Deutschland im Schuldensog. Der Weg vom Bürgen zum Bürger» (2012, ISBN 978-3-406-64043-8): «Die Krise ist entstanden, weil wir das Recht missachtet haben. […] Hätten wir das Recht beachtet, gäbe es die Schuldenkrise nicht. Deswegen ist es hohe Zeit, die Autorität des Rechts wieder herzustellen.» •
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