km. Im deutschsprachigen Raum haben derzeit diejenigen, die sachlich und ausgewogen über die Vorgänge in der Ukraine berichten, wenig Gelegenheit, ihre Position in den Medien darzulegen. Wer die Leitmedien liest, stösst auf eine kampagnenartig und gleichgeschaltet wirkende Emotionalisierung. Und auch da, wo Verantwortliche für die Politik des «Westens» hin und wieder von der Notwendigkeit von «Kompromissen» und «Gesprächen mit Russland» reden, so zum Beispiel der Alt-Stratege Zbigniew Brzezinski auf der Sicherheitskonferenz in München, wirken solche Bekundungen nicht ganz glaubwürdig, weil die Taten und das sonst noch Gesagte doch in eine andere Richtung weisen. Eine der Ausnahmen, die noch Zugang zu westlichen und zu östlichen Medien hat, ist der deutsche Russland-Experte Alexander Rahr. Alexander Rahr ist Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums, Senior Advisor der Wintershall Holding GmbH und Mitglied des auf russische Initiative hin entstandenen internationalen Diskussionsklubs «Waldai», der sich bei alljährlichen Treffen mit der Innen- und Aussenpolitik Russlands befasst. Die folgenden beiden Texte sind Auszüge aus Interviews, die die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti und der deutsche Radiosender Deutschlandfunk mit Alexander Rahr geführt haben.
«Jeder vernünftige Mensch muss der Ukraine Stabilität, Frieden und Prosperität wünschen. Und ebenfalls wünschen, dass die Politiker eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Interessen finden, eine Einigung erzielen und diese künstlich herbeigeführte, unnötige Krise stoppen.
Janukowitsch hat nicht gegen Gesetze verstossen, wie es vor zehn Jahren bei der ukrainischen Regierung der Fall war, als es zu einer Revolution wegen Wahlmanipulationen kam. Er verweigerte bzw. hat die Unterzeichnung eines Dokuments verschoben. Er erhielt sogar dringend benötigte Kredite von Russland, die der Westen nicht bereitstellen konnte. Deswegen denke ich, dass eine zweite Revolution Nonsens wäre.
[…] Das Problem besteht auch […] darin, dass die EU derzeit nicht den Wunsch hat, sich an den Verhandlungstisch mit Russland zu setzen. Europa steht in vielerlei Hinsicht nur auf der Seite der Oppositionellen. Es will aus Janukowitsch eine Art Rechtsbrecher der ukrainischen Behörden machen. Ich denke, dass der Westen dadurch eine explosive Situation schafft. […]»
Quelle: Alexander Rahr in einem Interview mit Ria Novosti vom 24.1.2014
«Wir werden es lernen müssen, mit
Zentren wie China und Russland ganz anders zusammenzuarbeiten, weil sie stärker werden und nicht schwächer»
«Eines müssen wir uns, denke ich, jetzt anders vorstellen, als wir das in den 90er Jahren gesehen haben. Russland ist nicht eine untergehende Grossmacht, sondern ist wieder auf dem Weg nach oben, und Russland baut, ob wir das wollen oder nicht, wir können es nicht verhindern, im Osten Europas eine Eurasische Union auf, und diese Eurasische Union muss natürlich mit der Europäischen Union langfristig eine Kooperationsbasis schaffen. Ansonsten stecken wir weiter im Kalten Krieg. Ich glaube, dass beide Seiten gravierende Fehler in der Ukraine gemacht haben, die Russen mit ihrem Handelskrieg, aber auch die Europäische Union – das hat ja Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin, in ihrer Regierungserklärung gesagt – hat den Fehler gemacht, die Ukraine vor die Alternative zu stellen, entweder oder. Es muss doch irgendwie möglich sein, einem Land wie der Ukraine beide Optionen zu ermöglichen, sowohl eine Assoziierung mit der Europäischen Union als auch eine enge Zusammenarbeit mit der Eurasischen Union. […]
Die Eurasische Union kann nicht ohne die Ukraine gebildet werden. Aber im momentanen Zustand ist die Eurasische Union, die Putin und der kasachische Präsident Nasarbajew aufbauen, nicht gegen die Europäische Union per se gerichtet, sondern es ist ein Versuch, ein Integrationsmodell im Osten Europas zu schaffen, das irgendwann mal eine Freihandelszone mit der Europäischen Union unterzeichnen soll.
Wir müssen mit den Russen eine gemeinsame Lösung für die Ukraine finden. Die Russen haben genauso viel Einfluss auf die Ukraine wie der Westen, wie die Europäische Union, und deshalb muss man nach Gemeinsamkeiten suchen. […]
Der Westen ist aus meiner Sicht noch immer in der Siegerposition der 90er Jahre. Wir haben den Kalten Krieg aus unserer Sicht gewonnen und betrachten Länder wie Russland noch als gelehrige Schüler. Das hat sich geändert. Die Welt ist nicht mehr monopolar, sondern multipolar. Wir werden es lernen müssen, mit Zentren wie China und Russland ganz anders zusammenzuarbeiten, weil sie stärker werden und nicht schwächer, als wir das bisher gemacht haben.»
Quelle: Alexander Rahr in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 28.1.2014 •
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