UN-Experte Nils Melzer begrüsst die Ablehnung der Auslieferung von Julian Assange

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hat heute (5. Januar 2021) die Weigerung eines britischen Gerichts begrüsst, den Wikileaks-Gründer Julian Assange an die Vereinigten Staaten auszuliefern, da er dort «bedrückenden» Haftbedingungen ausgesetzt wäre, die ihn mit ziemlicher Sicherheit in den Selbstmord treiben würden.
  «Dieses Urteil bestätigt meine eigene Einschätzung, dass Herr Assange in den Vereinigten Staaten Haftbedingungen ausgesetzt wäre, die weithin als Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe anerkannt sind», sagte Melzer.
  Herr Assange wird derzeit in anhaltender Isolationshaft im Belmarsh-Gefängnis in London unter einem US-Auslieferungsantrag für Spionage und Computerbetrug festgehalten. «Wenn er an die Vereinigten Staaten ausgeliefert wird, droht ihm eine Strafe von bis zu 175 Jahren Haft unter unmenschlichen Bedingungen einer fast völligen Isolation», sagte Melzer.
  Gleichzeitig schafft das Urteil vom Montag einen alarmierenden Präzedenzfall, welcher investigativen Journalisten den Schutz der Pressefreiheit effektiv verweigert und den Weg für ihre Verfolgung auf Grund von Spionagevorwürfen ebnet. Im Jahr 2010 hatte Herr Assange sensible Militärdokumente über die Kriege im Irak und in Afghanistan veröffentlicht.
  «Ich bin sehr besorgt, weil das Urteil die gesamte, sehr gefährliche Begründung der US-Anklage bestätigt, die effektiv darauf hinausläuft, ‹national security journalism› zu kriminalisieren», sagte Melzer.
  Die Vereinigten Staaten haben angekündigt, dass sie gegen das Urteil Berufung einlegen werden, begrüssten aber, dass die Richterin alle Argumente zur Verteidigung von Assange abgewiesen hat, die sich auf die Pressefreiheit, das öffentliche Interesse an der Aufdeckung von Regierungsfehlverhalten, das Verbot von Auslieferungen wegen politischer Straftaten und das Versagen der USA, Angeklagten aus dem Bereich der nationalen Sicherheit faire Prozesse zu bieten, stützten.
  «Das ist sehr besorgniserregend», sagte Melzer. «Keine dieser Fragen wird nun vom Berufungsgericht überprüft werden, da die einzige Frage, die auf dem Spiel steht, die medizinische Tauglichkeit von Herrn Assange sein wird, den US-Haftbedingungen standzuhalten.
  Sollten die USA zusichern, dass Herr Assange menschlich behandelt wird, könnte seine Auslieferung möglicherweise in der Berufung bestätigt werden, ohne dass eine sinnvolle Überprüfung der sehr ernsten rechtlichen Bedenken, die dieser Fall aufwirft, erfolgt.»
  Melzer hat in verschiedenen Mitteilungen und Erklärungen wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass Herr Assange seit mehr als  zehn Jahren willkürlicher Inhaftierung und politischer Verfolgung ausgesetzt ist. Während eines 2019 durchgeführten Besuchs im Belmarsh-Gefängnis stellten Melzer und ein medizinisches Spezialistenteam fest, dass Herr Assange alle Symptome zeigte, die charakteristisch für lang andauernde psychologische Folter sind.
  «Das Urteil verkennt, dass der miserable Gesundheitszustand von Herrn Assange die direkte Folge einer jahrzehntelangen vorsätzlichen und systematischen Verletzung seiner grundlegendsten Menschenrechte durch die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Schwedens und Ecuadors ist», sagte Melzer.
  Laut Nils Melzer hält die Tatsache, dass das Urteil die Verfolgung und Folter von Herrn Assange nicht anprangerte und wiedergutmachte, «den beabsichtigten Einschüchterungseffekt auf Journalisten und Whistleblower weltweit, die versucht sein könnten, geheime Beweise für Kriegsverbrechen, Korruption und anderes staatliches Fehlverhalten zu veröffentlichen, vollständig aufrecht».
  «Herr Assange muss jetzt unverzüglich freigelassen, rehabilitiert und für den Missbrauch und die Willkür, denen er ausgesetzt war, entschädigt werden», sagte Melzer. «Selbst mit einer anhängigen Berufung ist seine fortgesetzte Isolation in einem Hochsicherheitsgefängnis völlig unnötig und unverhältnismässig. Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür, ihn daran zu hindern, das endgültige Urteil in einer Umgebung abzuwarten, in der er seine Gesundheit wiedererlangen und ein normales Familien- und Berufsleben führen kann.»
  «Es bleibt zu hoffen, dass dieses Urteil der Verfolgung und Inhaftierung von Herrn Julian Assange als Einzelperson ein Ende setzen wird. Aber im Grossen und Ganzen setzt es einen verheerenden Präzedenzfall, der die Pressefreiheit, die Rechenschaftspflicht und die Rechtsstaatlichkeit schwer untergräbt.»  •

Quelle: https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=26638&LangID=E vom 5.1.2021

(Übersetzung Zeit-Fragen)

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