von Thierry Meyssan
Der Wortlaut der Resolution 2254 [des Weltsicherheitsrates vom 18.12.2015] bestätigt im wesentlichen den von dem Genfer Kommuniqué, das vor drei Jahren verabschiedet wurde. Die beiden grössten militärischen Mächte der Welt erklären sich mit der Aufrechterhaltung der Arabischen Republik Syrien einverstanden, während die Imperialisten – an erster Stelle Frankreich – weiter ihren Traum verfolgen, das Regime gewaltsam zu ändern. Aber die Welt hat sich in diesen Jahren verändert, und es scheint schwierig, dieses neue Abkommen zum Scheitern zu bringen, wie man das im Jahr 2012 tat.
Die Vereinigten Staaten und die Russische Föderation haben zum zweiten Mal miteinander eine Vereinbarung gefunden, um einen Friedensplan für Syrien zu schliessen.
Der Abzug der iranischen Militärberater begann kurz vor dem Gipfel im Kreml.
Russland hat sich den Bedingungen des Genfer Kommuniqués angeglichen. Sie sehen tatsächlich vor, Teile der Opposition in eine Regierung der nationalen Einheit der Arabischen Republik Syrien zu integrieren. Um zu zeigen, dass es gegen die Terroristen kämpft, nicht aber gegen politische Gegner, auch wenn sie bewaffnet sind, hat Russland mit der freien syrischen Armee (FSA) und deren Förderer Frankreich ein Abkommen getroffen. Obwohl diese Armee vor Ort nie die Bedeutung hatte, welche die atlantischen Medien ihr gegeben haben, und sie seit Ende 2013 auch nicht mehr existiert, arbeiten nunmehr 5000 Kämpfer, die aus dem Nichts aufgetaucht sind, genauso gut mit der russischen Armee wie auch mit der Syriens zusammen gegen al-Kaida und IS; eine doch erstaunliche Inszenierung, wenn man weiss, dass der Süden für die Basis der FSA gehalten wird, sie nun aber im Norden des Landes kämpft.
Seit dem Fiasko der Konferenz in Genf vom Juni 2012 ist viel Wasser den Berg hinuntergeflossen. Gewisse Protagonisten sind ausgeschieden, und das Kräfteverhältnis hat sich umgekehrt.
Infolgedessen sind die Rollen heute getauscht. Im Jahr 2012 beabsichtigte der Kreml, sich auf das gleiche Niveau mit dem Weissen Haus zu hieven. Heute muss letzteres den Verlust seiner militärischen Dominanz durch Verhandlungen auf politischer Ebene wettmachen.
Als Zeichen der Zeit hat die Rand Corporation, ein symbolträchtiger Think tank des militärisch-industriellen Komplexes, soeben ihren Friedensplan für Syrien veröffentlicht. Diese mächtige Denkfabrik hatte schon im Oktober 2014 das US-amerikanische Establishment schockiert, als sie beteuerte, dass der Sieg von Präsident al-Assad das beste Ergebnis für Washington wäre.18 Sie schlägt jetzt einen Waffenstillstand vor, der die Beteiligung von Vertretern der Opposition und der Kurden in der künftigen Regierung der nationalen Einheit rechtfertigen würde.19
Der Widerstand gegen die Politik von Barack Obama ist dennoch nicht zu Ende. So wirft ihm die «Washington Post» vor, in der Frage des Regime change in Syrien gegenüber Russland kapituliert zu haben.20
Im Jahr 2012 konnte man den Widerstand des Petraeus-Clinton-Clans gegen den Frieden noch als Wunsch interpretieren, das Maximum aus der militärischen Überlegenheit der USA herauszuholen. Aber mit der Entwicklung der neuen russischen Waffen ergibt dies keinen Sinn mehr. Daher ist die einzig mögliche Interpretation das Wagnis, unverzüglich eine globale Konfrontation zu provozieren, in der Hoffnung, dass der Westen sie vielleicht noch gewinnen könnte. Darauf könnten sie keineswegs mehr setzen, wenn auch China fähig wird, seine Armee antreten zu lassen.
Wie während der Genfer Konferenz intervenierte Frankreich, sobald die Resolution 2254 verabschiedet war. Sein Aussenminister, Laurent Fabius, erklärte wieder einmal, wenn alle Oppositionsgruppen in Syrien an der Übergangsregierung teilnehmen könnten, müsste allein Präsident al-Assad ausgeschlossen werden; eine Idee, die gegen die Prinzipien des Genfer Kommuniqués und der Resolution 2254 verstösst.
Wenn man im Jahr 2012 die französische Position als den Willen, die Regierung der Baath-Partei durch die Muslimbrüder zu ersetzen, interpretieren konnte, als kontinuierlichen Weg des Sturzes der weltlichen arabischen Regimes («arabischer Frühling»); oder als Versuch, «die syrische Armee auszubluten», um die regionale Dominanz Israels zu erleichtern; oder ganz einfach als Absicht zur Rekolonialisierung; heute ist dies nicht mehr möglich, weil jedes dieser drei Ziele Krieg gegen Russland bedeuten würde.
Frankreich instrumentalisiert die syrische Frage im Auftrag der US-amerikanischen liberalen Falken und der Neokonservativen. Dabei wird es durch messianische Zionisten unterstützt, die es für ihre religiöse Pflicht halten, die Ankunft des Messias zu beschleunigen, indem sie die eschatologische Konfrontation provozieren.
Es wäre schon sehr erstaunlich, wenn es diesen Gruppierungen gelingen würde, ihre Politik den beiden Grossmächten aufzudrängen. Allerdings wird es schwierig sein, vor Januar 2017 und dem Eintreffen eines neuen Präsidenten im Weissen Haus ein definitives Resultat zu erreichen. Deshalb versteht man besser, dass Wladimir Putin seine Unterstützung für Donald Trump bekanntgegeben hat, weil er der Beste zu sein scheint, um seiner Freundin Hillary Clinton den Weg zur Spitze zu versperren.21
In Wirklichkeit ist alles bereit, um einen Frieden zu schliessen, der den Verlierern erlaubt, das Gesicht zu wahren.
1 «Communiqué final du Groupe d’action pour la Syrie», Réseau Voltaire, 30. Juni 2012
2 «Werden sich Obama und Putin den Nahen Osten teilen?», von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Odnako (Russland), Réseau Voltaire, 22. Februar 2013
3 «Discours de François Hollande à la 3ème réunion du Groupe des amis du peuple syrien», von François Hollande, Réseau Voltaire, 6. Juli 2012
4 «Der Westen und die Verherrlichung des Terrorismus», von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Neue Rheinische Zeitung (Deutschland), Réseau Voltaire, 5. August 2012
5 «Press meeting by Sergey Lavrov and John Kerry», von John F. Kerry, Sergey Lavrov, Réseau Voltaire, 15. Dezember 2015
6 «Resolution 2253 (Finanzierung von Terrorgruppen)», Réseau Voltaire, 17. Dezember 2015
7 «Resolution 2254 (Friedensplan für Syrien)», Réseau Voltaire, 18. Dezember 2015
8 «Zwei Stachel in Obamas Fuss», von Thierry Meyssan, Übersetzung Sabine, Réseau Voltaire,
31. August 2015
9 «L’émir de Qatar contraint par Washington de céder son trône», «L’ex-Premier ministre du Qatar écarté du Fonds souverain», Réseau Voltaire, 13. Juni und 3. Juli 2013
10 «Emir von Katar durch Washington gezwungen, seinen Thron abzutreten», Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 13. Juni 2013; «Geheimer Krieg zwischen Katar und Saudi-Arabien», Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 18. März 2014
11 «Was Sie nicht von den US-Iranischen Abkommen wissen», von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 6. April 2015
12 «Was wird aus dem Nahen Osten nach dem Abkommen zwischen Washington und Teheran?», von Thierry Meyssan, Übersetzung Sabine, Réseau Voltaire, 18. Mai 2015
13 «Syrien: Obama missbilligt General Allen und Präsident Erdogan», Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 29. Juli 2015; «Washington verbietet Ankara, die Kurden in Syrien anzugreifen», Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 15. August 2015; «Reibung zwischen dem Pentagon und seinem türkischen Verbündeten», Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 16. August 2015; «Die Nato weigert sich, in den geheimen Russisch-Türkischen Krieg einzugreifen», Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 13. Oktober 2015
14 «Ukraine und Türkei schaffen eine islamische internationale Brigade gegen Russland», von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 5. Oktober 2015
15 «The Geopolitics of American Global Decline», von Alfred McCoy, Tom Dispatch (USA), Réseau Voltaire, 22. Juni 2015
16 «Juni 2012: Russland manifestiert seine interkontinentale nukleare ballistische Überlegenheit», Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 14. Juni 2012; «Russische Warnschüsse», von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 20. Juni 2012
17 «Die russische Armee zeigt ihre Überlegenheit in konventioneller Kriegsführung», von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Réseau Voltaire, 19. Oktober 2015
18 «Umwälzung der US-Interessen in der Levante», von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 9. Februar 2015
19 «A Peace Plan for Syria», James Dobbins, Philip Gordon & Jeffrey Martini, Rand Corporation, 17. Dezember 2015
20 «On regime change in Syria, the White House capitulates to Russia», Editorial board, The Washington Post, 17. Dezember 2015
21 «Wladimir Putin’s annual news conference» von Wladimir Putin, Réseau Voltaire, 17. Dezember 2015
Quelle: <link http: www.voltairenet.org article189697.html>www.voltairenet.org/article189697.html vom 21.12.2015
(Übersetzung Horst Frohlich/Zeit-Fragen)
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