Bundesrat bleibt beim Wiederausfuhrverbot von Schweizer Waffen – gegen in- und ausländische Kräfte

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Am 10. März 2023 hat der Bundesrat eine Medienmitteilung unter dem Titel «Ukraine: Bundesrat bekräftigt seine Haltung hinsichtlich der Wiederausfuhr von Kriegsmaterial durch Drittstaaten» veröffentlicht. Darin stellt er sich hinter die kürzlichen Entscheide des Parlaments gegen die Schwächung des Wiederausfuhrverbots, was er mit den Worten begründet: «Dabei stützt er sich einerseits auf das Kriegsmaterialgesetz und andererseits auf die von der Schweiz vertretenen Werte, ihre Neutralität, ihre Tradition der Humanitären Hilfe, ihre Verpflichtung für das Humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen sowie ihre internationale Praxis im Bereich der Friedensvermittlung.»

Zudem bekräftigt der Bundesrat seine Ablehnung der Gesuche von Deutschland, Dänemark und Spanien für die Weitergabe von aus der Schweiz gekauftem Kriegsmaterial an die Ukraine. Dabei verweist er auf Artikel 22a des Kriegsmaterialgesetzes, wonach «Gesuche für die Ausfuhr von Kriegsmaterial nicht bewilligt [werden], wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist. Das ist bei der Ukraine und Russland der Fall.» Auch wendet die Schweiz gegenüber der Ukraine und Russland das Neutralitätsrecht an, so der Bundesrat weiter: Danach hat die Schweiz «gemäss Artikel 7 in Verbindung mit Artikel 9 des Fünften Haager Übereinkommens von 1907» «bei Waffenexporten das Gleichbehandlungsgebot zu beachten».
  Eine klare und allgemein verständliche Stellungnahme.

Bundespräsident Alain Berset (SP) erklärt in der
NZZ am Sonntag die Haltung des Bundesrates

Seit dem Interview mit Bundespräsident Berset am 12. März1 reissen die entrüsteten Reaktionen gewisser Schweizer Politiker – und ausländischer, die der Schweiz vorschreiben wollen, was sie zu tun habe! – sowie der Mainstream-Medien von Zürich bis New York nicht mehr ab. Dabei reitet man vor allem auf dem Begriff «Kriegsrausch» herum und lenkt damit von den anderen Inhalten ab. Tatsächlich erklärt Berset im Interview die Stellungnahme des Bundesrats vom 10. März, selbstverständlich mit seiner eigenen, persönlichen Note. Der Schweizer Bundesrat ist eine Konkordanzregierung, das heisst, seine Mitglieder haben die gemeinsam getroffenen Mehrheitsentscheidungen nach aussen zu vertreten. Dies tut Bundespräsident Berset und ergänzt: Dies sei die Position des Bundesrates und auch seine persönliche Haltung, und diese Haltung werde auch vom Parlament gestützt.
  Was dem SP-Politiker vielerorts besonders übel vermerkt wird, ist seine Überzeugung, dass die Ukraine-Krise nicht mit Waffen gelöst werden kann: «Es wird dereinst Verhandlungen mit Russland geben müssen. Je früher, desto besser.» Zwei Tage später erhielt Berset Unterstützung vom weltbekannten Alt-SP-Nationalrat Jean Ziegler: Mit seinen Aussagen verkörpere Berset «absolut glaubwürdig eine traditionelle pazifistische, antimilitaristische Grundhaltung, welche in der sozialistischen Bewegung bis heute stark ist». Die SP in der Romandie sei aus historischen Gründen viel stärker durch «einen sozialistisch-libertären Pazifismus» geprägt als in der Deutschschweiz, so Ziegler.2 Wohl deswegen kam aus der französischsprachigen Schweiz viel weniger Kritik.

Worüber sich einige Parteichefs in Wirklichkeit ärgern

Aus der Flut von Medienerzeugnissen, deren Autoren einander gegenseitig die Verdrehungen von Bersets Aussagen abgeschrieben haben, greifen wir lediglich die Tagesschau vom 13. März 2023 auf. Entgegen der gesetzlichen Verpflichtung auf sachgerechte Darstellung der Fakten («Bundesgesetz über Radio und Fernsehen», Art. 4 Absatz 2) machte die Redaktion eifrig Stimmung gegen Bundespräsident Berset. Als erster goss FDP-Präsident Thierry Burkart – der sich kürzlich in einem Interview als Transatlantiker geoutet hatte und kundtat, dass er die Schweiz liebend gern der Nato und der EU weiter annähern würde – kräftig Öl ins Feuer gegen die Neutralität an sich und den Bundespräsidenten im besonderen. Dieser meine mit dem «Kriegsrausch» nicht Russland, sondern die westlichen Staaten «in ihren Bemühungen um die Ukraine». Das sei «alles andere als neutral». Zudem schade es dem Ansehen der Schweiz. – Letzteres trifft sicher zu für die Nato-Zentren, nicht aber für den «Rest der Welt». – Mitte-Präsident Gerhard Pfister doppelte in die gleiche Richtung nach, ebenso Roger Nordmann, Fraktionspräsident der SP.
  Im ganzen Getöse darf man nicht vergessen, worüber sich die genannten Parteichefs in Wirklichkeit ärgern: Burkart, Pfister und Nordmann sind Anfang März im Ständerat beziehungsweise im Nationalrat mit ihren Vorstössen für die faktische Auflösung des Waffen-Wiederausfuhrverbots für Lieferungen in die Ukraine bös auf die Nase gefallen: Beide Räte haben sich für die Einhaltung der Neutralität und des Verbots im Kriegsmaterialgesetz ausgesprochen. Positiv zu den Entscheiden des Parlaments und des Bundesrates kam in der besagten SRF-Sendung nur SVP-Präsident Marco Chiesa zu Wort. Hingegen wurden die Grüne Partei sowie die SP-Ständeräte und der Grossteil der FDP-Nationalräte, die nein gestimmt hatten, ganz einfach ausgelassen.

Zweierlei Mass: Bruch des Kollegialitätsprinzips und
weitere Brüche durch VBS-Chefin Viola Amherd

Gegenüber Viola Amherd (Mitte-Partei), Leiterin des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), lässt die Presse mehr Milde walten. Vor der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) in Brugg-Windisch distanzierte sie sich am 11. März 2023 offen vom Gesamtbundesrat und brach damit das Kollegialitätsprinzip: «Im Kontext des Kriegs in der Ukraine ist die Haltung der Schweiz zur Wiederausfuhr von Kriegsmaterial aus Ländern, die bei uns beschafft haben, nicht hilfreich. […] Keine meiner Amtskolleginnen und keiner meiner Amtskollegen hat Verständnis dafür, dass wir andere Länder daran hindern, die Ukraine mit dringend benötigten Waffen und Munition zu versorgen.»3
  Statt ihren Kollegen in der Nato die Haltung der neutralen Schweiz zu erklären, fordert Amherd, die Schweiz solle «ihren neutralitätspolitischen Handlungsspielraum» nutzen. Was sie damit meint, demonstrierte sie kürzlich. Auf ein offizielles Ersuchen der deutschen Regierung um den Verkauf von Leopard-2-Panzern – mit denen Deutschland nach der Lieferung eigener Panzer an die Ukraine seine Reserven auffüllen will – antwortete Amherd am 4. März, dass sie (Königin Amherd?) «bereit wäre, einige Panzer an Deutschland abzutreten. Nötig sei aber deren formelle ‹Ausserdienststellung› durch das Parlament.»3 Damit schrammte Amherd nicht nur an der Entscheidung des Gesamtbundesrates vom 10. März vorbei, sondern versuchte auch gleich, den dafür notwendigen Beschluss des Parlaments vorwegzunehmen. Den deutschen Nachbarn etwas in Aussicht zu stellen, wofür sie gar nicht zuständig ist – damit schürt man eine negative Stimmung gegenüber der Schweiz! Darüber steht aber kaum etwas in den Medien.

Einmischung aus dem Ausland in
Schweizer Angelegenheiten ist zurückzuweisen

Nur zwei Beispiele von lautstarken, aber kenntnisarmen Anwürfen aus dem Ausland.

  • Der deutschen FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann – eine Rüstungslobbyistin – wurde am 17. März in der «Neuen Zürcher Zeitung» der rote Teppich ausgerollt für ihre Kriegshetze und ihre Anwürfe gegen die Schweiz. Unter anderem behauptet sie, weil die Schweiz keine Munition für die Gepard-Panzer liefere, sei die Ausfuhr von Getreide aus Odessa gefährdet – ein Multipack von Lügen, die schon zigfach widerlegt wurden. Da die Schweiz «unzuverlässig» sei, werde «in wenigen Monaten […] die Gepard-Munition in Deutschland produziert werden». (Strack-Zimmermann kennt offensichtlich die Pläne der deutschen Rüstungsindustrie.) Ihre Russlandhetze gipfelt in den Worten: «Spätestens mit dem russischen Angriff dürfte klargeworden sein, dass auch wir der Aggression Russlands ausgesetzt sind. Auf russischen Panzern steht ‹nach Berlin› […]».4 Ein Schweizer erinnerte in der Weltwoche vom 14. März die deutschen Nachbarn: «Eigentlich hat kein Land wegen seiner Vergangenheit eine grössere Verantwortung als Deutschland, einen Beitrag zu leisten, dass die europäischen Staaten friedlich zusammenleben. Seit 1945 haben Generationen von deutschen Politikern in diesem Sinne gehandelt und dafür gesorgt, dass sich Deutschland mit anderen Nationen aussöhnt.»5
  • Die «New York Times» schickte am 12. März 2023 ein Pamphlet über die Schweiz um den Globus,6 das sich sowohl durch mangelnde Sachkenntnisse hervortat als auch die seit Jahrzehnten in US-Finanzkreisen genährte Bestrebung bestätigte, den eigenständigen und tüchtigen Kleinstaat unter die Fuchtel der USA zu bekommen, und vor allem seinen nicht totzukriegenden Finanzplatz zu schwächen, wo immer es geht. Mehr braucht man nicht dabeizuhaben, um das Ding geopolitisch einordnen zu können.

Fazit: Trotz schärfstem Gegenwind von innen wie von aussen halten erfreulich viele Schweizerinnen und Schweizer an unserem einzigartigen Friedensmodell fest. Bleiben wir dabei!  •



1 Kučera, Andrea; Cassidy, Alan. «Ich spüre heute in gewissen Kreisen einen Kriegsrausch», Interview mit Bundesrat Alain Berset; in: NZZ am Sonntag vom 12.3.2023
2 Städler, Iwan; Loser, Philipp; Häfliger, Markus; Gafner, Beni. «Kritik am Bundespräsidenten. Alain Berset und der Rausch des Krieges»; in: Tages-Anzeiger vom 14.3.2023
3 https://www.vbs.admin.ch/de/home.detail.nsb.html/93639.html
4 Schwartz, Claudia; Neff, Benedict. «Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Auf russischen Panzern steht ‹nach Berlin›. Und Kadyrow droht mit der Besetzung Ostdeutschlands». In: Neue Zürcher Zeitung vom 17.3.2023
5 Odermatt, Marcel. «Deutsche Politikerin beleidigt die Schweiz: Weil die Eidgenossenschaft keine Waffen liefern will, könne man sich ‹nicht auf die Schweiz verlassen›. Geht’s noch?» in: Weltwoche online vom 14.3.2023
6 Solomon, Erika. «Der Krieg in der Ukraine stellt die jahrhundertelange Neutralität der Schweiz auf die Probe»; in: New York Times vom 12.3.2023

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