Nur das föderalistische Gesundheitswesen gewährleistet eine rasche und wirksame Eindämmung von Epidemien

Nur das föderalistische Gesundheitswesen gewährleistet eine rasche und wirksame Eindämmung von Epidemien

Deshalb ein klares Nein am 22. September 2013

von Dr. med. A. Bau

Am 22. September dieses Jahres wird das Schweizer Volk über das totalrevidierte Epidemiengesetz abstimmen. Mit diesem Gesetz soll das gut funktionierende föderalistische Gesundheitswesen der Schweiz durch ein vom Bundesamt für Gesundheit BAG gesteuertes zentralistisches System ersetzt werden.

Das folgende Beispiel zeigt, wie besonders bei gefährlichen Infektionskrankheiten nur die föderalistische Struktur ermöglicht, vor Ort sofort zu handeln und eine Ausbreitung der Krankheit wirkungsvoll zu verhindern. Dabei nehmen unsere Hausärzte eine Schlüsselstellung ein, die durch keine Gesundheitszentrale in Bern übernommen werden kann.

Umgang mit einer meldepflichtigen Erkrankung

Ein erkrankter Mensch sucht seinen ihm seit Jahren vertrauten Hausarzt auf. Der Arzt kennt den Patienten, seine Vorgeschichte und sein persönliches Umfeld. In diesem Fall kommt der sehr krank wirkende Patient mit hohem Fieber und Durchfall in die Praxis des Hausarztes. Der Arzt untersucht den Patienten gründlich und erhebt die aktuelle Vorgeschichte. Er veranlasst gegebenenfalls noch einige Laboruntersuchungen. Der Arzt äussert, nachdem er während der Untersuchung im Nabelbereich des Patienten einen kleinfleckigen, diskreten Hautausschlag entdeckt hat, den Verdacht auf einen Typhus abdominalis, eine meldepflichtige schwere Infektionskrankheit, die eine rasche weitere Abklärung, eine Isolation und stationäre Behandlung notwendig machen. Auf Fragen des Arztes gibt der Patient an, dass er vor kurzem eine längere Trekking-Tour in einem asiatischen Land gemacht habe. Der Arzt informiert den Patienten über die notwendigen Massnahmen und veranlasst eine sofortige Krankenhauseinweisung mittels Krankenwagen in ein für eine derartige Erkrankung geeignetes Spital. Weiter informiert der Arzt den diensthabenden Arzt des Spitals und den Kantonsarzt über seinen Verdacht. Der Arzt ermöglicht dem Patienten ein Telefonat mit seiner Ehefrau über ein Natel. Auch die Krankenwagenfahrer werden über seinen Verdacht unterrichtet. Abschliessend werden in der Praxis die notwendigen seuchenhygienischen Massnahmen durchgeführt.
Die Vorgehensweise des Hausarztes im oben beschriebenen Beispiel hat sich seit vielen Jahren bewährt und entspricht den Auflagen des geltenden Epidemiengesetzes. Wie hätte unter dem geplanten Regime des BAG dem schwerkranken, hoch infektiösen Patienten geholfen werden können?
Die Hausärzte leisten wahre Prävention. Da im revidierten Epidemiengesetz (rEpG) der Arzt als Entscheidungsträger in der Medizin nicht mehr vorkommt, regt sich der Verdacht, ob nicht in einem wie oben beschriebenem Fall erst ein Steuerungsmann/frau des BAG, oder notfalls auch von der WHO, anreisen muss, um den Patienten und seinen weiteren Verbleib und seine Behandlung zu steuern. Die eigenverantwortliche Tätigkeit des Hausarztes wird erheblich beschnitten, und er wird zu einem Erfüllungsgehilfen der von oben verordneten Massnahmen.
Man stelle sich vor: Gemäss dem rEpG müsste der Hausarzt den Fall dem BAG melden, dieses müsste zuerst bei der WHO nachfragen, was zu tun sei, die WHO stellt daraufhin eine «Besondere Bedrohungslage» fest, gibt der Schweiz eine Anweisung, das BAG leitet diese dem Kantonsarzt weiter und dieser sagt dem Hausarzt, was er zu tun hat. In der Zwischenzeit sind bereits zahlreiche Menschen infiziert worden.
Das geplante Epidemiengesetz bedeutet einen Paradigmenwechsel. Die bewährten föderalistischen Strukturen des Schweizer Gesundheitswesens werden untergraben und die Verantwortung von den Kantonen auf den Bund und das BAG verlagert. Damit werden den Hausärzten ihre fachlichen Kompetenzen entzogen und das Vertrauensverhältnis des Patienten zu seinem Hausarzt untergraben. Das Vertrauensverhältnis ist eine wesentliche Grundlage der Genesung.
Das geltende, mehrfach ergänzte Epidemiengesetz hat sich bewährt. So ist das Schweizer Stimmvolk gut beraten, wenn es dem total revidierten Epidemiengesetz im September ein klares Nein erteilt.     •

«Wettbewerb der Anbieter» soll Vertrauensbeziehung Arzt–Patient ersetzen

Im revidierten Epidemiengesetz rEpG fehlt die Erwähnung des Arztes als medizinischer Entscheidungsträger. Das ist gewollt. Ilona Kickbusch, die bei der Ausarbeitung des rEpG federführend war, spricht in aller Offenheit von der Abschaffung der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient in der «neuen Medizin».
«Zukunftsfähigkeit erfordert einen fundamentalen Wandel in der therapeutischen Beziehung. Die individuelle Arzt- beziehungsweise Therapeuten-Beziehung wird dahingehend normalisiert, dass sie wie andere Dienstleistungen im Gesundheitswesen grundsätzlich den Gesetzmässigkeiten der Waren- und Konsumwelt folgt. Dies ist ein Übergang von der ‹alten Medizin› zur ‹neuen Medizin›: Im etablierten Selbstverständnis der akademischen Medizin – see one, treat one (gemäss Flexner Report 1910) – gibt es eine (paternalistische) Einzelbeziehung, die eine Vertrauensbasis hat, die keine weitergehende Vertrauensbildung erfordert.
Die ‹neue Medizin› ist dagegen ein kostenintensiver Massenmarkt mit hoher Nachfrage sowie steigender Spezialisierung und Arbeitsteilung. In der Wahrnehmung des Konsumenten ist der Vergleich der Leistungen wichtig, und es gibt einen Wettbewerb der Anbieter. Gerade auch zum Schutz der Patienten ist deshalb Transparenz eine unabdingbare Voraussetzung.
In der hoch standardisierten Versorgung geht es nicht um Handwerk oder Kunst, sondern um nachvollziehbare Leistungsbeschreibung. Entsprechend ist eine therapeutische Beziehung obsolet, die auf einer individualistischen Konzeption und klinischem Purismus basiert.»

Aus: «Careum working paper Nr. 2» (2009), S. 8
Ilona Kickbusch ist führend bei der Stiftung Careum

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