Herzroute entdeckt Herz der Schweiz

Herzroute entdeckt Herz der Schweiz

von Heini Hofmann

Fürs kranke Herz kann ein Bypass Rettung sein. Doch für die kerngesunde Herzroute, die weltschönste E-Bike-Panoramatour (Nr. 99) zwischen Boden- und Genfersee, ist die neue Zusatzschlaufe rund um den Napf (Nr. 399) das Sahnehäubchen – und dies in der sowohl landschaftlichen als auch kulturellen Schatztruhe mitten im Herzen der Schweiz.

Das Napfland ist eine der urchigsten helvetischen Kulturlandschaften, und auf dem Napfgipfel (trotz 1408 m Höhe eher ein Hügel denn ein Berg) eröffnet sich ein atemberaubendes 360-Grad-Panorama über weite Strecken unseres Landes. Deshalb lag es für die Herzroute-Macher nahe, hier die schweizquerende Hauptroute – analog zur schon bestehenden luzernisch-aargauischen Seetalschlaufe – mit einem zweiten hitverdächtigen Bypass zu erweitern.

Anwärter auf Top-Destination

Geprägt ist das zerfurchte Napfland durch Eggen, Hügel und Kreten sowie sternförmig verlaufende, tiefe Gräben und Schluchten, die belebt sind durch Quellbäche und Wasserfälle. Die Erosionskraft des Wassers hat hier die Landschaft so extrem geformt, weil deren Geologie vorwiegend aus Nagelfluh, Sandstein und Mergel besteht und weil das Napfgebiet in der letzten Eiszeit weitgehend unvergletschert blieb. Dank der neuen E-Bike-Veloroute lässt sich dieses fluviale Labyrinth-Naturwunder nun auch herzschonend entdecken.
Die Routenwahl entspricht ganz dem Strickmuster der nationalen Herzroute: verkehrsarme, aber gut beschilderte Strässchen, tolle Aussichtslagen, pittoreske Ortsbilder, persönliche Nähe zur landwirtschaftlichen Kultur, kurz ein spannender Mix aus Abenteuer und Komfort. Waren früher europäische Flussrouten velozipeder Megatrend, sind es heute solch anspruchsvollere Angebote, die dank Elektrounterstützung für jedermann nutzbar sind. Der Napf-Bypass hat es gar in sich, zur Top-Destination der E-Bike-Touristen zu werden – ein Phönix aus der Asche!

Vorzeige-Win-win-Projekt

Die boomende nationale Herzroute hat sich inzwischen als Perle im Veloland Schweiz etabliert, die selbst von Schweiz Tourismus als «Rosine» im an sich schon einmaligen Routennetz von SchweizMobil qualifiziert wird. Denn Aktivferien auf zwei Rädern liegen extrem im Trend, vor allem bei modernen Outdoor-Genuss-Touristen, die sich nicht mit gesenktem Blick saure Beine erstrampeln, sondern beim gemächlichen Radeln offenen Auges die Wunder am Wegrand geniessen wollen.
Deshalb lag die Erweiterung des trendigen Angebots auf der Hand. Die Herzschlaufe Napf als hochwertiges, zusätzliches Velowandererlebnis ist ein Gemeinschaftswerk der Kantone Bern und Luzern, der regionalen Entwicklungsträger Emmental und Entlebuch sowie verschiedener Gemeinden im Zusammenspiel mit privaten Partnern. Zielsetzung ist eine sanfte touristische Belebung dieses einmaligen Erholungsraums. Nutzniesser sind abgelegene Gaststätten und Besenbeizen sowie Anbieter regionaler Spezialitäten und touristischer Originalitäten.

Drei unterschiedliche Etappen

Die drei Etappenorte Willisau (Zentrum im Luzerner Hinterland), Langnau (flächen­grösste Gemeinde des Kantons Bern) und Entlebuch (im Biosphärenland) ergeben ein Dreieck mit ungleichen und kurvigen Schenkeln sowie Tagesetappen zwischen gut 40 und knapp 60 Kilometern. Die erste Etappe im nordseitigen Napfvorland führt durch liebliche Hügellandschaften, unterbrochen von schroffen Passagen. Höhepunkte sind das Luthertal, Schloss Trachselwald und die Lüdern­alp.
Zwischen Langnau und Entlebuch im­poniert dann die den Alpen zugewandte Seite des Napfs mit grossartigen Höhenpassagen und Panoramaabschnitten. Auf der dritten und letzten Etappe schliesslich, zwischen Entlebuch und Willisau, offenbart sich die ganze Dramatik des Napfberglandes, zumal beim Befahren der Grossen Fontanne oder der Höhenlagen bei Menzberg und Luthern. Natürlich kann man den Napf auch in der entgegengesetzten Richtung umrunden.

 Auf den Spuren der Täufer

Ein imposanter historischer Zeuge auf der ersten Etappe ist Schloss Trachselwald, die letzte erhaltene Dynastenburg im Emmental oberhalb von Burgdorf. In deren Bergfried wurden Vertreter der im Emmental einst verbreiteten Glaubensgemeinschaft der Täufer arretiert, Anhänger der Erwachsenentaufe, einer Nebenbewegung der Reformation, entstanden im frühen 16. Jahrhundert. Deren jahrhundertelange Leidensgeschichte infolge Verfolgung ist ein dunkles Geschichtskapitel, an das der «Täuferpfad von Sumiswald» erinnert.
Noch heute pilgern jährlich Nachkommen vertriebener Täufer, meist aus den USA, nach Sumiswald und besuchen den Bauernhof Haslebach auf der Chleinegg, wo einst Hans Haslebacher, eine zentrale Figur der Täufer, gelebt hatte, bevor er 1571 als letzter von über 40 Täufern im Kanton Bern hingerichtet wurde. – Im Schloss Trachselwald wurde übrigens auch, nachdem ihn ein ehemaliger Mitstreiter verraten hatte, der legendäre Bauernführer Niklaus Leuenberger im Bauernkrieg (1653) eingekerkert, bevor er in Bern hingerichtet wurde. Andere Zeiten, kurze Prozesse …

Ein Hauch von Napf-Wildwest

Szenenwechsel zum berühmten Napfgold. Es stammt aus den Alpen und wurde vor 10 bis 40 Millionen Jahren von Urflüssen ins Napfgebiet transportiert. Deshalb kann heute noch aus den meisten Bächen – mit mehr oder weniger Glück – das Edelmetall in Form kleiner Goldflitter gewaschen werden, flach ausgewalzte, längliche oder runde Blättchen mit über 23 Karat. Es werden auch Events und Kurse angeboten, bei Schlechtwetter indoor, an Holztrögen mit präpariertem Sand statt im Bachbett. (www.goldwasch-tour.ch)
 Bereits in keltischer Zeit wurde im Napfbereich Gold gewaschen. Blütezeit der luzernischen Goldwäscherei war zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, besonders in der Luthern, Wigger, den beiden Fontannen und dem Goldbach. Im Staatsarchiv Luzern finden sich noch Münzen aus Napfgold. Doch die Lebensumstände der Goldsucher waren nicht rosig. Goldwaschen wird daher heute nur noch als Hobby (Goldwäschervereinigung mit über 300 Mitgliedern) oder als touristische Attraktion betrieben.

Die schwarze Kunst lebt weiter

Anders verhält es sich mit dem uralten Handwerk der Meiler-Holzköhlerei. Schon vor Jahrhunderten wurde in den durch Strassen unerschlossenen und daher für Holzabtransport ungeeigneten Bergwäldern am Napf Holzkohle direkt vor Ort hergestellt, bis sie von importierter Steinkohle verdrängt wurde und nach dem Krieg nicht mehr gefragt war. Fünf vor zwölf kam es dann zur Rettungsaktion, indem die Köhlerei nicht mehr für die Industrie produzierte, sondern auf zunehmend gefragte Grill-Holzkohle umstellte. So gibt es heute noch rund ein Dutzend Meilerstandorte im Entlebuch (Bramboden, Gemeinde Romoos).
Während Holz bei ungehindertem Luftzutritt zu Asche verbrennt, entsteht bei der Verkohlung im abgedichteten Meiler durch «trockene Destillation» Kohle. Ein Prozess, der Tag und Nacht (!) überwacht werden muss. Dabei wird gleich viel CO2 freigesetzt wie bei ungenutztem Verrotten im Wald; die Köhlerei trägt also nicht zum Treibhauseffekt bei. Doch ihr positiver Doppeleffekt: Anfallendes Holz wird sinnvoll verwendet, und die nicht auf Rosen gebetteten Bergbauern haben einen Nebenverdienst. (<link http: www.koehlerei.ch koehlerausstellung-romoos external-link website:>www.koehlerei.ch/koehlerausstellung-romoos/ )

Wozu Idealismus fähig ist

Kurz: Die Napf-Zusatzschlaufe zur Herzroute ist eine wahre Wundertüte sowohl bezüglich uriger Landschaftsimpressionen als auch kulturhistorischer Trouvaillen. Sie ist von Idealisten des erfahrenen Herzroute-Teams mit grosser Hingabe und enormem Arbeitsaufwand konzipiert, realisiert und ausgeschildert worden. Unterstützung kommt von Sponsoren, kantonalen Beiträgen der «Neuen Regionalpolitik» zur Förderung strukturschwacher Gebiete sowie von kantonalen, regionalen und lokalen Tourismuskreisen.
Auch Schweiz Tourismus hilft marketingmässig wacker mit, allerdings nicht finanziell. In das eigene, konzeptionell analoge Projekt Grand Tour für motorisierte Touristen (ebenfalls eine Rosinenroute entlang von Natur- und Kultur-Highlights) wurden 50 Millionen investiert. Um so mehr erstaunt, was ein kleines, motiviertes Team bezüglich Herzroute samt Schlaufen mit viel Idealismus und knappem Geld zustande gebracht hat!    •

Herzschlaufe Napf im Telegrammstil

–    155-km-Rundkurs um den Napf (1408 m ü.M.)
–    3 Tagesetappen, alle mit Eisenbahn erschlossen
–    Willisau–Langnau, 57 km, 1500 Höhenmeter
–    Langnau–Entlebuch, 44 km, 1100 Höhenmeter
–    Entlebuch–Willisau, 54 km, 1600 Höhenmeter
–    In beiden Richtungen befahrbar (= Route 399)
–    Verlauf fast ausschliesslich auf verkehrs­freien oder -armen Strecken, aber rund 15 % nicht asphaltiert, was etwas Fahr­übung erfordert.
–    E-Bike-Miete in allen Etappenorten möglich
–    Reservation empfohlen: www.herzroute.ch
–    Illustrierter Routenführer, kostenlos bei Herzroute AG in Burgdorf bestellen: +41 34 408 80 99
–    Ab 21.4.2018 ist die Strecke ausgeschildert und sind die E-Bike-Vermietstationen in Betrieb.

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