Rund um das aufwendige Hamburger G 20-Treffen hat es viele Berichte und Kommentare gegeben. Ob dieses Treffen wirklich der Rede wert war, wird sich erst noch zeigen.
Die Frage ist berechtigt, ob der riesige Aufwand für solch ein Treffen lohnt. Die Vertreter der Staaten und der EU werden von rund 10 000 Zuarbeitern begleitet, die alle bewegt, untergebracht und versorgt werden müssen. Sicher kann es sinnvoll sein, wenn führende Politiker miteinander sprechen. Aber solch ein Satz ist zugleich doch recht abstrakt; denn miteinander sprechen ist noch lange kein Garant für einen gleichberechtigten Dialog und für Ergebnisse im Sinne des Gemeinwohls. Im Jahr 2009 – noch mitten in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise – hatte der damalige Präsident der Uno-Generalversammlung und vor wenigen Wochen leider verstorbene Miguel d’Escoto Brockmann gemeinsam mit dem ehemaligen Chef-Ökonomen der Weltbank und Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz die Vertreter von 192 Uno-Staaten (Brockmann sprach damals von den G 192) nach New York in die Uno-Gebäude eingeladen und – nicht zu Unrecht – den G 20-Treffen die Legitimation abgesprochen, stellvertretend für alle Staaten und Völker die Weltprobleme besprechen zu wollen und dabei für die Weltgemeinschaft insgesamt folgenreiche Beschlüsse zu fassen. Die damalige Kritik ist ein Stück weit Allgemeingut geworden – mittlerweile wurde sie selbst von der «Neuen Zürcher Zeitung» aufgegriffen, so im Leitartikel vom 8. Juli 2017.
Sehr zu hoffen ist vor allem, dass das ausführliche Gespräch des US-amerikanischen mit dem russischen Präsidenten Früchte der Entspannung und des Friedens tragen wird. Willy Wimmer, ehemaliger Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium, meint, von eigentlicher Bedeutung beim G-20-Treffen sei «eigentlich nur das Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Putin und dem amerikanischen Präsidenten Trump» gewesen. Um so grotesker ist es, dass so viele westliche Medienkommentare über dieses Treffen mehr mit Argwohn und Kritik als mit Erleichterung und Hoffnung geschrieben haben. Entspannung und Frieden haben offensichtlich nicht für alle Priorität. Wir hoffen hingegen, dass nicht diese Kräfte die Oberhand behalten. Übrigens: Wieso soll es ein politisches Verbrechen sein, wenn der Sohn eines Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf versucht hat, auch in anderen Ländern verwertbare Informationen über die Gegenkandidatin zu erhalten? Eigentlich müsste doch jeder ein Interesse daran haben, dass alle Tatsachen über US-Präsidentschaftskandidaten auf den Tisch kommen – selbst wenn die Informationen darüber aus Russland kämen.
Viele Fragen gibt es beim Blick auf die gewalttätigen Ausschreitungen während des Gipfels. Wie zum Beispiel ist es zu verstehen, wenn Willy Wimmer hierzu schreibt: «Und die ganzen chaotischen Verhältnisse, wie wir sie in Hamburg gesehen haben, die fast bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, schienen irgendwie zu dokumentieren, was in den Vereinigten Staaten alles unternommen worden ist, um es nicht zu diesem Treffen zwischen den beiden Präsidenten [Putin und Trump] kommen zu lassen.» Und dann weiterüberlegt: «Man muss sich natürlich fragen, ob unsere Innenminister blind sind, denn das, was wir als Bürger in Hamburg erlebt haben, machte ja deutlich, dass offensichtlich aus ganz Europa Bürgerkriegsverbände zusammengezogen worden sind, um in Hamburg die Stadt in Schutt und Asche zu legen, wenigstens in einigen Stadtbezirken. Und wenn man vor diesem Hintergrund sich vergegenwärtigt, welchen gewaltigen Kontrollapparat wir inzwischen in Westeuropa haben, was alles unternommen wird, um die Bürger auszuforschen, zu bespitzeln und unter Druck zu setzen, dann muss man sich natürlich fragen, wozu alle diese technischen und politischen Möglichkeiten gut sind, wenn sich völlig ungehindert Tausende, um nicht zu sagen Zehntausende von Bürgerkriegsrandalierern in Europa auf den Weg nach Hamburg machen können.»
Das macht nachdenklich. Mittlerweile nachgewiesen ist ja, dass die Nato-Staaten terroristische Netzwerke aufgebaut und für ihre Zwecke instrumentalisiert haben. Der Preis, den die Welt dafür zahlen musste und noch immer zahlt, war und ist hoch – und hin und wieder denkt man auch an Goethes berühmte Ballade vom «Zauberlehrling»: «Herr, die Not ist gross! Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.»
Tatsache ist, dass deutsche Politiker und der deutsche Staat vieles im «Kampf gegen Rechts» aufgeboten haben. Nur zwei Hinweise an dieser Stelle. Im Mai und Juli 2015 gab es zwei parlamentarische Anfragen im Landtag von Thüringen (Anfrage 304 vom 8. Mai 2015 und Anfrage 370 vom 7. Juli 2015), die zum Gegenstand hatten, ob die Landesregierung im Rahmen ihres Programms «Für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit» Fahrkostenzuschüsse für Gegendemonstrationen «bei rechten Aufmärschen» (gemeint damit waren zum Beispiel die allwöchentlichen PEGIDA-Kundgebungen in Dresden) geleistet habe. Die Landesregierung hat ihre Geldzuwendungen (in der Antwort beläuft sich die Summe von 2012 bis zum Zeitpunkt der Anfragen auf mehr als 40 000 Euro) zugegeben, ist aber der Frage, ob ihr bekannt sei, dass «Teilnehmer der geförderten Fahrten bei Gegendemonstrationen gewalttätig wurden oder Landfriedensbruch begingen», mit der Antwort «Nein» ausgewichen. Nun, die Gewalttätigkeiten und den Landfriedensbruch aus den Reihen der Gegendemonstrationen hat es tatsächlich gegeben.
Am 7. Juli 2017 interviewte die Blog-Seite www.tichyseinblick.de den Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, über den Umgang des deutschen Staates mit dem Linksextremismus. Hubertus Knabe wurde auch gefragt, wer den Linksextremismus finanziere. Die Antwort war: «Es gibt vor allem einen Bereich, in dem der Staat politische Aktivitäten fördert – das ist der Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Bürger sollen sich engagieren, um Rechtsextremisten zu isolieren und ihre Argumente kritisch zu hinterfragen. Allerdings gibt es immer wieder Berichte, dass diese Gelder des Bundesfamilienministeriums auch an Gruppierungen fliessen, die mit der Demokratie nichts am Hut haben, sondern die selbst extremistisch orientiert sind. […] Die frühere Familienministerin Kristina Schröder hatte es deshalb den Zuwendungsempfängern zur Auflage gemacht, zu erklären, dass sie das Geld nicht an Organisation weitergeben, die selbst extremistisch sind. Diese sogenannte Extremismusklausel wurde von ihrer Nachfolgerin Manuela Schwesig aber wieder ausser Kraft gesetzt. Das ist, glaube ich, keine kluge Entscheidung gewesen. […] Dass jetzt auch Gruppierungen empfangsberechtigt sind, die nicht die Gewähr bieten, nicht extremistisch zu sein. Dadurch können Personen subventioniert werden, die nicht für die parlamentarische Demokratie sind, sondern sie bekämpfen.»
Übrigens: Eine Internetseite, auf der sich der «Schwarze Block» selbst vorstellt, heisst «buendnis-gegen-rechts». Dort heisst es vollmundig: «Unsere Aktionen sind gezielt gegen die VertreterInnen des kapitalistischen und sexistischen Systems, gegen den Staat und die FaschistInnen gerichtet – sie sind also keineswegs blindwütig. Unsere ‹Gewalt› hat meist nur symbolischen Charakter […] und ist – ausser im Selbstverteidigungsfall – nur gegen Infrastrukturen des Kapitals und der FaschistInnen gerichtet. Natürlich nehmen wir uns aber das Recht, unsere Aktionen und Freiräume gegen Angriffe des Staates und anderer zu verteidigen.»
Die Bürger Hamburgs haben erlebt, wie das zu verstehen ist.
Das ist eine offene Absage an Rechtsstaat und Demokratie. Mit Parolen der Antifa gerieren sich diese Kreise als ideologisch legitimiert, mit Gewalt gegen andere Bürger vorzugehen und sie einzuschüchtern. Hatten wir das nicht schon einmal? Man erinnere sich an Rudolf Bahros Prophezeiung: «Der nächste Adolf wird ein grüner Adolf sein.»
PS: Manchmal muss man innehalten. Wer wird nicht alles der Machtpolitik wegen instrumentalisiert? In dem einen Land sind es vielleicht Antifa und «Schwarzer Block» – in einem anderen Land wie der Ukraine waren und sind es Kräfte mit ganz offen faschistischer Ideologie. •
km. Am 14. Juli 2017 berichteten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten, die Präsidenten der USA und Frankreichs hätten bei einer Pressekonferenz in Paris klargemacht, dass es mit Russland zwar Meinungsverschiedenheiten in mehreren Bereichen gebe, dass eine Zusammenarbeit mit Russland in vielen Bereichen aber unerlässlich sei. Konkret beziehe sich die Annäherung vor allem auf Syrien. Beide Präsidenten wollen mit Russland zusammenarbeiten, um den Krieg zu beenden. Der Schwerpunkt müsse auf der Bekämpfung von Terroristen-Gruppen liegen. Macron, so heisst es weiter, habe wiederholt, dass es im Hinblick auf den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad eine veränderte Strategie Frankreichs gebe. Paris arbeite nicht mehr auf einen Sturz Assads hin, sondern werde Vertreter der syrischen Regierung wie auch Vertreter der Opposition in einen politischen Plan für die Zeit nach dem Krieg einbeziehen.
US-Präsident Trump habe auf seine Vereinbarung mit Putin in Hamburg verwiesen und erklärt, die im Südwesten erreichte und seit fünf Tagen haltende Waffenruhe sei ein grosser Fortschritt. Macron habe hinzugefügt, es werde eine enge Zusammenarbeit mit Russland geben, auch auf der Ebene der Geheimdienste, um den Krieg zu beenden.
Emmanuel Macron soll zudem mit ausgesuchter Höflichkeit von Putin gesprochen haben, und Donald Trump soll gesagt haben, die USA müssten alle anderen Staaten mit «Respekt» behandeln, weil es in einer «komplexen Welt» keine Dominanz einer Nation geben könne.
Einen Tag zuvor hatte die Internetseite www.nachdenkseiten.de einen Artikel von Ray McGovern veröffentlicht, in dem auch dieser zur Frage der Beziehungen zu Russland nach dem Treffen des US-amerikanischen mit dem russischen Präsidenten Stellung nahm. McGovern war 27 Jahre lang Analyst bei der CIA und dort für die Bewertung der sowjetischen Aussenpolitik zuständig. Heute gehört er dem Lenkungsausschuss der «Ehemaligen Geheimdienst-Experten für die Vernunft» («Veteran Intelligence Professionals for Sanity», VIPS) an, einem Verein, der die US-Aussenpolitik seit dem Irak-Krieg 2003 kritisch und mit Sachverstand kommentiert. McGovern äusserte sich skeptischer als die Deutschen Wirtschaftsnachrichten. So schreibt er eingangs: «Die Aussicht auf eine sofortige Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Russland hängt jetzt von etwas wirklich Greifbarem ab: Wird es den Neokonservativen und den liberalen Interventionisten, die immer noch von einem ‹Regimewechsel in Syrien› träumen und schon alle bisher vereinbarten Waffenruhen sabotiert haben, auch diesmal wieder gelingen, eine Annäherung [zwischen Trump und Putin] zu verhindern?» McGovern schildert die schlechten Erfahrungen der Vorgängerregierung mit dem Einfluss des «Tiefen Staates» in den USA, also mit den mächtigen Kräften des militärisch-industriellen Komplexes und der mit ihm eng verbundenen Kräfte im Pentagon und in den Geheimdiensten, und schlussfolgert: «Da der zwischen den USA und Russland vereinbarte neue Waffenstillstand am Sonntag [9. Juli 2017] in Kraft getreten ist, wird Putin sehr gespannt sein, ob Trump die Waffenruhe in Syrien auch tatsächlich durchsetzen kann, oder ob er wie sein Vorgänger Obama hinnehmen muss, dass auch die neue Waffenruhe wieder vom Tiefen Staat sabotiert wird. Wir werden schon bald wissen, wie es ausgeht. Nach den gemachten Erfahrungen wird Putin kaum damit rechnen, dass die vereinbarte Waffenruhe diesmal eingehalten wird.»
Beide Texte zusammen betrachtet zeigen, wie unbefriedigend eine Situation ist, in der ein paar wenige einflussreiche Kräfte über die Frage von Krieg und Frieden entscheiden. Dass nun alles von Macron und Trump oder aber von der «Gegenmacht» des «Tiefen Staates» abhängen soll, erinnert doch eher an mittelalterliche feudale Verhältnisse, als es alleine «die da oben» waren, die über Krieg und Frieden entschieden. Im 21. Jahrhundert darf sich die Menschheit das nicht mehr bieten lassen. Dass immer wieder – an den Völkern vorbei – von ein paar wenigen über Krieg und Frieden entschieden wird, ist nicht zukunftsfähig.
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