Von Neutralität, Lufthoheit und internationalen Verpflichtungen

Von Neutralität, Lufthoheit und internationalen Verpflichtungen

Die Schweiz muss Friedensraum bleiben. Heuchlerische Doppelstandards entlarven.

me. Tastet man die Gedanken von Divisionär Regli unter völkerrechtlichen Aspekten durch, stösst man auf folgende Zusammenhänge:
Die Schweiz ist ein «immerwährend neutraler Staat». Diesen Status hat sie selbst gewählt, und sie kann die vertragliche Verpflichtung auch wieder kündigen. Indessen ist die Neutralität in der Bevölkerung ausserordentlich tief verwurzelt, wie die jährlichen Umfragen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) belegen. Die Werte sind in den letzten Jahren sogar leicht angestiegen auf jetzt 95% (in Worten: fünfundneunzig Prozent).1
Das von der Schweiz ratifizierte völkerrechtliche «Abkommen über die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte» von 1907 (sog. Haager Neutralitätsabkommen) ist weiterhin gültig und garantiert den Neutralen die Unversehrtheit ihres Territoriums. Im Gegenzug müssen sie allerdings gewisse Pflichten erfüllen. Dazu zählt, den Neutralitätsstatus militärisch verteidigen zu können und zu wollen (Selbstverteidigungsfähigkeit).
Das Völkerrecht verlangt, dass die Bewaffnung nicht homöopathisch sein darf, sondern in einem glaubwürdigen Verhältnis zu den Fähigkeiten allfälliger Drittparteien stehen muss. Hinzu kommt, dass ein Neutraler im Wortlaut des Abkommens nicht dulden darf, dass sein Territorium und sein Luftraum von Drittparteien für Kampfhandlungen benutzt wird. Solche Verletzungen muss der Neutrale gemäss Text des Abkommens «bestrafen» (Art. 2 und 5 des Haager Abkommens). Der Neutrale ist diesbezüglich stärker in der Pflicht als andere Staaten. Er darf nicht einfach fremde Mächte militärisch gewähren lassen. Er verletzt sonst vertragliche Verpflichtungen. Deshalb kennzeichnen drei Merkmale die schweizerische Neutralität: Sie ist selbstgewählt, immerwährend und bewaffnet.
Da das Einhalten des Völkerrechts etwas ist, wozu sich die Schweiz in der Bundesverfassung von 1999 explizit verpflichtet hat, müsste politisch von rechts bis links ein breiter Konsens bestehen, auch diese Verpflichtungen gegenüber der Internationalen Gemeinschaft einzuhalten, also eine zum Neutralitätsschutz beziehungsweise zur Verteidigung taugliche Luftwaffe (und Armee) zu unterhalten (Art. 2 Abs. 4 und Art. 5 Abs. 4 BV). Da es sonst immer die Linke ist, welche besonderen Wert auf die Einhaltung des internationalen Rechtes legt, kann man der SP in dieser Frage keinen heuchlerischen Doppelstandard durchlassen. Man darf hoffen, dass Helmut Hubacher, der «grand old man» der SPS, Gehör findet, der sich mit Überlegungen, die Bodenhaftung haben, für den Gripen aussprach (vgl. Zeit-Fragen Nr. 38/39 vom 10. September 2012).
Noch ein Wort zur Schweiz als Friedensraum: Wenn die linke Seite echt für den Frieden ist, anerkennt sie den Friedensraum Schweiz. Wenn wir dafür sorgen, dass bei uns kein Krieg möglich ist, können wir und andere von hier aus für eine vernünftigere Welt im Sinne unserer humanitären Tradition wirken. Wenn zum Beispiel Genf ein sicherer Ort für ehrlichen Dialog mit allen Staaten bleibt, ist dies ein grosser Beitrag eines kleinen Staates zum Frieden. Das betonen ausländische Gäste immer wieder. Wo verhandelt man besser als in einem Land, das Verträge schliesst und einhält, das fähig ist zum Dialog und das Recht vor Macht setzt?
Oder glaubt die Linke wirklich, dass in den berüchtigten Brüsseler Nachtmarathons oder in Washingtoner Zirkeln echte, zukunftsfähige und belastbare Resultate zustande kommen?
Auch aus Sicht der Konfliktforscher ist die Neutralität ein aktuelles Friedenskonzept, und eine ehrliche Linke kann damit keine Mühe haben. Das Gegenstück, der intervenierende Internationalismus, ist längst entlarvt als Handschuh des Imperiums. Asia­ten sagen schon lange: «Er ist ein Konzept von gestern», und seine Anhänger haben keine Zukunft. Wer daran festhalten will, muss sich erklären und bei der Friedensfrage zur Seite treten.
Wir jedenfalls wollen die Neutralitätsverpflichtungen mit der Armee und Luftwaffe erfüllen können.    •

1    ETH-Studie: Sicherheit 2012, Aussen- und Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend

Haager Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte

(Systematische Sammlung des Bundesrechtes, SR 0.515.21)

AUSZUG
I. Kapitel:
Rechte und Pflichten der neutralen Mächte

Art. 1
Das Gebiet der neutralen Mächte ist unverletzlich.

Art. 2
Es ist den Kriegführenden untersagt, Truppen oder Munitions- oder Verpflegungskolonnen durch das Gebiet einer neutralen Macht hindurchzuführen.

Art. 3
Es ist den Kriegführenden gleichermassen untersagt,
a) auf dem Gebiete einer neutralen Macht eine funkentelegrafische Station einzurichten oder sonst irgendeine Anlage, die bestimmt ist, einen Verkehr mit den kriegführenden Land- oder Seestreitmächten zu vermitteln;
b) irgendeine Einrichtung dieser Art zu benutzen, die von ihnen vor dem Kriege auf dem Gebiete der neutralen Macht zu einem ausschliesslich militärischen Zwecke hergestellt und nicht für den öffentlichen Nachrichtendienst freigegeben worden ist.

Art. 4
Auf dem Gebiet einer neutralen Macht dürfen zugunsten der Kriegführenden weder Korps von Kombattanten gebildet noch Werbestellen eröffnet werden.

Art. 5
Eine neutrale Macht darf auf ihrem Gebiete keine der in den Artikeln 2 bis 4 bezeichneten Handlungen dulden.
Sie ist nur dann verpflichtet, Handlungen, die der Neutralität zuwiderlaufen, zu bestrafen, wenn diese Handlungen auf ihrem eigenen Gebiete begangen worden sind.

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