Präsident Trump sollte die Eskalation in Syrien überdenken

Präsident Trump sollte die Eskalation in Syrien überdenken

Ein Memorandum der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS)

Mehr als zwei Dutzend ehemalige Mitarbeiter von US-Geheimdiensten (VIPS) drängen den US-Präsidenten Trump, seinen Vorwurf, die syrische Regierung habe in Idlib Giftgas eingesetzt, zu überdenken und von einer gefährlichen Eskalation der Spannungen mit Russland abzusehen.

1.    Wir schreiben Ihnen, um Sie eindringlich vor einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Russland zu warnen, weil diese zu einem Atomkrieg eskalieren könnte. Nach dem Marschflugkörperangriff, den Sie als Vergeltung für den angeblichen «Giftgasangriff» angeordnet haben, der am 4. April im Süden der Provinz Idlib auf Zivilisten erfolgt sein soll, ist diese Gefahr gewachsen.
2.    Unsere Kontaktpersonen in der US-Armee, die sich in dieser Gegend aufhalten, haben uns berichtet, dass Ihre Annahme nicht zutrifft. Es gab keinen «Giftgasangriff» der syrischen Armee. Tatsächlich hat ein syrisches Flugzeug ein Munitionsdepot der «al-Kaida in Syrien» bombardiert, in dem Giftgasgranaten gelagert waren, und ein starker Wind hat dabei freigesetzte Giftgasschwaden in ein nahegelegenes Dorf geweht, in dem deshalb viele Bewohner starben.
3.    Weil das auch die Russen und die Syrer bestätigt haben – was wichtig ist –, dürfte es wirklich so gewesen sein.
4.    Deshalb müssen wir annehmen, dass unsere Generäle aus dem Weissen Haus angewiesen wurden, was sie zu sagen hatten.
5.    Weil Putin den syrischen Präsidenten Assad 2013 dazu brachte, seine Chemiewaffen auszuliefern, konnte die US-Armee in sechs Wochen insgesamt 600 Tonnen syrische Giftgasgranaten unschädlich machen. Die UN-Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) hatte damals sicherzustellen, dass alle syrischen Chemiewaffen zerstört wurden. Sie hatte das gleiche Mandat wie die UN-Inspektoren, die nicht existierende irakische Massenvernichtungswaffen aufspüren sollten, aber keine fanden. Sie haben das wahrheitsgemäss berichtet, aber Rumsfeld und seine Generäle haben trotzdem gelogen; und das scheint jetzt wieder der Fall zu sein. Weil die Folgen heute aber viel unkalkulierbarer wären, sollten wir den Angaben der russischen Führung vertrauen.
6.    Nachdem Putin Assad dazu überredet hatte, seine Chemiewaffen abzuliefern, und damit Obama die Möglichkeit verschaffte, nicht auf seiner «roten Linie» beharren und in Syrien einmarschieren zu müssen, schrieb der russische Präsident im September 2013 in einer Kolumne für die «New York Times»: «Meine Zusammenarbeit mit und meine persönlichen Beziehungen zu Präsident Obama sind von wachsendem Vertrauen geprägt. Ich schätze das sehr.»

Ein jähes Ende der Entspannungspolitik?

7.    Rund 3½ Jahre später, am 4. April 2017, beklagte der russische Ministerpräsident Medwedew das inzwischen entstandene «absolute Misstrauen», das schlimm für die völlig zerrütteten Beziehungen [zwischen den USA und Russland] sei und nur den Terroristen nütze. Er fügte hinzu: «Das ist aus unserer Sicht nicht nur traurig, sondern völlig unnötig und sehr gefährlich.»
8.    Durch die gerade von Moskau aufgekündigten gegenseitigen Informationen über Luftangriffe auf Ziele in Syrien wurde die Zeit um sechs Monate auf den Herbst letzten Jahres zurückgedreht. Damals hatte man nach elf Monaten schwieriger Verhandlungen endlich eine Waffenruhe vereinbaren können. Das Vertrauen war bereits angeschlagen, weil die US-Luftwaffe am 17. September 2016 Angriffe auf die syrische Armee geflogen, dabei 70 Menschen getötet und weitere 100 verwundet und damit die Waffenruhe gebrochen hatte, die nur eine Woche vorher von Obama und Putin gebilligt worden war.
9.    Am 26. September 2016 stellte der russische Aussenminister Lawrow fest: «Mein guter Freund John Kerry […] wird heftig von der US-Militärmaschinerie kritisiert, […] anscheinend gehorcht das US-Militär seinem Oberbefehlshaber nicht mehr.» Lawrow kritisierte auch, dass sich Joseph Dunford, der Chef des US-Generalstabes, gegen den Austausch von Geheimdienstinformationen über Syrien aussprach, obwohl das in dem auf Anordnung Obamas und Putins vereinbarten Abkommen über eine Waffenruhe vorgesehen war. Lawrow bemängelte, dass es schwierig sei, mit derart unzuverlässigen Partnern zusammenzuarbeiten.
10.    Am 1. Oktober 2016 sprach Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, folgende Warnung aus: «Wenn die USA einen direkten Angriff auf Damaskus und die syrische Armee starten, hätte das eine schreckliche, tektonische Verwerfung nicht nur in Syrien, sondern in der gesamten Region zur Folge.»
11.    Am 6. Oktober 2016 hat Generalmajor Igor Konaschenkow, der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, gedroht, Russland sei darauf vorbereitet, alle nicht identifizierten Flugzeuge über Syrien – auch dort geortete US-Tarnkappenbomber – ohne lange Identifizierungsbemühungen abzuschiessen.
12.    Am 27. Oktober 2016 beklagte sich Putin öffentlich: «Meine Vereinbarungen mit dem Präsidenten der USA haben keinerlei Ergebnisse gebracht. In Washington gibt es offensichtlich Leute, die alles Erdenkliche tun, um die praktische Umsetzung dieser Vereinbarungen zu verhindern.» Auf Syrien Bezug nehmend, bedauerte Putin, dass nach so langen Verhandlungen, enormen Anstrengungen und schwierigen Kompromissen noch keine gemeinsame Front gegen den Terrorismus errichtet werden konnte.
13.    Deshalb sind die Beziehungen zwischen den USA und Russland unnötigerweise in einem katastrophalen Zustand: «Wachsendes Vertrauen» hat sich in «absolutes Misstrauen» verwandelt. Die gefährlichen Spannungen werden natürlich von vielen begrüsst, weil sie zugegebenermassen sehr vorteilhaft für die Rüstungsindustrie sind.
14.    Wir glauben, dass es von herausragender Bedeutung ist, eine völlige Zerrüttung der Beziehungen zu Russland zu verhindern. Der in dieser Woche stattfindende Besuch des US-Aussenministers Tillerson in Moskau bietet die Gelegenheit, die Spannungen abzubauen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass keine Verbesserung eintritt, vor allem, wenn Tillerson nicht mit den oben geschilderten Vorgängen vertraut ist.
15.    Es ist an der Zeit, mit Russland nur noch auf der Grundlage von Fakten und nicht mehr unter Berufung auf «dubiose Beweise aus sozialen Medien» zu verhandeln. Andere meinen, in dieser angespannten Situation sei ein Gipfeltreffen [zwischen Trump und Putin] wenig hilfreich. Im Gegensatz dazu halten wir ein solches Treffen für dringend erforderlich. Als Präsident könnten Sie Ihren Aussenminister Tillerson damit beauftragen, ein baldiges Gipfeltreffen mit Putin zu vereinbaren.

Eine Liste der Veröffentlichungen der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) ist unter <link https: consortiumnews.com vips-memos external-link seite:>consortiumnews.com/vips-memos/ aufzurufen. Die VIPS wurden im Januar 2003 von einigen ehemaligen CIA-Mitarbeitern gegründet, weil Dick Cheney und Donald Rumsfeld unseren aktiven Kollegen befohlen hatten, geheimdienstliche Erkenntnisse zu fälschen, um einen unnötigen Krieg gegen den Irak «zu rechtfertigen». Damals haben wir noch angenommen, dass Präsident George W. Bush nichts von den Fälschungen wusste. Unser erstes Memorandum an einen US-Präsidenten haben wir am Nachmittag des 5. Februar 2003 nach Colin Powells mit Unwahrheiten gespickter Rede vor den Vereinten Nationen veröffentlicht. Unser Memorandum an Präsident Bush schloss mit den Worten: «Niemand hat ein Monopol auf die Wahrheit; auch wir geben uns nicht der Illusion hin, unsere Analyse sei ‹unwiderlegbar› oder ‹unbestreitbar› – was Colin Powell von seinen gegen Saddam Hussein vorgebrachten Anschuldigungen behauptet hat. Nachdem wir heute ­Powells Rede im Fernsehen verfolgt haben, meinen wir, Sie seien gut beraten, wenn Sie die Diskussion über den Kreis der Kriegsbefürworter hinaus erweitern würden; wir können keinen zwingenden Grund für einen Krieg erkennen, dessen nicht einzuschätzende Folgen wir für katastrophal halten.»
Voller Respekt möchten wir Ihnen, Herr Präsident Trump, den gleichen Rat geben.

Für den Lenkungsausschuss der Veteran Intelligence Professionals for Sanity:
Eugene D. Betit, Intelligence Analyst, DIA, Soviet FAO, (US Army, ret.)
William Binney, Technical Director, NSA; co-founder, SIGINT Automation Research Center (ret.)
Marshall Carter-Tripp, Foreign Service Officer and former Office Director in the State Department Bureau of Intelligence and Research, (ret.)
Thomas Drake, Senior Executive Service, NSA (former)
Bogdan Dzakovic, Former Teamcurity, (ret.) (associate VIPS)
Robert Furukawa, Capt, CEC, USN-R, (ret.)
Philip Giraldi, CIA, Operations Officer (ret.)
Mike Gravel, former Adjutant, top secret control officer, Communications Intelligence Service; special agent of the Counter Intelligence Corps and former United States Senator
Matthew Hoh, former Capt., USMC, Iraq and Foreign Service Officer, Afghanistan (associate VIPS)
Larry C. Johnson, CIA & State Department (ret.)
Michael S. Kearns, Captain, USAF (Ret.); ex-Master SERE Instructor for Strategic Reconnaissance Operations (NSA/DIA) and Special Mission Units (JSOC)
John Brady Kiesling, Foreign Service Officer (ret.)
John Kiriakou, former CIA analyst and counterterrorism officer, and former senior investigator, Senate Foreign Relations Committee
Linda Lewis, WMD preparedness policy analyst, USDA (ret.) (associate VIPS)
Lisa Ling, TSgt USAF (ret.) (associate VIPS)
Edward Loomis, NSA, Cryptologic Computer Scientist (ret.)
David MacMichael, National Intelligence Council (ret.)
Ray McGovern, former US Army infantry/intelligence officer & CIA analyst (ret.)
Elizabeth Murray, Deputy National Intelligence Officer for Near East, CIA and National Intelligence Council (ret.)
Torin Nelson, former Intelligence Officer/Interrogator, Department of the Army
Todd E. Pierce, MAJ, US Army Judge Advocate (ret.)
Coleen Rowley, FBI Special Agent and former Minneapolis Division Legal Counsel (ret.)
Scott Ritter, former MAJ., USMC, and former UN Weapon Inspector, Iraq
Peter Van Buren, U.S. Department of State, Foreign Service Officer (ret.) (associate VIPS)
Kirk Wiebe, former Senior Analyst, SIGINT Automation Research Center, NSA
Sarah G. Wilton, Commander, US Naval Reserve (ret.), DIA (ret.)
Robert Wing, former Foreign Service Officer (associate VIPS)
Ann Wright, U.S. Army Reserve Colonel (ret.) and former U.S. Diplomat

Quelle: <link https: consortiumnews.com trump-should-rethink-syria-escalation external-link seite:>consortiumnews.com/2017/04/11/trump-should-rethink-syria-escalation/  vom 11.4.2017; deutsche Übersetzung: <link http: www.luftpost-kl.de luftpost-archiv lp_16 lp06017_170417.pdf>www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP06017_170417.pdf  vom 17.4.2017

zf. Die Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) sind ein landesweiter US-amerikanischer Zusammenschluss. Er besteht hauptsächlich aus ehemaligen Geheimdienstoffizieren aus dem analytischen und operativen Bereich der CIA.
Die Gruppe hat eine lange Geschichte und seit ihrer Gründung viele neue Mitglieder bekommen. Im Jahr 2003 war sie aktiv gegen den Irak-Krieg, und ihre Mitglieder haben unentwegt publiziert. Sie sind Ex-Geheimdienstoffiziere aus allen Bereichen, mit weitreichenden Insider-Kontakten unter ihresgleichen.

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