Kleinwasserkraft fördern statt abwürgen

Bundesgericht erledigt Hindernis auf dem Weg in den EU-Strommarkt

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

«Kleinkraftwerken geht der Schnauf aus», war am 5. November in der Tagespresse zu lesen.1 Das kann doch nicht sein! Angesichts zu erwartender Energieengpässe nach dem Auslaufen der AKW müsste im Gegenteil die lokale Selbstversorgung mit Wasserkraft ganz besonders gefördert und ausgebaut werden.
  Den Kleinkraftwerken den Schnauf entzogen hat das Bundesgericht mit einem sehr merkwürdigen Entscheid vom 29. März 2019. Mit wenigen Sätzen hat das oberste Schweizer Gericht die im Lauf der Geschichte entstandenen «ehehaften Rechte» zur Wassernutzung ganz einfach aufgehoben, ohne genau zu sagen, wie die Kantone dies umsetzen sollen. Damit sind diese gezwungen, ohne Not eine vielfältig ausgestaltete traditionelle Rechtsform abzuschaffen und Steuergelder für umfangreiche Gutachten über die mögliche Umsetzung auszugeben. «Das Urteil hat eine enorme Tragweite und betrifft schweizweit Hunderte von kleinen und mittleren Wasserkraftwerken», so die Medienmitteilung von «Swiss Small Hydro» am 16. Mai 2019.2 Anlass für den oben erwähnten Zeitungsartikel ist das Vorliegen des Gutachtens, das der vom Gerichtsurteil betroffene Kanton Zug in Auftrag gegeben hat.
  Um verständlich zu machen, worum es geht, sollen hier die Hintergründe ausgeleuchtet werden.

Die Kleinwasserkraft in der Schweiz ist (nach der Grosswasserkraft) die zweitwichtigste erneuerbare Energie zur Stromerzeugung, so der Schweizer Verband der Kleinwasserkraft, Swiss Small Hydro. Die rund 1400 Kleinwasserkraftwerke an den Schweizer Bächen und Flüssen produzieren 11 Prozent der gesamten Wasserkraft. Deren Betreiber leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur lokalen Selbstversorgung. Wie kommt es, dass ihnen «der Schnauf ausgeht»?

WWF Schweiz gegen Kleinwasserkraftwerk in Cham

Die ehemalige Papierfabrik Cham (heute Cham Group) betreibt an der Unteren Lorze (Fluss im Kanton Zug) das Kraftwerk Hammer. 2015 reichte der Eigentümer bei der kantonalen Baudirektion zwei Baugesuche zur Instandstellung der Anlage und zur Restwassersanierung ein. Der Regierungsrat wies eine Beschwerde des WWF Schweiz ab und erteilte die Baubewilligungen. Dagegen erhob der WWF Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht: Die festgelegte Restwassermenge sei zu tief, und die vorgesehenen Fischwanderhilfen seien ungenügend, insbesondere mit Blick auf die Seeforelle. Nach der Abweisung durch das Verwaltungsgericht zog der WWF die Beschwerde am 20. November 2017 weiter an das Bundesgericht. Dieses hiess am 29. März 2019 die Beschwerde des WWF gut, hob den Entscheid des Zuger Verwaltungsgerichts auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an den Regierungsrat zurück.3

«Ehehafte Rechte» – traditionelle Wassernutzungsrechte versus «Öffnung» des Strommarktes

Das Kleinkraftwerk Hammer nutzt das Wasser der Lorze auf der Grundlage «ehehafter Rechte» zur lokalen Stromproduktion. Ehehafte Rechte sind zeitlich unbefristete Wassernutzungsrechte, die in vorindustrieller Zeit zur Betreibung wasserbetriebener Mühlen errichtet wurden. Schätzungsweise mehrere hundert Schweizer Kleinkraftwerke werden heute noch auf der Basis ehehafter Rechte betrieben. So wurde in Cham bereits 1657 eine Papiermühle gebaut, welche die Wasserkraft der Lorze nutzte und damit Nutzungsrechte begründete, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
  Wie das Bundesgericht feststellt, haben die ehehaften Rechte «ihren Ursprung in einer Rechtsordnung […], die nicht mehr besteht. Sie können nach neuem Recht nicht mehr begründet werden, aber unter der neuen Rechtsordnung weiterbestehen.» (Bundesgerichtsentscheid 1C_631/2017, Erwägung 5) Heute würden sich die ehehaften Rechte nicht mehr «reibungslos» in das öffentliche Recht einordnen. Welche «Reibungen» das oberste Gericht meint, verrät es nicht. Jedenfalls müssen sich auch diese Kraftwerkinhaber an die geltenden Umweltauflagen halten, wie es im vorliegenden Fall deutlich wird: Wenn der WWF Schweiz der Meinung ist, beim Kraftwerk Hammer sei die Restwassermenge zu gering, kann er eine Beschwerde gegen dessen Baugesuch einreichen und diese bis zum Bundesgericht weiterziehen.
  Reibungen gibt es in Wirklichkeit mit den Plänen der EU-Turbos in Bundesbern: Die Nutzung der Wasserkraft gehört in der Schweiz zum Service public. Die meisten Kraftwerke sind in den Händen von Kantonen und Gemeinden. Seit Jahren bemüht sich der Bundesrat vergebens, die 650 grösseren Kraftwerke zu Grossfusionen zu bringen und damit ihre Privatisierung einzuläuten – eine zwingende Bedingung für die Einfügung in den EU-Strommarkt. Denn mit dem geplanten Rahmenabkommen und einem darauf basierenden Stromabkommen würde das Verbot staatlicher Beihilfen gelten. Traditionelle Rechtsformen wie die ehehaften Rechte von Gewerbebetrieben, die Strom für die lokalen Bedürfnisse produzieren und niemanden in der Gemeinde stören, kann man erst recht nicht brauchen, wenn man ein Stromabkommen mit der EU anstrebt.

Bundesgericht knackt die ehehaften Rechte mit einem fragwürdigen Trick

Das Bundesgericht benutzt nun diese konkrete Beschwerde, um die Auflösung der ehehaften Rechte in Gang zu setzen, obwohl sie im vorliegenden Fall gar nicht beanstandet wurden: «Streitgegenstand sind somit nur die erteilten Bau- und Ausnahmebewilligungen, nicht aber die (auch vom BAFU in seiner Vernehmlassung geltend gemachte) Verpflichtung zur Umwandlung des ehehaften Rechts in eine Konzession.» Deshalb könne eine solche Umwandlung im vorliegenden Verfahren nicht angeordnet werden. «Dagegen kann geprüft werden, ob eine Konzession Voraussetzung für die Erteilung der angefochtenen Bewilligungen ist. Wäre dies der Fall, könnten (und müssten) diese aufgehoben werden.» (Erwägungen 1.2.)
  Eine sehr merkwürdige Rechtsauffassung: Das Bundesgericht darf zwar in diesem Rechtsfall die Abschaffung der ehehaften Rechte nicht anordnen, aber es prüft, ob das Kraftwerk Hammer eine Konzession gebraucht hätte, damit der Zuger Regierungsrat die Baubewilligungen hätte erteilen dürfen, die er auf der Grundlage der ehehaften Rechte erteilt hat. Damit hebt es die – nicht strittige! – Rechtsgrundlage der ehehaften Rechte faktisch auf, sogar rückwirkend.
  Zum tatsächlichen Streitgegenstand, den erteilten Baubewilligungen, stützt sich das Bundesgericht auf die ökologische Expertise des Bundesamts für Umwelt BAFU. Dieses ist mit dem Zuger Verwaltungsgericht einig, dass die vom Kraftwerk Hammer «zur Sicherstellung der freien Fischwanderung geplanten Massnahmen» «hinreichend» sind (Erwägungen 7.6 und 8). Obwohl also die Forderungen des WWF Schweiz erfüllt sind, heisst das Bundesgericht dessen Beschwerde gut.
  Entsprechend sieht das Urteil aus: «Bau- und Ausnahmebewilligungen dürfen daher erst erteilt werden, wenn eine Konzession erteilt worden ist. Da es vorliegend an dieser Voraussetzung fehlt, ist die Beschwerde schon aus diesem Grund gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. […]» (Erwägung 6.5.)

Bundesgericht hat keine politischen Entscheide zu fällen, sondern Recht zu sprechen

Es ist nachvollziehbar, dass das oberste Gericht der Schweiz sich hinsichtlich der Beurteilung von Fischtreppen auf das Bundesamt für Umwelt (BAFU) abstützt. Dass es aber auch in bezug auf die rein rechtliche Frage der Aufhebung ehehafter Rechte der Vorgabe einer Verwaltungsstelle folgt, ist ziemlich ungewöhnlich. So zitiert das Bundesgericht: «Das BAFU betont, dass der Staat nach heutiger Rechtsauffassung Sondernutzungsrechte an öffentlichen Gewässern nicht mehr auf unbefristete Dauer, sondern nur noch befristet, mittels Konzession, erteile.» Es widerspreche «in höchstem Mass dem öffentlichen Interesse […], öffentliche Gewässer auf ewige Zeiten ihrem Zweck zu entfremden.» (Erwägung 3.4., Hervorhebung mw).
  Ist die Nutzung der Gewässer zur Stromerzeugung eine «Zweckentfremdung»? Dass die Leute im BAFU unsere Flüsse und Bäche in erster Linie als Lebensräume für Tiere und Pflanzen betrachten, ist nichts Neues, dass sie zu diesem Zweck die Internationalisierung anstreben, auch nicht. Das Bundesgericht aber hat seine Entscheide gemäss dem Schweizer Recht zu treffen.
  Der Forderung des BAFU entsprechend, setzt die I. Öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichtes die ehehaften Wasserrechte faktisch ausser Kraft, mit vielen nebulosen Formulierungen: Sie seien «den heute geltenden Vorschriften zu unterstellen, und zwar grundsätzlich entschädigungslos». Die ehehaften Rechte seien «bei erster Gelegenheit» abzulösen, eventuell mit einer Übergangsfrist. «Will der Berechtigte die Wassernutzung weiterführen, bedarf er hierfür einer Konzession nach heutigem Recht.» (Erwägungen 6.4. und 6.5., Hervorhebungen mw)
  Eine ganze Reihe unklarer Anweisungen mutet das Gericht den kantonalen Behörden und den Kraftwerkbetreibern zu. Die allgemeine Ratlosigkeit war nach diesem Entscheid gross, und entsprechend umfangreich kommt das Gutachten zur Ablösung der ehehaften Wasserrechte daher, welches im Auftrag des Kantons Zug kürzlich veröffentlicht wurde.4 Dessen Ergebnisse darzulegen ist hier nicht der Ort.   •


1  Stalder, Helmut. «Kleinkraftwerken geht der Schnauf aus»; in: Neue Zürcher Zeitung vom 5.11.2020
2  Bölli, Martin. Medienmitteilung zum Entscheid des Bundesgerichts zur erforderlichen Neukonzessionierung mehrerer Hundert Wasserkraftwerke. Swiss Small Hydro vom 16. Mai 2019
3  Bundesgerichtsentscheid 1C_631/2017. Urteil vom 29. März 2019. I. öffentlich-rechtliche Abteilung. Sachverhalt
4  Abegg, Andreas; Seferovic, Goran. «Die Ablösung ehehafter Wasserrechte». Gutachten zur Umsetzung des Bundesgerichtsentscheids 145 II 140 (Hammer) vom 26.10.2020 zuhanden des Kantons Zug

Trügerische «Versorgungssicherheit» durch ein Stromabkommen mit der EU

mw. Das Schweizervolk hat am 21. Mai 2017 das revidierte Energiegesetz angenommen und damit vor allem zugestimmt, dass die Atomkraftwerke in der Schweiz längerfristig durch erneuerbare Energien ersetzt werden sollen. Eine entschlossene Förderung der einheimischen Energien und ganz besonders der Wasserkraft, welche die Natur der Schweiz in grossem Umfang zur Verfügung stellt, ist jedoch zur Sicherung der Energieversorgung unumgänglich. Die Schweiz ist gut gefahren damit, dass die Wasserkraft, einer der wichtigsten Bereiche des Service public, in den Händen von Kantonen und Gemeinden oder eben von lokal verankerten Gewerbebetrieben bleibt.
  Wer glaubt, ein Stromabkommen mit der EU würde die Versorgungssicherheit der Schweiz erhöhen, weil wir dann in Zeiten der Stromknappheit leichter Strom importieren könnten, irrt sich gewaltig. Schon vergessen, dass unsere Nachbarländer im Frühjahr von der Schweiz bestellte und bezahlte Lieferungen von Schutzmasken und anderem dringend benötigtem Material rechtswidrig nicht über die Grenzen lassen wollten? Genauso wird es mit dem Strom laufen: Wenn ein Staat selbst knapp dran ist, schaut er zuerst für sich. Um die notwendige Energie importieren zu können, schliesst die Schweiz ohnehin gescheiter Verträge mit einzelnen Staaten ab, das bringt mehr Sicherheit als ein Abkommen mit Brüssel. Aber am allersichersten ist eine erhebliche Erhöhung der Eigenproduktion.
  Die Schweizer Behörden, auch das Bundesgericht und die Verwaltung sind dazu verpflichtet, die einheimische Energiegewinnung zu fördern, statt ihr Steine in den Weg zu legen, weil sie nicht zur «Öffnung» des Strommarktes passt.
  Immerhin hat der Bundesrat am 11. November mitgeteilt, dass mit der bereits wieder anstehenden Revision des Energiegesetzes von 2017 die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Stromproduktion, insbesondere der Wasserkraft, wesentlich verbessert werden sollen. Vor allem Speicherkraftwerke zur Sicherung der Stromversorgung im Winter will der Bundesrat mit massiv höheren Beiträgen (zusätzlich 0,2 Rp./kWh) fördern. («Der Bundesrat will eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien», Medienmitteilung vom 11.11.2020)


«Die nachhaltige Nutzung der Kleinwasserkraft findet breite Unterstützung»

Interview mit Martin Bölli, Geschäftsleiter des Schweizer Verbandes der Kleinwasserkraft Swiss Small Hydro*

Zeit-Fragen: Herr Bölli, was sagen Sie zum Entscheid des Bundesgerichts, dass die «ehehaften Rechte» abgeschafft und durch Konzessionen ersetzt werden sollen?
Martin Bölli
: Es war für alle Beteiligten überraschend. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass sie bis zu einem gewissen Grad geschützt sind. Dieser neue Entscheid verlangt jedoch eine «baldmöglichste» Neukonzessionierung: Was heisst das?
  Das ganze Konzessionsverfahren ist sehr aufwendig, es kann bis zu zehn, fünfzehn Jahre dauern. In dieser Zeit wird das Projekt oft mehrmals überarbeitet, auch auf Grund von Einsprachen. Manchmal geht es sehr schlank und unauffällig, aber das ist eher die Ausnahme, grundsätzlich hat man Angst vor einer Neukonzessionierung.

Kann die Konzessionierung auch abgelehnt werden?
Ja, die Umweltverbände können beim Regierungsrat Einsprache erheben auf Grund des Verbandsbeschwerderechts. Sie können zum Beispiel verlangen, dass es mehr Restwasser als das gesetzlich festgelegte Minimum brauche, zum Beispiel zum besseren Schutz einer Fischart. Die Menge, die durch die Restwasserstrecke hinabfliesst, steht dann nicht für die Turbinierung zur Verfügung. Das bedeutet entsprechend weniger Stromertrag, und wenn die Restwassermenge zu gross wird, lohnt es sich irgendwann nicht mehr.

Habe ich Sie richtig verstanden: Für den WWF und andere Umweltorganisationen ist es also besser mit einer Konzession, weil sie dann ihre Einsprachen machen und die Verfahren in die Länge ziehen können?
Ja, genau.

Und für die Kleinkraftwerke ist es ohne die ehehaften Rechte schlechter, weil es sich für sie zuletzt gar nicht mehr lohnt zu produzieren?
Ja. Das ehehafte Wasserrecht war wie ein Trumpf, den man hatte. Man hat gewusst, an diesem Standort haben wir zum Beispiel seit 150 Jahren Energie produziert, mechanisch oder elektrisch, und weil dieses Recht immer noch gültig ist, hat man eine gute Ausgangslage, um Investitionen zu tätigen in eine Erneuerung oder gar eine Erweiterung.
  Früher mussten die Wasserräder 20–24 Stunden täglich über das ganze Jahr eine gewisse Energie bringen, damit man die Mühlen antreiben konnte.
  Heute, mit dem Übertragungsnetz, macht man das anders. Wenn es zu wenig Wasser hat, stellt man die Anlage ab und leitet das Wasser in die Restwasserstrecke hinein, und je mehr Wasser zufliesst, desto mehr Strom kann ich produzieren. Diesen Strom muss ich nicht vor Ort verbrauchen, sondern leite ihn ins Netz, so dass er an einem anderen Ort genutzt werden kann. So kann man grundsätzlich mehr Restwasser im Fliessgewässer lassen, aber insgesamt, über das ganze Jahr, trotzdem mehr Strom produzieren. Das ist eine Win-win-Situation. Damit man diesen Umbau machen kann, braucht man aber eine neue Umleitung, neue Rohre, eine neue Turbine, einen Generator, man muss auch am Wehr verschiedene Massnahmen ergreifen. Das Ganze wird also ein recht kompliziertes Projekt mit entsprechendem Investitionsbedarf.
  Momentan haben wir das Problem, dass der Energiepreis sehr tief ist, 4 bis 6 Rappen pro Kilowattstunde. Wenn man diese Investition über 80 Jahre amortisieren muss, dann investiert niemand mehr. Wenn heute jemand Geld in die Hand nimmt, will er es innerhalb von 15 oder 25 Jahren zurückbezahlt haben zu einem Zinssatz von mindestens 1 bis 3 Prozent. Dabei muss er verschiedene Risiken berücksichtigen, vom Risiko einer nicht erteilten Bewilligung über eine Trockenheit (wie vor zwei Jahren) oder Stillstandszeiten auf Grund von Wartungs- und Reparaturarbeiten. Das Risiko muss in einem gewissen Verhältnis zum Ertrag sein.

Warum kommt der Umbau heute teurer?
Heute braucht es eine umfassende Planung, als Teamarbeit von Bauingenieuren, Hydrologen, Gewässerökologen oder auch von Maschinenbau- und Elektroingenieuren. Es ist ein technisch komplexes Bauwerk, ein interdisziplinäres Projekt, das einen gewissen Aufwand und einen Abgleich untereinander erfordert. Die Bauten müssen hohe Auflagen erfüllen, an hochwassergefährdeten Flüssen braucht es zudem die Gewährleistung der Sicherheit auch bei ausserordentlichen Hochwasserereignissen.
  Das ist auch das Problem bei den Anlagen mit den ehehaften Wasserrechten, die man eigentlich ausbauen könnte, im Sinne der neuen Energiestrategie, so dass man deutlich mehr produzieren könnte. Aber weil die administrativen Verfahren so kompliziert und aufwendig geworden sind, rechnet es sich für die wenigsten Anlagen, so viel Geld in die Hand zu nehmen, auch weil sie keine Förderung in Anspruch nehmen können.

Für die kleineren Kraftwerke gibt es keine Förderbeiträge des Bundes?
Nein, mit dem neuen Energiegesetz nicht. Das war leider einer der Entscheide des Parlaments, der nicht zugunsten der erneuerbaren Stromproduktion gefällt wurde. Obwohl sogar ein Wasserrad, das 3 kW Leistung erbringt, etwa 5 bis 6 Haushalte das ganze Jahr mit Strom versorgen kann. Diese Verhältnismässigkeit war in der Politik vielleicht zu wenigen bewusst, sonst wäre vermutlich etwas anderes herausgekommen.
  Zudem haben wir in der Bundesverwaltung zwei Behörden mit unterschiedlichen Zielen: Das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das die Gewässer schützen will, und das Bundesamt für Energie (BFE), welches den Beitrag der Kleinwasserkraft betont, der vier Terawattstunden pro Jahr ausmacht, das heisst 11–12 % der gesamten Wasserkraft.

11–12 %? Das sollte man doch fördern! Wir haben 2017 mit der neuen Energiestrategie dafür gestimmt, dass die erneuerbaren Energien gefördert werden, nicht, dass man ihnen das Leben schwermacht.
Einverstanden. Aber im neuen Energiegesetz steht eben auch drin, die Erhaltung der bestehenden kleinsten Kraftwerke, unter 300 kW Leistung, nicht mehr zu fördern. Für neue kleine Wasserkraftwerke hat das Parlament die Grenze sogar auf 1 MW erhöht. Das ist wirklich eine hohe Schwelle.

Zurück zum Bundesgerichtsurteil. Im Fall des Kraftwerks Hammer sagt das Bundesamt für Umwelt, die Umweltanforderungen seien erfüllt. Eigentlich gab es keinen Grund, die Beschwerde des WWF Schweiz gutzuheissen. Habe ich das richtig verstanden?
Ich persönlich vermute, im Fall Kraftwerk Hammer wäre eine Einigung möglich gewesen zwischen dem WWF und dem Betreiber. Aber die Beschwerde hatte effektiv die ehehaften Wasserrechte im Visier. Der WWF hat ein Rechtsgutachten von Bütler/Riva für einen Prozess erstellen lassen [zitiert in Erwägung 5.3. des Bundesgerichts], und dann gewartet, bis er die Gelegenheit hatte, über das Verbandsbeschwerderecht einen Fall mit ehehaftem Wasserrecht zum Bundesgericht weiterzuziehen. Hammer hatte das Pech, dass es das Kraftwerk war, das mit diesem neuen Gutachten vors Bundesgericht geladen wurde. Dort wurde die ganze Sache der ehehaften Wasserrechte neu aufgerollt, und das Bundesgericht kam erstmals zum Schluss, diese seien nicht mehr zeitgemäss und müssten an das geltende Recht angepasst werden. Am Beispiel von Hammer konnte der WWF die Praxis des Bundesgerichts auf einen Schlag umdrehen, und jetzt gibt es Hunderte von Kraftwerken, von denen sie verlangen können, dass dieses Recht abgelöst wird durch eine Konzession. Im Rahmen des Konzessionierungsverfahrens können dann die Verbände ihre Forderungen einbringen. Diese Möglichkeiten hatten sie bei den ehehaften Wasserrechten nicht.

Das Bundesgericht hat sich, neben dem Gutachten Bütler/Riva des WWF, auch auf die «Rechtsauffassung» des Bundesamtes für Umwelt abgestützt. Das Bundesgericht müss-te aber doch seine eigene Rechtsauffassung einbringen, nicht die des BAFU. Es hätte sagen können, die ehehaften Rechte stünden hier gar nicht zur Diskussion.
Ja, definitiv. Weil das BAFU eine Milliarde (!) Franken hat, um mit seinen Programmen die negativen ökologischen Folgen der Wasserkraft zu mindern, ist dieses Bundesgerichtsurteil natürlich auch im Interesse des BAFU. Andererseits wurde mir mitgeteilt, dass das Bundesamt für Energie BFE im ganzen Verfahren gar nicht angehört wurde. Eigentlich hätte nicht das BAFU angehört werden müssen, sondern eher das BFE, unter dessen Zuständigkeit auch das Wasserrechtsgesetz gehört.

Vielen Dank, Herr Bölli, für das sehr aufschlussreiche und spannende Gespräch.


*  Swiss Small Hydro unterstützt die Anliegen der Kleinwasserkraftwerke. In der Schweiz gibt es rund 1400 Kleinst- und Kleinwasserkraftwerke mit maximal 300 kW beziehungsweise 1 bis 10 MW. Diese produzieren 11–12 % der Wasserkraft und gut 5 % der gesamten Schweizer Stromproduktion. «Die nachhaltige Nutzung der Kleinwasserkraft findet breite Unterstützung, da auf eine sorgfältige Integration in die Umwelt geachtet und die lokale Wertschöpfung gefördert wird.» (Quelle: https://swissmallhydro.ch)

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