Beitragen zu einem selbstbestimmten Leben

Das Wirken der «Neven Subotic Stiftung» in Afrika

von Winfried Pogorzelski

Neven Subotić wurde 1988 im heutigen Bosnien und Herzegowina geboren. 1990 floh die Familie wegen zunehmender politischer Spannungen nach Deutschland. Um der nach zehn Jahren Aufenthalt drohenden Abschiebung in ihre Heimat zu entkommen, wanderte sie in die USA aus, wo Neven mit dem Fussballspielen in Jugendvereinen begann, bis er 2007 nach Deutschland in die erste Bundesliga wechselte und Profi wurde. Noch vor Beendigung seiner Karriere gründete er 2012 die «Neven Subotic Stiftung», die es sich zur Aufgabe macht, die Bevölkerung von Äthiopien, Kenia und Tansania mittels Brunnenbohrungen mit Trinkwasser und sanitären Anlagen zu versorgen. Inzwischen profitieren davon 170 000 Menschen.

Wie der damals 22jährige erfolgreiche Spitzensportler den Entschluss fasste, dem Fussballer-Dasein den Rücken zu kehren und sich ganz seinem humanitären Anliegen zu widmen, schildert er in seinem Buch «Alles geben. Warum der Weg zu einer gerechten Welt bei uns selbst anfängt», das zum zehnjährigen Jubiläum der Stiftung erschien.

Strenge Erziehung mit Sport im Zentrum

Neven Subotić lernt zunächst seine Heimat auf dem Balkan nur bei einem Besuch zusammen mit seinem Vater kennen, der den Jugoslawien-Krieg hat kommen sehen und deswegen mit seiner Familie nach Deutschland flieht, als Neven noch ein Kleinkind ist. Die Eltern dürfen nicht arbeiten, behelfen sich mit Schwarzarbeit, auch um Hilfspakete in die Heimat schicken zu können. Von klein auf helfen Neven und seine ältere Schwester mit, der Mutter beim Toiletten-Putzen, dem Vater bei allerlei Gelegenheitsjobs. Sie werden streng erzogen. Neven spielt Fussball, die Schwester Tennis. Beide trainiert der ehrgeizige Vater, ein erfolgreicher Amateursportler. Nach neun Jahren droht die Abschiebung, und die Familie wandert in die USA aus. Der Junge spielt weiter in verschiedenen Mannschaften und bringt es bis zum Nachwuchsspieler in der US-amerikanischen Jugendnationalmannschaft.

Erfolg, wenn alle alles geben:
Spieler, Trainer und Fans

Zurück in Deutschland entwickelt sich der siebzehnjährige Neven Subotić mit der Zeit zu einer festen Grösse im deutschen Club-Fussball. Das hat er – zuerst bei den Bundesligisten «Mainz 05» und dann bei «Borussia Dortmund» – vor allem seinem Ziehvater und Trainer Jürgen Klopp zu verdanken. Für ihn ist er «der aussergewöhnlichste Spieler, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Nicht fussballerisch, aber menschlich». (S. 13) Der junge Innenverteidiger erlebt in ihm einen Trainer, auf dessen Rückhalt er sich absolut verlassen kann: «Wir machen das gemeinsam, und ich schütze euch. Alles, was gut läuft, ist euer Verdienst. Alles, was schlecht läuft, geht auf meine Kappe.» (S. 110)
  Das lässt den jungen Profi über sich hinauswachsen: Er liefert, was von ihm erwartet wird: Ausdauer, Verlässlichkeit, Fairness – Tugenden, die ihn schon Vater und Mutter lehrten. Er ist im Olymp des Fussballs angekommen, geniesst es, den «Zusammenhalt zu erleben, als wären wir alle Geschwister, Halt und Hoffnung zu spüren und gemeinsam an der nächsten Herausforderung zu wachsen; der Wille, in einem Wettkampf das Beste aus sich herauszuholen; die Wucht, die allein ein Stadion […] auslösen kann […], die Gefühle, die in jedem Einzelnen entstehen und wie sie Menschen dazu bringen, sich zu einer Einheit zu formen – all das sind für mich unbestrittene Werte.» (S. 147)

Die Kehrseite:
«Darsteller in einer künstlichen Welt» …

Luxuriöse Häuser, schnelle Autos, wechselnde Freundinnen, Partys in den angesagten Clubs prägen das Leben ausserhalb des Fussballstadions. Was als nächstes kommen würde, beschäftigt ihn erst einmal nicht. «Für Fragen dieser Art war ich taub. […] Ich wusste nicht, welche Schritte ich machen könnte im Sinn von: sich entwickeln statt nur anzuhäufen; selbst wenn ich bestimmt nicht der mit dem grössten Haus und den meisten Autos unter meinen Mannschaftskollegen war. Alles, was ich lebte, war wie ein Spiel, und ich war wie auf einer Wettstrecke: Schnellstes Auto? Ja, will ich haben! Die Figur in dem Spiel griff nach allem, was glänzte. Ich sass drin und drückte das Gas durch.» (S. 92f., Hervorhebung N. S.)

… und Zwang zur Erfolgsmaximierung

Doch schnell lernt er auch die Kehrseite dieses Systems kennen, «das nicht den Einzelnen sieht, sondern nur die Erfolgsmaximierung, und so auf alle darin Arbeitenden einen Druck ausübt, der sie nicht mehr menschlich agieren lässt. In den ungleichen Machtverhältnissen zwischen Liga und Vereinen, zwischen Trainern und Spielern erlebte ich unfaires Verhalten und respektlosen Umgang miteinander.» (S. 147) Er empfindet seine Abhängigkeit, seine Degradierung zur Ware, so dass seine «Liebe zu diesem Sport immer wieder erschüttert wurde», die «Romantisierung nachliess» und er sich «vom Platz entfremdete». (S. 147) Was einmal spannend war, wird langweilig, er stellt die Sinnfrage, Langeweile macht sich breit, und er spürt eine Verpflichtung, die sein wachsendes Vermögen mit sich bringt.
  Er fragt sich, wer er eigentlich sein möchte, worin sein Beitrag zu einer gerechteren Welt bestehen soll. Als Vertreter von «Borussia Dortmund» regelmässig bei Charity-Projekten mitzuwirken, mal den Eltern, mal Freunden finanziell auszuhelfen, ist schön und gut, stellt ihn aber immer weniger zufrieden.

Die Gründung der Stiftung – Beginn einer Erfolgsgeschichte

Neven Subotić trägt sich mit dem Gedanken, eine Stiftung zu gründen. Er will dort ansetzen, wo die Not am grössten ist, wo er Nachhaltiges bewirken kann. «Ich musste entscheiden, welchem von den zehn Millionen Problemen, die es auf der Welt gibt, ich mich stellen wollte.» (S. 176) Inspiriert von der amerikanischen NGO «Charity Water» beschäftigt er sich mit der Tatsache, dass Milliarden von Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Noch während seiner Zeit als Profifussballer vertieft er sich in Fachliteratur über die Funktionsweise einer Stiftung und über den Wassernotstand in Afrika; 2012 gründet er die «Neven Subotic Stiftung».
  Unter dem Titel «Zukunft spenden» hält die Stiftung in ihrem Leitbild fest: «Für uns ist unerträglich, dass Millionen von Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen haben. Ihnen fehlen damit elementare Lebensgrundlagen und die Voraussetzung für Gesundheit, Bildung und eine selbstbestimmte Zukunft. Das ist menschenunwürdig.» Mit Bildung eröffne die Stiftung den Menschen die Chance, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und eine echte Zukunftsperspektive. Die Resultate beeindrucken: 20 000 Spender ermöglichten bis jetzt die Realisierung von 484 Projekten in Äthiopien, Kenia und Tansania. Die Arbeit hat unmittelbare Auswirkungen: Die Überlebenschancen der Menschen steigen, weil sie sich nicht mehr mit verunreinigtem Wasser infizieren, Kinder, vor allem Mädchen können zur Schule gehen, anstatt täglich in Kanistern Wasser heranzuschleppen.
  Inzwischen hat Neven Subotić seine Sportkarriere beendet und widmet sich nur noch seiner Stiftung. Sein Buch schliesst mit den Sätzen: «Wenn ich mein Leben, wie ich es jetzt führe, mit dem vergleiche, wie es während meiner besten Zeit bei ‹Borussia Dortmund› war […], wenn ich die Figur sehe, die wie in einer Reality-TV-Show genau das liefert, was von ihr erwartet wird, empfinde ich Scham.» (S. 262) Zum Schluss appelliert er an die Leser, «dass wir die Ungerechtigkeit dieser Welt als Aufgabe annehmen». (S. 270)  •

Quellen:
Biermann, Christoph. Die wahre Geschichte des modernen Fussballs von 1992 bis heute, Köln 2022 (Kiepenheuer & Witsch), ISBN 978-3-462-00373-4
Subotić, Neven (mit Hartwig, Sonja). Alles geben. Warum der Weg zu einer gerechteren Welt bei uns selbst anfängt, Köln 2022 (Kiepenheuer & Witsch), ISBN 978-3-462-00233-1
Neven Subotic Stiftung: https://www.die-stiftung.de/stiftungsprojekte/die-neven-subotic-stiftung-unbeugsam-fuer-wasser-91963/
Weltwasser-Bericht der Unicef: https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/-/weltwassertag-2022-zehn-fakten-ueber-wasser/275338
Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF), «Markus Lanz» vom 7.9.2022
https://www.youtube.com/watch?v=KCI5tZpXRN0
Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF): «Volle Kanne» vom 10.11.2022, Neven Subotic zu Gast bei Florian Weiss

Die Fussballkarriere von Neven Subotić

wp. Neven Subotić spielt schon als Jugendlicher mit Begeisterung Fussball. Nach Engagements bei Jugendvereinen in den USA schafft er den Sprung in die dortige Jugend-Nationalmannschaft. Der deutsche Erfolgstrainer Jürgen Klopp (heute FC Liverpool) holt den 18jährigen 2007 zum Bundesligisten «Mainz 05», um ihn von dort 2008 zum Traditionsverein «Borussia Dortmund» mitzunehmen. Im Duo mit Mats Hummels als zunächst jüngstes und bestes Innenverteidiger-Team der Liga hat Subotić wesentlichen Anteil daran, dass Dortmund zweimal Deutscher Meister wird (2011, 2012) und einmal Pokalsieger (2012). Mit der serbischen Nationalmannschaft absolviert er von 2009 bis 2013 36 Spiele und nimmt 2010 an der Weltmeisterschaft teil. Sein Vermögen wird auf 30 Mio. geschätzt.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Neven_Subotić

Fakten aus dem UN-Weltwasserbericht von 2020

wp. Weltweit haben 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser; etwa doppelt so vielen Menschen stehen keine Sanitäranlagen zur Verfügung. Auf Grund von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum ist der weltweite Wasserverbrauch heute sechsmal so hoch wie vor 100 Jahren. Die Regionen der Erde, die von akutem Wassermangel betroffen sind, nehmen ständig zu. 90 % aller Abwässer versickern unbehandelt und belasten Umwelt und Trinkwasservorräte. Die Erderwärmung verschärft die Lage zusätzlich: Sie führt immer häufiger zu extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen und Starkregenfällen. Höhere Wassertemperaturen und weniger gelöster Sauerstoff führen dazu, dass sich Flüsse und Seen weniger gut selbst reinigen können. Das führt zur Zunahme von Verunreinigungen und Schadstoffkonzentrationen.
  Die Autoren des Weltwasserberichts rufen die Staaten dazu auf, sich stärker mit konkreten Massnahmen zu engagieren. Wasser sollte bei Verhandlungen über Klimapolitik eine grössere Rolle spielen. Ziel ist es, dass bis 2030 alle Menschen Zugang zu Trinkwasser und zu sanitären Anlagen haben.

Quelle: UN-Weltwasserbericht 2020:
https://www.unesco.de/kultur-und-natur/wasser-und-ozeane/un-weltwasserbericht-2020-wasser-und-klimawandel

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