Überlegungen zur Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung»

Überlegungen zur Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung»

Eidg. Volksabstimmung vom 10. Februar 2019

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Am 10. Februar wird das Schweizervolk über eine einzige Vorlage abstimmen, die Zersiedelungsinitiative, die von den Jungen Grünen, gemeinsam mit einer Reihe von Umweltorganisationen und einigen weiteren Parteien (SP, Juso, Alternative Linke AL) eingereicht worden ist.
Die Schweiz ist ein kleines Land mit grossem Bevölkerungswachstum, beziehungsweise hoher Zuwanderung1 sowie einer florierenden Wirtschaft. Entsprechend wachsen die überbauten Flächen, zwar unter Kontrolle von Bund, Kantonen und Gemeinden, aber nach Meinung vieler Bürger dennoch zu wenig geordnet. In den letzten Jahren hat die Schweiz bereits verschiedene Massnahmen ergriffen, um der Zersiedelung, also der Einzonung von immer mehr Kulturland, etwas entgegenzusetzen. So wurde am 11. März 2012 die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!» knapp mit 50,6 % Ja-Stimmen angenommen, die forderte, dass in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % keine neuen Zweitwohnungen mehr bewilligt werden dürfen. 2013 sagte das Volk ja zur Revision des Raumplanungsgesetzes und beschloss damit, dass Bauzonen nur noch dem voraussichtlichen Bedarf für 15 Jahre entsprechen dürfen. Zu grosse Bauzonen sind demgemäss zu verkleinern.
Nach Ansicht der Urheber der Zersiedelungsinitiative haben diese strengeren Vorschriften jedoch nicht verhindert, dass dennoch neue Bauzonen errichtet werden. Deshalb verlangt die Initiative einen Einzonungsstopp: «Die Initiative sorgt dafür, dass Landschaft und Lebensqualität erhalten bleiben. Sie holt die Versäumnisse der Revision des Raumplanungsgesetzes nach und ermöglicht einen haushälterischen Umgang mit dem Boden.»2
Die Initiative sowie die wichtigsten Argumente pro und kontra sollen hier dargestellt werden.

Initiativtext

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 75 Abs. 4–7 (3)
4 Bund, Kantone und Gemeinden sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen mit hoher Lebensqualität und kurzen Verkehrswegen (nachhaltige Quartiere).
5 Anzustreben ist eine Siedlungsentwicklung nach innen, die im Einklang steht mit hoher Lebensqualität und besonderen Schutzbestimmungen.
6 Die Ausscheidung neuer Bauzonen ist nur zulässig, wenn eine andere unversiegelte Fläche von mindestens gleicher Grösse und vergleichbarem potentiellem landwirtschaftlichem Ertragswert aus der Bauzone ausgezont wird.
7 Ausserhalb der Bauzone dürfen aus-schliesslich standortgebundene Bauten und Anlagen für die bodenabhängige Landwirtschaft oder standortgebundene Bauten von öffentlichem Interesse bewilligt werden. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. Bestehende Bauten geniessen Bestandesgarantie und können geringfügig erweitert und geringfügig umgenutzt werden.

Nachhaltige Quartiere und Wohnbau­genossenschaften in den Städten

Zu BV Art. 75 Absatz 4 neu:

Die Zersiedelungsinitiative fordert eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für nachhaltige Quartiere.
Gemäss den Initianten beschreibt die Publikation «Nachhaltige Quartiere» des Bundes von 20113 einen «urbanen Raum mit rund 500 EinwohnerInnen, lokalem Zentrum, grosszügigem Grünraum und trotzdem sehr geringem Landverbrauch. […] Optimalerweise ist es [das Quartier] ring- oder u-förmig angeordnet. Ein begrünter Innenhof oder Park bringt den Grünraum in die Siedlung. Die Abgrenzung von der Strasse macht den Wohn- und Freiraum ruhig. In den Erdgeschossen gibt es Platz für lokales Gewerbe, dabei reicht die Palette von der Quartierbeiz bis zum Lebensmittelgeschäft. Auch ein Kindergarten ist vorhanden.»4
Eine wirklich positive Form des Zusammenlebens, wobei wir das rechtliche Gefäss dafür schon längst haben: das Genossenschaftsrecht im Schweizerischen Obligationenrecht (OR). «Die Utopie ist längst Realität», merken die Initianten richtig an. In den Wohnbaugenossenschaften verschiedenster Schweizer Städte leben seit langem viele Menschen auf relativ kleiner Bodenfläche und in bescheidenen Wohnungen, aber doch ein bisschen im Grünen. In den letzten Jahren werden aber viele dieser Siedlungen abgerissen und nach obigem Muster neu gebaut. Ob sich darin eine Gemeinschaftskultur entwickelt, hängt jedoch weniger von der Bauweise als vom persönlichen Engagement einiger aktiver Bewohner ab. Und ob die Menschen in dicht gebauten Siedlungen leben möchten – mit einem grösseren begrünten Platz statt der Wiesen und Bäume zwischen den Wohnblöcken – das entscheidet jeder selbst.
Auf dem Land ist die Situation ganz anders. Wie Hans Marti, Landwirt und Befürworter der Initiative, im persönlichen Gespräch sagt, sehen es in seinem Wohnort und anderen Gemeinden manche Leute nicht gern, wenn im Dorf nach dem Abbruch alter Einfamilienhäuser Wohnblöcke gebaut werden. Sollen statt dessen noch mehr Wiesen und Äcker überbaut werden? Dem will die Zersiedelungsinitiative entgegentreten, indem sie Kantone und Gemeinden dazu verpflichtet, die notwendigen Rahmenbedingungen für kompaktere Siedlungen, auch in Stadtnähe, zu gewährleisten (zum Beispiel gute öffentliche Verkehrsverbindungen, Bewilligungen für Kleingewerbe innerhalb der Siedlung).

Siedlungsentwicklung nach innen – braucht es dazu die Initiative?

Zu BV Art. 75 Absatz 5 neu:

Grundsätzlich wird von vielen Menschen befürwortet, dass, wenn immer möglich, innerhalb der bestehenden Bauzonen gebaut werden soll, das heisst in den Städten und Dörfern und nicht auf der grünen Wiese. Denn in der kleinräumigen und relativ dicht bewohnten Schweiz mit ihren 25 % unproduktiven Flächen (Fels, Gletscher usw.) und mehr als 31 % Wald und Gehölze ist das Kulturland knapp und muss deshalb verantwortungsvoll und umweltschonend genutzt werden. Dies ist auch das wichtigste Ziel der Zersiedelungsinitiative.
Mit Absatz 5 des Initiativtextes soll unter anderem «eine moderate Aufstockung möglich werden, im besonderen in Zonen niedriger Dichte». Das heisst, dass zum Beispiel auf ein zweistöckiges Gebäude ein dritter Stock aufgebaut werden könnte, aber nicht nur zu Renditezwecken, sondern «unter Wahrung oder Steigerung der Lebensqualität». Dies ist in den heutigen Bauzonenplänen oft nicht erlaubt. «Ausgenommen sind besonders schützenswerte Bauten (z.B. historische Gebäude).»5
Uneinigkeit besteht in der Frage, ob eine vermehrte Siedlungsentwicklung nach innen auch mit dem neuen Raumplanungsgesetz (RPG) erreicht werden kann oder ob es dazu die radikaleren Methoden der Initiative braucht. Hier die beiden entgegengesetzten Standpunkte:

  • Bundesrat: Die neuere Bauzonenstatistik der Schweiz ergebe, dass die Gesamtfläche der Bauzonen seit 2012 konstant geblieben sei, obwohl die Bevölkerung in dieser Zeit von knapp 8 Millionen auf 8,5 Millionen wuchs. Die Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetzes sei im Gange, so der Bundesrat: «Die Kantone müssen ihre Richtpläne anpassen und mit den strengeren Mass­nahmen gegen die Zersiedelung bis Ende April 2019 vom Bundesrat genehmigen lassen. Nach diesem Datum dürfen sie keine neuen Bauzonen schaffen, solange ihr Richtplan vom Bundesrat nicht genehmigt ist.»6
  • Initianten: «Das aktuelle Raumplanungsgesetz führt weiterhin zu einem stetigen Wachstum des Siedlungsgebiets auf Kosten der Grünflächen. Je schneller der Boden überbaut wird, desto schneller wird neues Bauland eingezont. Damit ist die Zersiedelung keineswegs gestoppt. Die Zersiedelungsinitiative schliesst die Lücken des Raumplanungsgesetzes, indem es die bestehenden Massnahmen mit einem wirksamen Landschaftsschutz ergänzt.»7

Einzonungsstopp: nötig oder zu radikal?

Zu BV Art. 75 Absatz 6 neu:

Der Einzonungsstopp ist einer der umstrittensten Punkte der Initiative: Neue Bauzonen wären gemäss Absatz 6 nur noch zulässig, «wenn eine andere unversiegelte Fläche8 von mindestens gleicher Grösse und vergleichbarem potentiellem landwirtschaftlichem Ertragswert aus der Bauzone ausgezont wird.»

  • Initianten: «Das heisst, dass die Gesamtmenge an Bauzonen konstant bleibt. Gemeinden können aber Bauland untereinander abtauschen. Dies garantiert, dass die verbleibenden Reserven auch dort eingesetzt werden können, wo sie benötigt werden.»9
  • Bundesrat: «Ein starrer Bauzonen-Stopp lässt die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft ausser Acht, ebenso die kantonalen und regionalen Unterschiede.»10 Offen wäre dabei auch, «wie genau Bauzonen umverteilt würden, falls in einem Kanton neues Bauland geschaffen werden müsste – ob nur innerhalb des betreffenden Kantons oder auch über kantonale Grenzen hinaus in der ganzen Schweiz. Ungewiss sind auch die Kosten, die mit der Aufhebung und Umverteilung von Bauzonen verbunden wären.»11

Damit die Fläche des fruchtbaren Bodens konstant bleibt, wäre zudem gemäss Absatz 6 auch der Ertragswert des Bodens massgebend. Der Bundesrat konkretisiert: «Der landwirtschaftliche Ertragswert wird anhand der Bodenqualität und weiterer Kriterien wie Klima oder Hangneigung berechnet.»12
Ohne uns vertiefter auf den möglichen Ablauf und die Umstände des Bauzonen-Austausches einlassen zu können, würden dabei vermutlich einige Spannungen entstehen, das heisst, mancher Streit müsste gerichtlich ausgefochten werden.
Strittig ist auch die Frage, ob die Wohnungspreise mit der Initiative steigen würden oder nicht:

  • Bundesrat: «Wo Bauland verknappt wird, wächst auch die Gefahr, dass die Grundstück- und Wohnungspreise steigen.»13
  • Initianten: «Die Initiative schafft die Möglichkeit, mittels hochwertiger Verdichtung an vielen Orten mehr Wohnraum zu schaffen. Dadurch bleibt der Wohnraum bezahlbar und gleichzeitig wird die Zersiedelung gestoppt. Die bestehenden Reserven, die es zu nutzen gilt, sind so gross, dass sie nicht einmal vollständig ausgeschöpft werden müssen.»14

Eine weitere Frage, die sowohl die Initianten als auch der Bundesrat aufwerfen: «Werden nicht die Kantone und Gemeinden bestraft, die bisher sorgfältig mit dem Boden umgegangen sind?»

  • Der Bundesrat bejaht dies und stellt fest: «Das ist ungerecht.»15
  • Initianten: Nein, denn unter anderem «[…] sind fortschrittliche Gemeinden von der Initiative deutlich weniger betroffen, wenn sie ihre Siedlungsentwicklung bisher sowieso schon nachhaltig geplant haben. Diese Gemeinden beweisen, dass die Forderungen der Zersiedelungsinitiative gut umsetzbar sind.»16

Einschränkung landwirtschaftlicher Bauten ausserhalb der Bauzone

Zu BV Art. 75 Absatz 7 neu:

Die Initiative will die Bewilligung landwirtschaftlicher Gebäude ausserhalb der Bauzone einschränken. Der betreffende Absatz 7 geht einem Teil der Schweizer Bauern zu weit.
Die Formulierung, ausserhalb der Bauzone dürften «ausschliesslich standortgebundene Bauten und Anlagen für die bodenabhängige Landwirtschaft» bewilligt werden [Hervorhebung mw], meint zum Beispiel Gemüse- und Obstprodukte, «wenn die Pflanzen im Boden verwurzelt sind».17
Das heisst: Gewächshäuser mit Hors-sol-Produktion dürften nur noch in der Bauzone gebaut werden, ebenso Ställe für Kühe,
Geflügel oder Schweine, falls der überwiegende Teil des Futters nicht im eigenen Bauernhof produziert, sondern zugekauft wird. Während Markus Ritter, Direktor des Schweizerischen Bauernverbands, von einem «inakzeptablen Verbot jeglicher bodenunabhängigen Produktion» spricht, meint Markus Schwegler, Vorstandsmitglied bei der Kleinbauern-Vereinigung, «eine nachhaltige Lebensmittelproduktion sei zwingend bodengebunden» («St. Galler Tagblatt» vom 9. Januar).
Man kann mit guten Gründen der einen oder anderen Meinung zuneigen. Problematisch ist es jedoch, einem Teil der Schweizer Landwirtschaft, die ohnehin mit den tiefen Preisen der ausländischen Produkte kaum konkurrieren kann, Bauten in der teuren Bauzone zuzumuten. Eine zusätzliche Schwierigkeit wäre für die Baubewilligungsbehörden die Entscheidung, welcher Bauernbetrieb genügend «im Boden verwurzelt» produziert und welcher nicht. Die Anmerkung der Initianten zu dieser Frage führt eher zu weiteren Unsicherheiten: «Es ist dabei die Aufgabe des Gesetzgebers, mit dem geeigneten Mix an Regulierungen und Ausnahmen sowohl eine lokale Pflanzenproduktion zu ermöglichen und gleichzeitig zu verhindern, dass ganze Landstriche mit Gewächshäusern überdeckt werden. Ein mögliches Mittel dafür können Speziallandwirtschaftszonen sein.»18

Fazit

Die Sorge der Initianten und der mehr als 110 000 Bürgerinnen und Bürger, welche die Initiative unterzeichnet haben, angesichts der seit Jahrzehnten unmässigen Überbauung von Kulturland, naturnahen Landschaften und weiteren Grünflächen, ist sehr berechtigt. Ein haushälterischer Umgang mit dem knappen kulturfähigen Boden im Kleinstaat Schweiz ist dringend angesagt. Dem hat ja die Mehrzahl des Stimmvolks in der Abstimmung zum revidierten Raumplanungsgesetz zugestimmt.
Andererseits kann man auch der Ansicht sein, dem Regime des neuen RPG noch einige Jahre eine Chance zu geben und notfalls das Gesetz zu ergänzen. Ein weiterer Aspekt, den es einzubeziehen gilt, ist die hohe Zuwanderung (siehe Fussnote 1). Wer als Arbeitskraft oder als Flüchtling in die Schweiz kommt, geniesst richtigerweise alle Rechte als Einwohner unseres Landes, auch dasjenige auf Familiennachzug. Wenn immer mehr Menschen hier leben, hat dies aber notwendigerweise den Ausbau der Infrastruktur zur Folge: Wohnhäuser, Schulen, Strassen, Bus- und Bahnlinien usw. Deshalb ist der Entscheid des Souveräns, die Zuwanderung wieder selbst steuern zu wollen, in die Frage des Umgangs mit dem knappen Boden einzubeziehen. Auch die Wirtschaft benötigt Boden: Für die allseits begrüsste Schaffung neuer Arbeitsplätze braucht es Platz, der zur Verfügung stehen muss.
Es ist das Privileg jedes Bürgers in der direkten Demokratie, sich vor dieser wie jeder Volksabstimmung zu informieren, die Pro- und Kontra-Argumente abzuwägen und sich seine eigene Meinung zu bilden. Diese Zeilen sollen dabei eine Hilfestellung sein.    •

1    Einwohnerzahl am 31.12.1997 (vor der Personenfreizügigkeit mit der EU): 7 096 465; zwanzig Jahre später, am 31.12.2017: 8 484 130; Zunahme fast 20 % (19,5 %).
2    Abstimmungsbüchlein zur Volksabstimmung vom 10. Februar 2019, S. 5
3    BV Art. 75 Raumplanung Abs. 1–3 bisher
4    Bundesamt für Energie & Bundesamt für Raumentwicklung. (2011). Nachhaltige Quartiere: Herausforderungen und Chancen für die urbane Entwicklung. Genauere Beschreibung: siehe Homepage der Initiative. Nachhaltige Quartiere. www.zersiedelung-stoppen.ch/initiative/
5    Homepage der Initiative, «Moderat aufstocken». www.zersiedelung-stoppen.ch/initiative/
6    Abstimmungsbüchlein, S. 7/8 mit Verweisen auf «Bauzonenstatistik Schweiz (2017)» (are.admin.ch/bauzonen) sowie auf den aktuellsten Stand der Richtpläne: are.admin.ch/richtplan
7    Abstimmungsbüchlein, S. 13
8    Unversiegelte Flächen sind Wiesen, Wege, Äcker, Gärten usw., wo das anfallende Wasser versickern kann. «Als versiegelte Flächen gelten insbesondere Gebäude und Strassen. Durch die Versiegelung verliert der Boden seine natürliche ökologische Funktion als Lebensraum, Speicher und Filter sowie die Fähigkeit, Stoffe umzuwandeln und abzubauen.» (Bundesamt für Statistik, Umweltindikator – Bodenversiegelung)
9    Homepage der Initiative. Bauzonen auf ein vernünftiges Mass festlegen
10    Abstimmungsbüchlein, S. 5
11    Abstimmungsbüchlein, S. 10
12    Abstimmungsbüchlein, S. 9
13    Abstimmungsbüchlein, S. 14
14    Homepage der Initianten, Erläuterungen. Ad Abs. 6
15    Abstimmungsbüchlein S. 14
16    Homepage, Fragen & Antworten
17    Homepage, Fragen & Antworten. Schadet die Initiative der Schweizer Landwirtschaft?
18    Homepage, Fragen & Antworten. Schadet die Initiative der Schweizer Landwirtschaft? 

SVP-Landwirt und -Politiker stellt sich hinter die Initiative der Grünen

mw. Im persönlichen Gespräch berichtet Hans Marti*, dass er die Initiative aus Sorge um die fortlaufende Überbauung des Schweizer Bodens unterstützt. Darüber werde seit Jahrzehnten diskutiert, jetzt müsse endlich gehandelt werden: «Im Kanton Solothurn beträgt der Leerwohnungsbestand über 3 %, das heisst, es stehen über 4000 Wohnungen leer. In Huttwil BE gibt es über 14 % Leerwohnungen. Es wird aber trotzdem munter weiter gebaut. In Biberist wird extrem viel Land aus der Landwirtschafts- in die Bauzone umgezont. Solange der Investor auf seinem Geld, das auf der Bank liegt, Negativzinsen zahlen muss, wird sich die Situation nicht ändern. Das Schlimme daran: Was einmal zubetoniert ist, wird nie mehr rückgängig gemacht werden können.»

Zeit-Fragen: Wären mit der Zersiedelungsinitiative nicht vor allem die Immobilienfirmen die Gewinner, welche auf Grund des knapperen Angebots die Wohnungen teurer vermieten oder verkaufen könnten?

Hans Marti: Die Mietpreise steigen dann, wenn der Wohnraum knapp wird. Weil die vorhandenen Reserven aber gross genug sind, wird es keine steigenden Mietpreise geben. Die meisten Immobilienfirmen haben erkannt, dass eine Verdichtung ohne Qualität nicht gefragt ist. Die inneren Reserven sind so gross, dass wir genügend Wohnraum haben, sogar wenn das Wachstum der Bevölkerung höher ist als vom Bundesrat erwartet. Es genügen dazu moderate Massnahmen, um noch mehr Wohnraum zu schaffen, z. B. drei- statt zweistöckig zu bauen.

Müssten wir nicht auch eine bessere Steuerung der Zuwanderung einbeziehen, um der Überbauung unseres kleinen Landes entgegenzutreten?

Die Zuwanderung müssen wir selbstverständlich auch an die Hand nehmen, das ist meine persönliche Meinung.

Ist die Forderung, landwirtschaftliche Gebäude zum Teil in der Bauzone anzusiedeln, nicht zu radikal?

Nein, denn die Scheune und das Wohnhaus können die Bauern immer noch in der Landwirtschaftszone bauen. Hors-sol-Gewächshäuser über weite Flächen sind aber eher als industrielle Produktion zu betrachten. Es ist Sache des Gesetzgebers, hier eine ausgewogene Regelung zu schaffen.

Denken Sie, die Zersiedelungsinitiative hat gute Chancen bei der Bevölkerung?

Ja, denn es ist im Interesse aller, die Zersiedelung zu stoppen und das Land zu schützen, auch für unsere Nachkommen. Der Hauptgrund für eine Ablehnung wäre, dass die Initiative von den Jungen Grünen kommt. Deshalb stelle ich mich, unabhängig von der Parteimitgliedschaft, dahinter. Es braucht eine Regelung, wie wir sie beim Wald haben: Für jedes Stück Wald, das abgeholzt wird, muss entsprechend neu aufgeforstet werden.

Vielen Dank, Herr Marti, für das Gespräch.

* Hans Marti lebt in Biberist, einer Gemeinde mit 8775 Einwohnern, in der Nähe von Solothurn. Er ist Bauer und alt Kantonsrat SVP.

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