Die deutsche Bundesregierung opfert durch TTIP die Landwirtschaft den Industrieinteressen

Die deutsche Bundesregierung opfert durch TTIP die Landwirtschaft den Industrieinteressen

von Prof. Dr. Eberhard Hamer

In den letzten Jahrzehnten hat die deutsche Landwirtschaft ihre grösste Blütezeit gehabt, sehr viel verdient, so dass sie nicht nur sehr viel investieren konnte, sondern auch die Landpreise sich in den letzten 10 Jahren verfünffacht und die Pachten verdreifacht haben. Es gibt sogar internationale Agrarfonds, welche der Geldvermehrung und Geldentwertung dadurch entkommen wollen, dass sie in Land und Forst investieren, weil sie sich damit nicht nur in Sachwerten sicher fühlen, sondern auch an weitere Preissteigerungen glauben.

Tatsächlich steht aber die Landwirtschaft aus Gründen der internationalen, europäischen und nationalen Politik vor dramatischen Umwälzungen, die sich zunächst am Milch- und Schweinemarkt zeigen.

Bisher haben die Milchbauern wegen der Milchquote in einem «geordneten Markt» gut verdient. Weil aber die Kosten um so günstiger wurden, je mehr Kühe man aufstallte, stieg bei gesichertem Absatz die Zahl der Grossviehställe und der in ihnen gehaltenen Kühe und dadurch die Produktion ständig an. Mit dem plötzlichen Ende der Milchquote drängte die Überproduktion ungehemmt auf den Markt und verdarb dort die von den Verbrauchermärkten erpressten Preise, so dass die Milchbauern heute bei Absatzpreisen von etwa 20 Cent und Gestehungskosten von 35 bis 40 Cent täglich Verluste machen.

Ein Milchplatz kostete pro Kuh etwa 10 000 Euro, ein Grossstall mit 400 Plätzen und Kühen also etwa 4 Millionen Euro. Wenn zu diesen Schulden die tägliche Produktion weitere Schulden verursacht, fallen die Betriebe mit den meisten Schulden zuerst in Insolvenz. Die Situation ist für die gesamte Milchwirtschaft alarmierend. Das Betriebssterben hat bereits begonnen. Geschieht nichts, werden mittelfristig 25 bis 30 % des Milchmarktes vernichtet werden.

Beim Schweinemarkt kennen wir den «Schweinezyklus», die überproportionale Vermehrung des Schweinebestandes bei guten Preisen, so dass durch die Überproduktion die Preise wieder zusammenfallen und nicht nur Grenzbetriebe ausscheiden, sondern auch die anderen wieder ihren Bestand reduzieren. Der Schweinemarkt ist zurzeit ebenfalls in der Korrektur und der Krise, weil die Preise der Erzeuger unter den Gestehungskosten liegen.

Warum greift die Bundesregierung nicht ein?

  1. In der Nachkriegszeit hatten alle Regierungen und auch die EU-Kommission für die Landwirtschaft das Selbstversorgungsziel. Deutschland sollte so viel landwirtschaftliche Produktion aufrechterhalten, dass es seine Bevölkerung selbst ernähren könne. Dieses Prinzip wurde mit der Europäischen Union auf Europa ausgeweitet, ist aber inzwischen auf Druck der USA aufgegeben, weil diese den Export von Agrarprodukten brauchen und in der EU darauf drängen, ihre billigeren – zum Teil genverseuchten – Agrarprodukte frei nach Eu-ropa exportieren zu können.
  2. Für den Milch- und Schweinemarkt hat der Ostexport nach Russland eine grosse Rolle gespielt. Auf Druck der USA hat aber die Bundesregierung den Sanktionen gegen Russland zugestimmt, welche auch den Milchmarkt betrafen und einen wesentlichen Exportanteil plötzlich abschnitten. Die Politik hat also die Absatzmöglichkeiten der deutschen Milchwirtschaft politisch reduziert, ohne dafür Ausgleich zu leisten.
  3. Mit TTIP soll nach dem Willen der Bundesregierung das Tor für alle landwirtschaftlichen Produkte der USA vollends geöffnet werden. So würden sich also die Agrarüberschüsse der USA ungehemmt nach Europa ergiessen, Preise, zum Beispiel auch für Korn, abstürzen lassen und den Getreideproduzenten die gleiche Krise bescheren, welche die Milchbauern und Schweinebauern bereits haben.
    Die USA haben offen erklärt, dass die Getreideexporte nach Europa als Gegenleistung für den Import europäischer Autos verlangt würden, und die Industrie drängt deshalb auf TTIP und darauf, dass die Landwirtschaft zugunsten der Industrievorteile geopfert wird. Merkel ist hierzu bereit. Der eigentlich zur Verteidigung der Landwirtschaft berufene Landwirtschaftsminister taucht ab. Wir werden also nach bisherigen Untertänigkeitserfahrungen mit den USA damit rechnen müssen, dass die Politik die deutsche Landwirtschaft den US- und Industrie-interessen opfert – sie verrät.
  4. Die USA sind überschuldet und planen, den Dollar im Aussenwert abzuwerten. Das würde nicht nur ihre Schulden mindern (allerdings auch ihre Gläubiger betrügen), sondern auch wieder verbesserte Exportchancen schaffen. Kommt ein TTIP-Freihandel mit billigem Dollar zusammen, wird die Flut billigen US-Getreides für die deutsche Landwirtschaft um so vernichtender.
  5. Dass eine Änderung der politischen Grundhaltung zur Landwirtschaft über eine Öffnung der internationalen Märkte zu Krisen in der Landwirtschaft führt, ist nicht erstmalig, sondern war bereits 1890 und um 1920 der Fall. Nach 1890 sind Hunderttausende von Landwirten nur durch diese politischen Änderungen ohne eigenes Verschulden insolvent und zu Bettlern geworden. Anfang der zwanziger Jahre sind ebenfalls wegen des billigen amerikanischen Weizens mehr als 10 000 Güter durch Konkurs ihrer Besitzer verloren gegangen. Auch jetzt droht wieder Gefahr, dass nach den Milch- und Schweinebauern auch schliesslich viele Kornbauern einen politisch von den USA erpressten Preisverfall in Europa mit ihrer Existenz bezahlen.
    Wie 1890 und 1920 wird sich dann die Spirale nach unten gnadenlos fortsetzen: Erst verfallen die Milch-, Schweine- und Kornpreise, dann werden die Betriebe überschuldet, dann werden ihre Stallungen wertlos, weil niemand sie mehr haben will, dann verfallen auch ihre Äcker im Preis, so dass die Banken Nachsicherung verlangen und Insolvenz erzwingen. Am Ende werden wieder 20 bis 30 % der Betriebe – und landwirtschaftlicher Existenzen – vernichtet und auch alle anderen ärmer sein.
    Die Blütezeit der Landwirtschaft könnte mit TTIP zu Ende gehen. Der Politik ist aber der Export zum Beispiel der Industriekonzerne wichtiger als die Existenz der Landwirtschaft, zumal die meisten DAX-Konzerne zu über 70 % in ausländischem Eigentum stehen.

Was aber jetzt bei dieser Krise an landwirtschaftlicher Kapazität vernichtet wird, dürfte auch langfristig nicht wiederkommen. Die USA haben allein 50 Millionen Hektar Landwirtschaftsfläche in Biospritproduktion, die sie jederzeit und gerne bei Exportchancen in Kornproduktion umwandeln könnten. Und die Kornböden der Ukraine sind ebenfalls bereits mehrheitlich in der Hand der US-Konzerne (Dreyfus und andere), so dass auch von dieser Seite der europäische Markt mit genverseuchter US-Produktion überschwemmt werden soll.

Die Aufgabe des Selbstversorgungsprinzips und die Opferung unserer einheimischen Landwirtschaft durch TTIP zugunsten amerikanischer Konzerne wäre also nicht nur ein vorübergehendes Politikversagen, sondern ein Dauerschaden, der unserer Versorgung schon in der kommenden Weltwirtschaftskrise Existenzprobleme bescheren wird.                                                        •

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