Die französische Intervention in Mali – wie weiter?

Die französische Intervention in Mali – wie weiter?

von Prof. Dr. Albert A. Stahel, Institut für Strategische Studien, Wädenswil

Am 11. Januar hat auf Anweisung von Präsident Hollande die französische Intervention in Mali eingesetzt. Unterstützt durch 12 Kampfflugzeuge eroberte das Interventionskorps von 3700 Mann (Bodentruppen inklusive Fallschirmjäger der Fremdenlegion) schrittweise die wichtigsten Städte und Orte von Mali zurück. Nun haben die Truppen auch die Stadt Kidal im nördlichen Teil von Mali erreicht. Begleitet wurden die Franzosen durch die malische Armee, deren einziger bisher erreichter Erfolg im Töten unbewaffneter Tuareg bestand. Eine Soldateska also, die ihren Namen nicht verdient, kompensiert ihre militärische Unfähigkeit durch Racheaktionen an Wehrlosen. Hollande hat bei seinem Besuch in Timbuktu signalisiert, dass die Kontingente der westafrikanischen Staaten die Franzosen jetzt ablösen und das Land definitiv befrieden müss­ten. Welche Überlegungen dürften diesen Entscheid des französischen Präsidenten bestimmt haben, nachdem die Intervention seiner Truppen bisher erfolgreich waren? Vermutlich sind es deren drei.
Zunächst einmal sind die islamistischen Kämpfer von Ansar Dine, eine Splittergruppe von AQIM (al Quaeda in the Islamic Maghreb), dem bewaffneten Kampf mit den Franzosen ausgewichen und dürften sich in das Gebirge der Sahara (Adrar des Ilforhas) zurückgezogen haben. In diesem schwer zugänglichen Gebiet würden sie gegen die Franzosen einen Guerilla-Krieg austragen, der den Franzosen herbe Verluste einbrächte, die sie bis anhin vermeiden konnten. Einen lange andauernden Guerilla-Krieg und damit den Verlust seiner bisher durch die Intervention gewonnenen Popularität in Frankreich wird sich Hollande nicht leisten können. Einen derartigen Imageschaden will er in dieser für Frankreich schwierigen Zeit der Wirtschaftskrise nicht in Kauf nehmen.
Die zweite Überlegung berücksichtigt die bis anhin intakten Beziehungen Frankreichs zur Bevölkerungsgruppe der Tuareg und damit zu ihrer Bewegung MNLA, die vor ihrer Verdrängung durch die Islamisten für die Unabhängigkeit von Malis Norden gekämpft und diese auch beinahe erreicht hatte. Nur schon territorial ist die Zugehörigkeit des Nordens zum Kunststaat Mali ein geographisches Unding. Dazu kommt noch die ethnische Grenze, die die nördliche Bevölkerung von der südlichen trennt. Der Norden wird von den Tuareg aus der Ethnie der Berber bevölkert, die mit ihren Karawanen die Sahara seit Jahrtausenden beherrschen. Würde sich Frankreich die Tuareg zum Feind machen, wären damit auch bisherige französische Investitionen in Nordafrika gefährdet. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass Malis Soldateska zu nichts anderem fähig ist, als zum Dahinmorden Unschuldiger. Mit Banditen kann das frühere Mali kaum wiederhergestellt werden. Also ist es für Frankreich sinnvoller, sich mit den Tuareg zu arrangieren und eine Teilautonomie des Nordens von Mali in Kauf zu nehmen.
Die dritte Überlegung bezieht sich auf die Beziehungen Frankreichs zu Algerien. Die Machthaber in Algier wollen auf Grund ihrer Jahre dauernden Erfahrungen in der Bekämpfung von Islamisten ein Übergreifen des malischen Krieges auf ihr Territorium verhindern. Das erste Warnzeichen für eine solche Gefahr war die Besetzung des algerischen Gasfeldes. Die algerischen Generäle wollen eine andauernde Auseinandersetzung mit den Islamisten von AQIM und den Separatisten der Tuareg auf ihrem Territorium unter allen Umständen vermeiden. Ein solcher Konflikt könnte zu Unterbrüchen der Erdgaslieferungen nach Eu­ropa und damit zum Verlust von dringend notwendigen Einnahmen führen, mit denen die arbeitslose Jugend des Landes in Schach gehalten werden kann. Auch Frankreich, das allein schon wegen der Gaslieferungen auf die guten Beziehungen zu den algerischen Machthabern angewiesen ist, ist nicht an einer solchen Entwicklung interessiert. Ein unbelastetes Verhältnis mit Algerien hat Vorrang vor den Interessen gegenüber den militärischen Machthabern in Mali, die sich bis anhin als wenig zuverlässig erwiesen haben.
Nach der Vertreibung von Ansar Dine von ihrer Machtposition in Mali setzt Hollande auf eine Art Modus vivendi, der die guten Beziehungen Frankreichs zu Algerien aufrechterhält, den erreichten Machtgewinn in Mali für Frankreich garantiert und damit weitere Racheakte der malischen Soldateska gegen die Tuareg in Schach hält. Gleichzeitig vermeidet Hollande damit eine Gefährdung seiner in Frankreich erreichten Popularität. Allenfalls besteht die Gefahr, dass er mit seiner Entscheidung lediglich eine kleine Atempause für Frankreich erreicht haben könnte. In der Zwischenzeit dürften sich weitere Gruppen in Nordafrika aus dem nach dem Tod von Gaddafi nicht mehr kontrollierten Waffenarsenal von Libyen versorgt haben.     •

Sicherheit und Militär

Clinton gibt zu: Mali-Krise ist Folge von Umsturz in Libyen

US-Aussenministerin Hillary Clinton hat zugegeben, dass die Krise in Mali eine Folge des Umsturzes in Libyen und der Ermordung von Machthaber Muammar al-Gaddafi ist.
«Leider resultiert die Instabilität (in der Region) aus einem Umsturz, den Militärs sowie Tuareg vorgenommen hatten, die von Gaddafi im Laufe von Jahren als Söldner gedungen wurden», sagte Clinton am Mittwoch im US-Kongress. «Nach Gaddafis Entmachtung kehrten sie schwer bewaffnet und mit riesigen Munitionsvorräten nach Libyen zurück […]. Gleichzeitig richtete al-Kaida ein Lager im Norden von Mali ein.»
Clinton zufolge versuchen die USA, die Kontrolle über die Situation in Mali wiederherzustellen, was bislang fehlgeschlagen ist. «Ohne Zweifel hatten die Terroristen auch in Algerien aus Libyen geschmuggelte Waffen genutzt. Ohne Zweifel setzen auch die Extremisten in Mali libysche Waffen ein», sagte die Ministerin.
Zuvor hatten die US-Geheimdienste mehrmals erklärt, dass die jüngste Serie «arabischer Revolutionen» zum Ausufern von Terrorismus und Extremismus in Nordafrika geführt hatte.

Quelle: RIA Novosti vom 23. Januar 2013

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