Leserbrief

Millionen klagen: «Einer kann ja doch nichts tun!» – Stimmt das?

1943, als Stalingrad passierte, wurde ich an die Flak-Kanonen gerufen, als 16jähriger, und ich habe den Krieg mit Desertieren beendet. Sonst wäre ich heute nicht mehr am Leben. Die 17- und 18jährigen, die nicht davonliefen damals, kamen fast alle im Häuserkampf in Berlin um.
  Ich habe nicht so etwas wie Stalingrad erlebt, nur wenige, aber hochgefährliche Situationen. Ich erinnere mich an einen russischen Panzer, der einen blutjungen deutschen Offizier überrollt hat. Ganz am Schluss hatte er sein Leben für das Vaterland geopfert, ein Irrsinn.
  Weil ich auf dem Heimweg zu den Russen sagte, ich bin Schweizer, liessen sie mich laufen. Ein Russe nahm mir die Uhr und die Fotokamera weg, aber ich sah es ihm nach, weil er mir gleich Verpflegungskonserven von seinem Lkw als Entschädigung zuwarf. Die waren viel wert in der damaligen Zeit. Menschlich gesehen sind mir die Russen sympathisch.
  Es gibt ein Buch von dem Kanadier James Baques, «Der geplante Tod», in dem beschrieben wird, wie amerikanische Soldaten in ihren Gefangenenlagern Lebensmittel wegwarfen oder vor den hungernden Gefangenen verbrannten. Wochen nach der Kapitulation gab es noch im Rheinwiesengelände ein Todeslager der Amerikaner.
  Nach dem Krieg fragte ich mich: «Wie hat das passieren können? Das habe ich nicht gewusst! Das soll keiner als Entschuldigung noch einmal vorbringen können, dazu will ich beitragen.»
  Ich bin in die Friedensbewegung gegangen und in den Umweltschutz. Wyhl war ein Lehrstück. Da war ich als Amateurfilmer dabei, beim wichtigen Film «S’Wespennest» (110 Minuten), 8 mm Filmformat, war ich dabei, habe zwanzig Minuten Film beigesteuert. In Markolsheim fing es an, dann in Kaiseraugst in der Schweiz und Gerstheim. Dort haben wir verhindert, dass ein Strommast der EDF (Electricité de France) in Betrieb genommen wurde.
  Die Zeit in Wyhl war eine der schönsten Zeiten meines Lebens. Man war sich so einig, übte Solidarität gegen mächtige Gegner. «Zämme simmer stark!»
  Ich versuche, mich zu informieren. Die «Annexion der Krim» wird in die Köpfe manipuliert, ständig wiederholt. Das ist Propaganda.
  In der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» war ein Artikel eines Hamburger Rechtswissenschaftlers, eines Völkerrechtlers: «Die Annexion war eine Sezession, dazu mit Abstimmung gutgeheissen!»
  Drei Sachen sind für die Amerikaner in ihrer Europa-Politik wichtig: to keep the Americans in, to keep the Russians out (gegen gute Zusammenarbeit Russlands mit Deutschland und Europa); to keep the Germans down.
  Wie die Amerikaner das ausnutzen, wo es geht, streuen sie Salz in die Wunden (zum Beispiel in Polen).
  Die Amerikaner stellen den Russen heute Fallen, so dass Putin reagieren muss, das ist bösartig. Man sollte statt dessen zusammenarbeiten.
  Wenn die Oberen wollen, dann geht es mit der Versöhnung. So, wie die deutsch-französische Versöhnung eingeführt wurde, ist es ein Vorbild.
  Die Sprache des Nachbarn zu lernen schafft Freundschaft und dient der Völkerverständigung. Ende des letzten Jahres schilderte die Autorin eines Zeitungsartikels ihre Schritte beim Französischlernen: Sie hatte Schwierigkeiten, die Sprache zu lernen. Die erste Lehrerin der Autorin war eine störrische Person und auch mürrisch, die Autorin hatte ein «Mangelhaft» gekriegt. Und dann hat sie eine jüngere Lehrerin gehabt. Die hat es verstanden, die Schüler zu motivieren. Und da bekam sie ein «Sehr Gut». Man kann dabei sehen, wie es auf den Lehrer ankommt.
  Die Versöhnung Russland-Deutschland wäre die Vollendung Europas, wie sie Gorbatschow anstrebte. Und de Gaulle schwebte ein «Europa der Vaterländer» vor, ohne Super-Regierung in Brüssel.

Ernst Udo Kaufmann, Müllheim (DE)

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