Keine Sicherheit ohne Vertrauen und Zusammenarbeit

Keine Sicherheit ohne Vertrauen und Zusammenarbeit

Die Friedensvision von Alfred Nobel: die Welt vom tödlichen Würgegriff des Militarismus befreien

von Fredrik S. Heffermehl

zf. Dem Wunsch der Menschen nach Frieden und dem Einsatz vieler für den Frieden stehen wieder starke Kräfte gegenüber, die auf Krieg setzen. Wer glaubt, in diesem Ringen blosser Zuschauer bleiben zu können, Unbeteiligter, der irrt sich sehr. Wer sich nicht aktiv und mit all seinen Möglichkeiten für den Frieden einsetzt, der stärkt die Kräfte, die den Krieg wollen. Berichte über die Kriegspläne der grossen Mächte und darüber, dass wieder einmal ganz Eu­ropa in den Krieg hineingezogen werden soll, sind niemals sichere Prognosen. Es kann nur so kommen, wenn … Vor allem, wenn es zuwenig Widerstand und Einsatz für den Frieden gibt. Persönlichkeiten wie Frederic Heffermehl oder Alfred de Zayas gehen voran. Frederic Heffermehls Diagnosen betreffen nicht nur Norwegen. Alfred de Zayas Worte gelten nicht nur für einen Tag. In der Tat gilt auch heute: «Pax optima rerum» – der Frieden ist das höchste Gut.

Auf einem Spaziergang kam ich vor kurzem an einer schönen Gärtnerei vorbei – oder eigentlich durch sie durch –, sie war vollständig offen, und jeder konnte ungehindert zwischen den Blumen und Gewürzen umherwandern. Die Registrierkasse war auch da, auf einem Tisch; ob sie Geld enthielt, habe ich nicht untersucht. Dies hat mich an zwei Dinge erinnert: Welche wunderschönen Gaben uns die Natur schenkt, schöne und nützliche – die Natur muss sorgfältig geschützt werden –, und an die Bedeutung von Vertrauen. Vertrauen ist absolut notwendig unter Menschen, um ein gutes Leben, eine gute Gesellschaft zu haben – und ich glaube auch, dass es zwischen Staaten so ist. Keine Sicherheit ohne Vertrauen und Zusammenarbeit – und das, das habe ich entdeckt, ist auch die Friedensvision von Alfred Nobel. Heute richtiger und wichtiger als damals, als er sein Testament im Jahr 1895 abfasste.
In unserer Zeit ist das Militär als Methode irreführend, eine lebensgefährliche Friedenssicherung. Das Militär kostet astronomische Beträge und bedroht das Leben; in der Zeit von Atomwaffen ist unser Überleben hochgradig gefährdet.
Die meisten Diskussionen auf dieser Ebene haben schwere Mängel. Sie vergessen die Grundlage – das Völkerrecht, dessen wichtigstes und entscheidendes Prinzip ist, dass Krieg verboten ist. Die Medien verraten das Völkerrecht, wenn sie über Krieg und Kriegspläne schreiben, als ob der Krieg eine Option, nur die Frage einer praktischen, pragmatischen Entscheidung wäre.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hiess es: Nie wieder Krieg! Wir bauten die Uno auf und formulierten deren Charta, deren Hauptregel ist, dass die Mitglieder auf militärische Gewalt verzichten.
Die Medien aber lieben Konflikte und Streit und sind zwar ein wichtiges, aber fehlgehendes Element der Friedenssicherung. Aber auch viele andere sollten in den internationalen Beziehungen das Recht achten. Ein Richter in Deutschland, mein Freund in der deutschen Ialana, dem Verein der Juristen gegen Atomwaffen, und Verfasser der Besprechung meines Buches über Alfred Nobel in Zeit-Fragen hat vor 10 Tagen einen Ratgeber der deutschen Regierung angezeigt, weil sich dieser über den Krieg in Syrien äusserte, ohne das Verbot des Krieges zu erwähnen.
Mein Ausgangspunkt ist, dass der militärische Unsinn beendet werden muss. Es ist eine Niederlage für den Rechtsstaat, dass wir noch in unserer Zeit jungen Leuten befehlen, auf dem Schlachtfeld zu töten oder zu sterben. Das ist inakzeptabel, eine Dystopie in der menschlichen Entwicklung.
Wir benötigen aber nicht nur einen Ausgangspunkt, das Kriegsverbot, sondern auch Ideen und Modelle, wie die Welt ohne Krieg, wie ein internationaler Rechtsstaat realisiert werden kann. Mit einem Ziel, mit einem Ausblick wird die Diskussion eine ganz andere.
Wir sind Gefangene in einem Denksystem, die meisten Überlegungen über Sicherheit sind voll von Kriegsrhetorik, militärischen Werkzeugen, alten Gedanken: Peace enforcement, Durchsetzung von Frieden mit Militär und gewalttätigen Massnahmen.
Was gilt, ist Misstrauen, nicht Vertrauen, man baut seine Stärke aus, um sicher zu sein. Aber mit der Militärtechnologie von heute erhöht man nur die Beschäftigung in der Rüstungsindustrie. Eine politisch machtvolle, historisch starke Tradition und mächtige wirtschaftliche Interessen tun ihr bestes, um sicherzustellen, dass die Bürger die Irreführung nicht erkennen und auf die Alternative nicht aufmerksam werden.
Ich habe Rechtswissenschaften studiert, später war ich Rechtsanwalt für die Industrie. Und ich glaubte, dass die Meinungsfreiheit, Freedom of Speech, und die politischen Rechte bei uns gut funktionierten. Das habe ich so lange geglaubt, bis ich eines Tages diese Rechte für Kritik und Protest wirklich benutzte, um andere Ideen zu fördern als die gesellschaftlich vereinbarten, als der Mainstream, als den üblichen Konsens.
Ich werde jetzt zwei Beispiele geben, die beide, Frieden und Rechtsstaat, betreffen.
Zuerst Alfred Nobel: Nach beinahe 30 Jahren in der Friedensbewegung habe ich plötzlich entdeckt, was Nobel mit seinem Friedenspreis beabsichtigte. Sein Testament spricht von einem Preis «für Friedensverfechter» und beschreibt diese als Leute, die versuchen, eine «Verbrüderung der Nationen» mit Abrüstung zu realisieren, durch Friedenskongresse. Die Absicht ist eindeutig klar, Nobel wollte die antimilitärische Friedensbewegung fördern oder: die Welt vom tödlichen Würgegriff des Militarismus befreien.
Kurz: mit seinem Testament wollte er bei einem Sprung in der menschlichen Zvilisation und Kultur mitwirken: einen Rechtsstaat auf internationalem Niveau errichten.
Fünf Jahre sind vergangen, seitdem ich diese Absicht, den juristisch bindenden Inhalt des Nobelpreises, entdeckte. Ich erachtete es als selbstverständlich, dass das Nobel-Komitee das Testament und sein Mandat befolgen musste und wollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie wenig sich die fünf vom norwegischen Parlament gewählten Komiteemitglieder um den Willen Nobels und das Gesetz kümmern würden. Heute sind sich die Parlamentarier einig, dass sie den Preis als harte Währung in den norwegischen Beziehungen und Bündnissen mit den USA benutzen wollen – das letzte, was sie zum Thema machen wollen, sind Nobel und seine eigentliche Absicht.
Nur der Name besteht noch, der Preis hat nichts mehr mit Nobel zu tun. Aber in fünf Jahren habe ich keine Antwort auf meine Beschwerde bekommen. Die Antwort ist Taubheit oder Dummheit. Das Komitee besteht aus Gegnern ihrer eigentlichen Aufgabe. Es ist ein Skandal, dass der wichtigste Preis der Welt jetzt in die Hände seiner politischen Gegner gefallen ist, ein antimilitaristischer Preis wurde von militärgläubigen Politikern übernommen. Es ist wirklich inakzeptabel: Die Mehrheit im norwegischen Parlament hat Geld und Aufmerksamkeit gestohlen, die für die Opposition, für die Dissidenten in der Friedensbewegung bestimmt waren.
Mein Buch über den Nobelpreis, das ins Norwegische, Englische, Chinesische, Schwedische und Finnische übersetzt wurde, haben sie nicht beachtet, Tausende von Zeitungsartikeln sind vergeblich, das Komitee arbeitet auf der Grundlage des Prinzips, das Macht Recht sei, das vollkommene Gegenteil vom rechtstaatlichen Prinzip. Und der Hauptverantwortliche, der Vorsitzende des Komitees, Thorbjørn Jagland, ist zugleich Generalsekretär des Europarats, welcher die Aufgabe hat, Demokratie und Rechtstaat in Europa zu fördern.
Das andere Beispiel ist mein Freund und Professor für Strafrecht in Oslo, Ståle Eskeland, der fünf Jahre lang internationale Verbrechen studierte: Aggression, Folter, Verbrechen gegen die Menschheit, Kriegsverbrechen. Sein Buch, «Die schlimmsten Verbrechen», erschien im Juni 2011. Es enthält ausführlich begründete Feststellungen, dass die norwegische Regierung als Mittäter mehrere internationale Verbrechen verübt hat, in Kosovo, im Irak, in Afghanistan, in Libyen. Man sollte glauben, dass dies von Interesse sein würde – aber die bisherige Reaktion war nahezu vollständiges Schweigen.
Was sagt dies aus über die Demokratie und den Rechtsstaat in Norwegen?
Ich erinnere mich, wie vor 40 Jahren die Umweltdiskussion ein Austausch von Argumenten und Standpunkten war. Dann kamen die PR-Büros, die Spin-Doktors, die Kenntnisse darüber verbreiteten, wie die Industriebetriebe, die wegen Umweltschädigung angeklagt wurden, am besten entkommen könnten. Sie konnten die Beeinträchtigung ihres Rufes durch Schweigen vermindern. Keine Antwort geben, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich suchen, morgen ist es vorbei, der Streit ist vergessen.
So kann man im Wirtschaftsleben vielleicht nicht gar so viel anrichten, aber in der politischen Kultur ist ein solches Vorgehen verwüstend. Es untergräbt die Demokratie und den Rechtsstaat. In meinem Buch über Nobel habe ich beschrieben, wie notwendig die wirkliche Suche nach der Wahrheit ist; die Debatten müssen bedeutsame Fakten beachten, Argumente müssen ehrlich beantwortet werden.
Wenn dies nicht geschieht, sind Demokratie und Rechtsstaat tot. Ich betrachte die Demokratie als eine Art von gewaltfreier Lösung von Konflikten, als Alternative zu autokratischer Macht. In der neuen Art von Demokratie aber wird der Austausch von Worten nur eine neue Form von Gewalt.    •

*Frederik S. Heffermehl ist Jurist und Schriftsteller. Er lebt in Oslo, Norwegen.

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