Eine der angesehensten und bestinformierten Anti-Atomkriegsgruppen der Welt ist die Los Alamos Study Group. Die LASG wurde am Ende des Kalten Krieges in Los Alamos, New Mexico, gegründet, wo die ersten Atombomben entwickelt und gebaut wurden, und hat sich zum Ziel gesetzt, Atomwaffen aus der Aussenpolitik zu verbannen. Die LASG hat in den USA bahnbrechende Prozesse in den Bereichen Umweltschutz, Bürgerrechte und Informationsfreiheit gewonnen, Hunderte von Briefings auf höchster Ebene durchgeführt und eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung der Produktion der Kernelemente von Plutoniumsprengköpfen gespielt. Angesichts des drohenden Atomkriegs in der Ukraine hat die LASG diese bemerkenswerte und dringende Analyse der Risiken und Lösungen veröffentlicht.
John Pilger
Seit dem Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine ist aus dem regionalen Konflikt ein globaler hybrider Krieg geworden, bei dem immer mehr auf dem Spiel steht, nicht zuletzt die Gefahr eines Atomkriegs.
Die vielleicht grösste Gefahr liegt in den unterschiedlichen Motiven der Parteien, die auch die Hauptursache für diesen Krieg sind: Russland strebt nach Sicherheit, während die USA und ihre Nato-Verbündeten die Ukraine benutzt haben, um diese Sicherheit zu verweigern – um «Russland zu brechen», wie Henry Kissinger es 2015 formulierte. Die USA wollen keinen Frieden, es sei denn, es handelt sich um den Frieden eines besiegten Russlands. Deshalb gibt es kein offensichtliches Ende der Eskalationen und Gegeneskalationen. Die USA und die Nato sehen in dem Krieg, den sie so sehr zu provozieren versuchen, eine Chance.
Die Tragödie besteht darin, dass nur wenige Menschen zu verstehen scheinen, dass der Ukraine-Krise eine bestimmte Strategie zugrunde liegt, die als Wolfowitz-Doktrin bekannt ist. Sie ist benannt nach Paul Wolfowitz, der als stellvertretender Verteidigungsminister in der Regierung von George H.W. Bush einer der Autoren eines Dokuments aus dem Jahr 1992 war. In ihm wurde ein neokonservatives Manifest dargelegt, das darauf abzielte, die amerikanische Vorherrschaft im Weltgeschehen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sicherzustellen.
«Unser erstes Ziel», so heisst es in dem Dokument, «ist es, das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen [der Vereinigten Staaten] zu verhindern, sei es auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo. […] Dies ist eine grundlegende Überlegung, die [einer] regionalen Verteidigungsstrategie zugrunde liegt. Sie erfordert, dass wir uns bemühen, jede feindliche Macht daran zu hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen unter konsolidierter Kontrolle ausreichen würden, um globale Macht zu erzeugen.»
Die Wolfowitz-Doktrin war der Auslöser dafür, dass die Nato nach dem Kalten Krieg als Instrument der blutigen Aggression gegen Jugoslawien, Afghanistan, den Irak und Libyen eingesetzt wurde. Sie verkündete faktisch, dass die Diplomatie tot sei und die amerikanische Macht notfalls mit Gewalt regiere. Ein wiedererstarktes Russland unter der Führung von Wladimir Putin war das nächste Ziel, und am Horizont zeichnete sich ein aufstrebendes China ab.
Der von Washington eingefädelte Staatsstreich in der Ukraine im Jahr 2014, bei dem ein gewählter Führer abgesetzt wurde, der die Beziehungen seines Landes zum benachbarten Russland stärken wollte, war ein Produkt der Doktrin von 1992 und des damit verbundenen Extremismus. Victoria Nuland, eine neokonservative Ideologin und Präsident Barack Obamas «Ansprechpartnerin» in der Ukraine, hat die gleiche Rolle im Aussenministerium von Präsident Joe Biden gespielt.
Die Doktrin von 1992 wird in einer berüchtigten RAND-Studie näher erläutert, in der es darum geht, wie man sich übermässig ausbreiten und, in Kissingers Worten, «Russland brechen» kann. Dies ist die heutige Aussenpolitik der USA: eine Tatsache, die von der russischen Führung sehr wohl verstanden wird, da sie ihr Land praktisch als von den Vereinigten Staaten bedroht ansieht.
Das Potential amerikanischer Raketen, die von ehemaligen sowjetischen Satellitenstaaten aus auf Moskau gerichtet sind, und die Stationierung von Nato-Truppen sind die Realität, die sie sehen. Eine militarisierte und stark antirussische Ukraine, die von den USA als Werkzeug benutzt wird, die den Wunsch nach Atomwaffen äussert und kurz davor steht, in russlandfreundliche Provinzen an der russischen Grenze einzumarschieren – all das war zu viel für Russland. Was würden die USA wohl tun, wenn sich eine solche Situation in Mexiko oder Kanada ergeben würde?
Seit 2014 hat es sich die Los Alamos Study Group zur Aufgabe gemacht, den Konflikt in der Ukraine und seine Bedeutung für die Welt zu verstehen. In jenem Jahr haben wir öffentliche Treffen und Teach-ins zu diesem Thema abgehalten und seither versucht, die Entwicklungen so gut wie möglich zu analysieren. In der Obama-Regierung brachten wir unsere Bedenken in die Büros des Nationalen Sicherheitsrats – und waren entsetzt über den Mangel an Wissen und Verständnis, den wir dort vorfanden.
Viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben zu diesem Konflikt Stellung genommen. Unserer Ansicht nach sind die meisten (nicht alle) ihrer Erklärungen oberflächlich und/oder lassen die Ursachen der Invasion, wie Russland sie versteht, aus, oder sie stimmen mit der Propaganda der USA und der Nato überein.
Die grundlegenden Schlussfolgerungen der Studiengruppe
Was die Studiengruppe möchte
Quelle: https://consortiumnews.com/2022/03/07/a-proposed-solution-to-the-ukraine-war/ vom 7.3.2022
(Übersetzung Zeit-Fragen)
* Greg Mello ist der leitende Direktor der Los Alamos Study Group in Albuquerque, New Mexico.
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