Die Debatte über die Einführung eines Berufsheeres in Österreich unter spezieller Berücksichtigung der SPÖ

Resolution vom 20. November 2012

Ausschusssitzung der SPÖ Schwechat-Sektion 3 am 20.11.2012 im SPÖ Schwechat Kommunikationszentrum. Einstimmiger Beschluss.

Resolution

Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht
Wir, die SPÖ Schwechat-Sektion 3, bekennen uns zur allgemeinen Wehrpflicht und lehnen ein Berufsheer, Profiheer, Freiwilligenheer oder wie auch immer das Alternativmodell, das die allgemeine Wehrpflicht ersetzen soll, heisst, aus folgenden Gründen ab:
Nur die allgemeine Wehrpflicht garantiert eine soziale Durchmischung des Heeres. Erfahrungen aus anderen Ländern, aber auch der hauptamtliche Teil des Österreichischen Bundesheeres zeigen, dass es in einem reinen Berufsheer zu einer nicht repräsentativen Abbildung des (männlichen) Bevölkerungsdurchschnitts und somit zu einer sozialen und politischen Schieflage im Österreichischen Militär kommen würde. Bei einem Berufsheer besteht immer die Gefahr, dass es zu einem Tummelplatz für Rechtsextreme, Waffennarren und dergleichen wird, wie Entwicklungen in anderen Ländern gut zeigen.
Eine Abkehr von der allgemeinen Wehrpflicht bedeutet gleichermassen eine noch weitergehende Einbindung Österreichs in EU-Militärstrukturen. Schon jetzt stellt Österreich Soldaten für die EU-Battle­groups. Diese sollen jedoch, geht es nach den Plänen der EU-Militärstrategen, zu einer schlagkräftigeren Truppe bis hin zu einer EU-Armee ausgebaut werden. Hannes Androsch, der Leiter des Pro-Berufsheer-Personenkomitees meinte, ein Berufsheer ist kompatibler und flexibler für Auslandeinsätze. In Zukunft gehe es um Einsätze für Rohstoffsicherung, Ressourcenquellen und Sicherung von Transportwegen, die im EU-Rahmen und in Kooperation mit der Nato durchzuführen seien. Genau das erscheint uns aus neutralitätspolitischer Sicht bedenklich! Österreichische Soldaten sollen nicht unter EU- oder Nato-Kommando für wirtschaftliche bzw. EU-Grossmachtinteressen im Ausland eingesetzt werden. Im Gegenteil: Die Sozial­demokratie muss für eine Wiederbelebung einer ernsthaften Neutralitätspolitik eintreten und sich hierbei an der Aussen­politik Kreiskys orientieren. Diese hat Österreich viel gebracht.
Es stellt sich ausserdem die Frage, wer ein Heer kontrolliert. Sowohl ein Heer mit allgemeiner Wehrpflicht, also auch ein reines Berufsheer, untersteht den demokratischen Elementen des Staates. Doch welche Form des Heeres ist gegen eine Abkehr des Staates von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit besser gewappnet? Und hier lehrt uns schon die Geschichte, dass die Antwort nur die Wehrpflicht sein kann. Nicht umsonst hat die SP schon in der Hainfelder Prinzipien­erklärung 1889 die «Abschaffung aller stehender Heere und die allgemeine Volksbewaffnung» gefordert. Der 12. Februar 1934 wäre höchstwahrscheinlich nicht so tragisch ausgegangen, wenn den Arbeitern kein Berufsheer gegenübergestanden wäre. Gerade in einer Zeit, in der in Europa wieder starke soziale Bruchlinien zu Tage treten und die Kluft zwischen Arm und Reich grösser denn je ist, werden sich auch die politischen Konflikte zuspitzen, und eine Situation ähnlich wie in den 1930er Jahren ist leider nicht mehr ausgeschlossen. Bei einem System der allgemeinen Wehrpflicht ist gewährleistet, dass es einen direkten Bezug der Bevölkerung zum Militär gibt, da es faktisch in jeder Familie Menschen gibt, die den Wehrdienst abgeleistet haben. In einem Berufsheer fällt dieser Bezug weg.
Es ist richtig, dass wir in einem Europa des Friedens leben und Kriege hoffentlich der Vergangenheit angehören. Jedoch war auch 1918 die Losung «Nie wieder Krieg!», und gute 20 Jahre später wurde Europa in den schrecklichsten Krieg der Menschheitsgeschichte gestürzt. Niemand kann eine Garantie dafür abgeben, dass der heutige Zustand für ewig Bestand hat, auch wenn wir dies unserem Kontinent wünschen. Und für eine breite, umfassende Landesverteidigung ist ein Wehrpflichtigen-Heer, schon allein auf Grund seiner Mann-Stärke (Grösse), weitaus besser geeignet als ein reines Berufsheer.
Wir begrüssen den Beschluss der SPÖ NÖ, bezüglich der Volksbefragung keine Empfehlung für ein Berufsheer abzugeben und die Abstimmung den Mitgliedern und Funktionären freizugeben.
Die SPÖ Schwechat-Sektion 3 fordert daher:
•    Die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht als Modell für die Zukunft.
•    Reform des Österreichischen Bundesheeres, um es für Wehrpflichtige wieder attraktiver zu machen und die Effizienz zu verbessern.
•    Die Wiederbelebung einer ernsthaften österreichischen Neutralitätspolitik durch die SPÖ.
•    Wir rufen die Mitglieder der SPÖ Schwechat-Sektion 3 auf, im Sinne dieser Resolution bei der Volksbefragung am 20. Jänner 2013 für die Wehrpflicht und gegen ein Berufsheer zu stimmen.

Ergeht an den SPÖ Schwechat Gemeindeparteivorstand, SPÖ Schwechat Bezirksvorstand und die SPÖ NÖ Landesorganisation zur Kenntnisnahme mit der Aufforderung, im Sinne der Resolution tätig zu werden.

Die Debatte über die Einführung eines Berufsheeres in Österreich unter spezieller Berücksichtigung der SPÖ

Die österreichische Sozialdemokratie stand seit ihrer Gründung immer für die allgemeine Wehrpflicht. Bereits im «Hainfelder Programm» vom Einigungsparteitag 1889/90 wird die allgemeine Volksbewaffnung gefordert, und stehende Heere als ein ausschliess­liches Instrument der herrschenden Bourgeoisie werden richtigerweise entlarvt.
Vor allem durch die Erfahrungen des 12. Februar 1934, als die Arbeiterbewegung und ihre Organisationen von den Austrofaschisten unter Bundeskanzler Dollfuss mit Waffengewalt bekämpft und dabei das österreichische Bundesheer, das zu dieser Zeit ein von alten k.u.k.-Offizieren und Adelsburschen durchsetztes Berufsheer war, mit schwerer Artillerie auf die Gemeindebauten und Arbeiterwohnungen schoss, lehnte die Sozialdemokratie ein Berufsheer immer ab. Darüber hinaus war die SPÖ jene Partei, die die österreichische Neutralität mit dem Staatsvertrag und dem Neutralitätsgesetz 1955 mitbegründete und dann in den 1960ern, 1970er und 1980ern zu einem probaten Mittel einer aktiven, souveränen, auf Ausgleich beruhenden Aussen- und Friedenspolitik machte. Damit sind nicht zuletzt Namen wie Bruno Kreisky, Erwin Lanc und andere verbunden.
So war aber auch jahrzehntelang der defensive Charakter des österreichischen Bundesheeres als ein reines Verteidigungsheer (formal nach West und Ost gerichtet) definiert. Dies änderte sich schlagartig mit dem Ende der sozialistischen Länder in Ost­europa, dem Ende der UdSSR und der zunehmenden EU-Integration Österreichs. Schritt für Schritt erfolgte dann die Einbindung in EU-Militärstrukturen, Österreich trat der «Nato-Partnerschaft für den Frieden» bei, Gesetze wurden dafür oft heimlich und schleichend geändert und damit die Neutralität scheibchenweise beschnitten. Trotzdem blieben wir formal neutral und verweigerten zum Beispiel 1999 der Nato-Luftflotte den Überflug über österreichisches Hoheitsgebiet nach Jugoslawien.
Die militärische Integration und die Militarisierung der EU nahm jedoch Jahr für Jahr zu. Vor diesem Hintergrund ist nun auch die Debatte rund um die Abschaffung der Wehrpflicht und die Einführung eines Berufsheeres zu werten. Das Bundesheer soll endgültig für die imperialistischen EU-Bedürfnisse fit und flexibel gemacht werden, um endlich auch die «Out of Area»-Einsätze mit «robusten Mandaten» durchführen zu können. Dazu kam dann noch ein Wahlkampfgag des Wiener SP-Bürgermeisters Michael Häupl kurz vor der Gemeinderatswahl Ende 2010. Mit der Hoffnung, viele Jungwählerstimmen zu lukrieren, forderte er ganz offen die Einführung eines Berufsheeres und die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Das war gerade für viele traditionelle Sozialisten in der SPÖ ein Tabubruch. Einige Tage später schwenkte auch der SP-Verteidigungsminister Darabos auf die neue Linie, die konträr zum gültigen Parteiprogramm ist. Schluss­endlich einigten sich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP auf eine Volksbefragung, deren Ausgang bindend sein sollte.
Viele Basisorganisationen und Parteistrukturen der Sozialdemokratie konnten sich mit der neuen Linie der Bundesparteispitze nicht abfinden und beschlossen Resolutionen und riefen dazu auf, bei der Volksbefragung am 20. Jänner 2013 für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht zu stimmen.
Als Beispiel sei hier die Resolution der SPÖ Schwechat-Sektion  3 angeführt:

Resolution der SPÖ Schwechat-Sektion 3

Die Volksbefragung am 20. Jänner 2013 wurde von den Wehrpflichtbefürwortern der unterschiedlichsten politischen Couleurs und aus unterschiedlichen Beweggründen mit 60% zu 40% gewonnen. Eine Nachwahlbefragung zeigte, dass für 57% der Wehpflichtbefürworter der direkte Zusammenhang von «Berufsheer und endgültiger Aufgabe der Neutralität» entscheidend war. Das ist sehr positiv, hier muss man nun politisch ansetzen.

David Stockinger, Vorsitzender der SPÖ Schwechat-Sektion 3 und Mitglied des Stadtparteipräsidiums, Sprecher der Initiative «Sozialdemokraten gegen ein Berufsheer»

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