Kolonial, postkolonial, neokolonial? Deutschlands Wirtschafts- und Bildungsstrategie für Afrika

Kolonial, postkolonial, neokolonial?

Deutschlands Wirtschafts- und Bildungsstrategie für Afrika

von Armin Hofmann

Deutschland war spät dran, als es gegen Ende des 19. Jahrhunderts den Wettlauf mit Frankreich, Grossbritannien, Portugal, Spanien, Italien und Belgien um die Eroberung Afrikas aufnahm. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten waren fast alle Gebiete des afrikanischen Kontinents durch europäische Mächte besetzt. Die Regierungen entsandten Missionare, Forscher und Abenteurer, die einen, um die afrikanischen Stämme und Völker zu christianisieren – wobei diese mit ihrem Ethos der Nächstenliebe häufig mildernd wirkten –, die anderen, um die verbliebenen «weissen Flecken» auf der Landkarte zu erkunden. Immer neue Gebiete wurden eingenommen, um Rohstoffe und «Humanressourcen» auszubeuten, den Handel zu erweitern oder um strategisch günstige geografische Lagen bestimmter Regionen zu nutzen.
Erst in den 1960er Jahren, nach langen, zum Teil blutigen Erhebungen, hatten etwa fünfzig der ehemaligen Kolonien die Unabhängigkeit erlangt. Die postkoloniale Zeit war angebrochen. Dennoch: Bürgerkriege, die zum Teil von den Westmächten angezettelt wurden, um ihren Einfluss aufrechtzuerhalten, Aids und andere Seuchen sowie Hungersnöte hielten Afrika nieder. Bis weit in die 1980er Jahre war Afrika der «vergessene Kontinent». Das hat sich geändert. – Der Wettlauf um Afrika hat erneut begonnen.

«Staaten führen nicht nur militärische Kriege […] sie führen auch Kultur- und Bildungskriege, um ihre wirtschafts- und machtpolitischen Ziele durchzusetzen. Die Einflussnahme mit den Mitteln auswärtiger Kultur-, Sprach- und Bildungspolitik zählt zur sogenannten
‹soft power›.»

Ein «Marshallplan für Afrika»

Die deutsche Wirtschaft verschlafe einen Markt, mahnt der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller. Ins Geschäft mit den Afrikanern sind andere gekommen, allen voran die Chinesen. Sie engagieren sich in gigantischen Projekten wie dem Bau einer Bahnstrecke zwischen Kenias wichtigstem Seehafen Mombasa und der Hauptstadt Nairobi, die bis ins Nachbarland Uganda führen soll. Die finanziellen Mittel für dieses Projekt belaufen sich auf 14 Milliarden Euro, die Gesamtinvestitionen werden durch ein Vielfaches übertroffen. Auch als Handelspartner wird Afrika für Länder wie China und Indien immer interessanter. Denn Afrika bietet enorme Möglichkeiten. Das gemeinsame Bruttoinlandprodukt des Kontinents hat sich seit 1990 verfünffacht, es gibt immer noch riesige Bodenschätze, und die Bevölkerung nimmt zu.
Der deutsche Entwicklungsminister hat nun seine neue Afrika-Strategie vorgestellt. Sein sogenannter «Marshallplan für Afrika», den er kurzfristig in «Marshallplan mit Afrika» umbenannt hat, will Handelshemmnisse beseitigen und Investitionen fördern. Das rund 30seitige Papier skizziert ein ganzes Bündel von Massnahmen in Bereichen wie Wirtschaftsentwicklung, Handel, Wissenschaft und Bildung. Handelshemmnisse sollen abgebaut werden, afrikanische Produkte besseren Zugang zu Europas Märkten bekommen. Mit einer Freihandelszone will man verschiedene Länder Afrikas wirtschaftlich und ­politisch an Europa binden. Von der Privatwirtschaft verlangt man, sie müsse in Afrika aktiver werden. «Um unsere Ziele zu erreichen, ist es notwendig, Privatfinanzierungen in einer neuen Dimension auszulösen und umzusetzen», meint Müller. Öffentliche Gelder müssten ein Katalysator sein, um zusätzliche private Investitionen zu mobilisieren.
Solche Pläne stossen nicht überall auf Wohlgefallen, vor allem nicht in Afrika. Warum immer die anderen meinten, für Afrikaner denken zu müssen, fragt der Burundier Nimubona Christian. Ob es diese grossen Ideen überhaupt brauche, um Afrikas Entwicklung zu fördern? Er glaube nicht, dass so etwas auf dem Kontinent fehle. Die frühere sambische Weltbank-Ökonomin Dambisa Moyo äussert in ihrem Buch «Dead Aid» (Tödliche Hilfe) die Befürchtung, dass solche Investitionen nur neue Abhängigkeiten schaffen. Die einseitige Ausrichtung des «Marshallplans» auf deutsche Interessen wird kritisiert. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China hingegen, so belegt das Afro-Barometer, wird von vielen Afrikanern gut aufgenommen. Das seien Partnerschaften auf Augenhöhe, sagt Japheth Omojuwa. China verstehe es, nicht so mit Afrika umzugehen wie die westlichen Länder in der Vergangenheit. Die Europäer sollten erst einmal zuhören, was die Afrikaner wollten.
Die Massnahmen der deutschen Regierung, um auf dem afrikanischen Kontinent Fuss zu fassen, schliessen staatliche Finanzierungshilfen, private Investitionen und Massnahmen «auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik» ein. Beinahe zeitgleich mit dem «Marshallplan mit Afrika» hat nämlich das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF seine Strategie zur «Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung» präsentiert, in der Afrika ebenfalls einen Schwerpunkt bildet.

«Im Visier hat man besonders begabte junge Menschen, die in deutsche Strukturen eingebunden und ‹frühzeitig mit Deutschland vernetzt› werden sollen.»

Neue Eliten bilden

Anlass für die grossangelegte wissenschafts- und bildungspolitische Offensive in Afrika sei der «zunehmende globale Wettbewerb um Wissen und Märkte». Da will Deutschland im grossen Massstab mitmischen. Das strategische Rahmenwerk dafür bilden der von der Bundesregierung angestossene «Marshallplan mit Afrika» und die «Internationalisierungsstrategie für Bildung, Wissenschaft und Forschung». Darin einbezogen sind neben deutschen Universitäten und Fachhochschulen auch Forschungsinstitute wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, ebenso die sogenannten Mittlerorganisationen der «auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik», der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Goethe-Institute, die Humboldt-Stiftung und viele andere. Sogar das duale Berufsbildungssystem will man exportieren, damit deutsche Firmen die nötige Infrastruktur und Facharbeiter vor Ort finden.
Im Visier hat man besonders begabte junge Menschen, die in deutsche Strukturen eingebunden und «frühzeitig mit Deutschland vernetzt» werden sollen.
Massnahmen der «auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik» – Sprachkurse für Deutsch, Kulturveranstaltungen, Bildungs- bzw. Studienangebote – seien «ein besonders geeignetes Instrument der Nachwuchsgewinnung». Dadurch liessen sich «frühzeitig begabte Kandidaten für weiterführende Studien in Deutschland oder geeignete Fachkräfte für deutsche Arbeitgeber vor Ort identifizieren und gewinnen». Ziel ist es, die begabtesten jungen Menschen als Fachkräfte für deutsche Wirtschaftsunternehmen in Afrika auszubilden oder für weiterführende Studien nach Deutschland zu holen, einerseits um die «besten Köpfe» für die Spitzenforschung in Deutschland oder für die deutsche Wirtschaft zu gewinnen («brain drain»), andererseits, falls sie in ihre Heimat zurückkehren, um die künftigen Eliten nach deutschen bzw. europäischen Kompetenzstandards zu bilden und dauerhaft an Deutschland zu binden.
Durch das Erlernen der deutschen Sprache, durch Kulturveranstaltungen in Goethe-Instituten, durch Studien in Deutschland und Kontakte mit Kommilitonen, aus denen nicht selten Freundschaften entstehen, wird die Bindung an Deutschland aufgebaut. Dozierende an Hochschulen, von ausländischen Studierenden zumeist als Autoritäten anerkannt, verstärken die Ausrichtung auf die deutsche Mentalität, auf die Art des Denkens, des Unterrichtens, des Lehrens und Lernens nach europäischen Kompetenzstandards. Schliesslich werden bestimmte Inhalte oder Themen mit Deutschland verknüpft, so zum Beispiel Umwelt, Autos, Ingenieurswissen, so dass ausländische Studierende aus ärmeren Ländern beginnen, den Lebensstandard in Deutschland und den Lebensstil der westlichen Welt zu bewundern und sich danach auszurichten. – Das ist auch der Grund, warum Länder wie Brasilien und Südafrika verstärkt Kritik an der westlich dominierten Bildungsglobalisierung üben.

Transnationale Bildung

Im Zentrum steht die Ausbildung künftiger Eliten durch «Transnationale Bildung (TNB)» (siehe Kasten, S. 1). Unter TNB werden Hochschulen, Studiengänge und einzelne Studienmodule verstanden, die im Ausland für Studierende eines anderen Landes angeboten werden. Dazu zählen auch die kürzlich vereinbarte Errichtung einer Universität in Kenia nach dem Vorbild deutscher Fachhochschulen ebenso wie die Fachzentren zur Eliteförderung im Kongo, in Ghana, in Tansania, Namibia und Südafrika.
Anders als der angelsächsische TNB-Ansatz, sagt Ulrich Grothus, stellvertretender Generalsekretär des DAAD, basiere der deutsche auf «Partnerschaftlichkeit». So sehr man jedoch bemüht ist, den deutschen Ansatz als «partnerschaftlich» erscheinen zu lassen, und beteuert, die Bedürfnisse der Partner vor Ort berücksichtigen zu wollen, ist doch klar, dass hier «Partner» auf unterschiedlich hohen Stühlen am Verhandlungstisch sitzen. Schliesslich bleiben die Curriculum-Entwicklung, die Weiterbildung des örtlichen Lehrpersonals und vor allem das «Standard-Setting» für die Qualitätssicherung weitgehend in deutscher Hand.
Zur Entwicklung von Qualitätsstandards hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) gemeinsam mit dem British Council, der in den ehemaligen Kolonien jahrzehntelange Erfahrung mit der Verbreitung der englischen Sprache und Kultur gesammelt hat, eine Vergleichsstudie in Auftrag gegeben; deren Zweck ist es, TNB-Angebote über die unterschiedlichen Bildungstraditionen der verschiedenen Länder hinweg vergleichbar zu machen. Darauf aufbauend werden länderübergreifende Kompetenzstandards, weltweit vergleichbare Abschlüsse und Diplome für TNB-Hochschulen, -Studiengänge und -Bildungsangebote geschaffen.
Aus ähnlichen Abläufen in Europa ist bekannt, welch tiefgreifenden Eingriff in die nationalen Bildungssysteme, -traditionen und Kulturen internationale Vergleichsstudien und Kompetenzstandards darstellen (Pisa, Bologna, Lehrplan 21 usw.). Transnationale Bildungsstandards haben Einfluss auf die Unterrichtsinhalte, auf die Methoden des Unterrichtens, die Lehr-Lern-Beziehungen, die Art des Denkens und die Wertorientierungen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht schützt mit seiner Rechtsprechung ausdrücklich die nationale Regelungskompetenz in Bildungsfragen, damit Kulturen in demokratisch-rechtsstaatlicher Tradition «von unten» entstehen und nicht «von aussen» gelenkt oder gesteuert werden. Deshalb liegt die Regelungskompetenz für Bildung und Kultur in den demokratischen Rechtsstaaten – gemäss dem Bildungsföderalismus – auch bei den Bundesländern bzw. bei den Kantonen.
Untersuchungen darüber, welche Wirkung TNB-Konzepte und -Standards entfalten, sind rar; eine Studie der Jakobs-Universität in Bremen zeigt jedoch, dass Konzepte, die in «transnationalen Expertennetzwerken» entstehen und von da aus verbreitet werden, die Überzeugungen und Werte der Beteiligten verändern («expert networks which generate and spread ideas and change actors’ beliefs and value systems», Biber & Martens 2011). Transnationale Standards seien keineswegs «neutral», sagen die Autoren, sie erzeugten einen erheblichen Anpassungs- und Assimilationsdruck. Und sie kommen zu dem Schluss: Länderübergreifende Vergleichsstudien und transnationale Kompetenzstandards seien Elemente von «soft power» (siehe Kasten), da sie in die kulturelle Bildung und Entwicklung der Länder eingreifen.
So gesehen dürften die Stimmen aus Brasilien und Südafrika etwas Wahres haben, die in TNB eine neue Form des Kolonialismus sehen, der einerseits darauf zielt, durch wirtschaftliche Investitionen neue Abhängigkeiten zu erzeugen, zugleich westlich orientierte Eliten zu bilden, die ihrer Herkunftskultur entfremdet sind. Darüber hinaus, so Peter Scott, ehemaliger Vize-Kanzler der Kingston Universität London, würden die «Humanressourcen» aus den Ländern gesaugt, da die hoffnungsvollsten jungen Leute abgezogen würden.    •
    

Biber, Tonia/Martens, Kerstin. The OECD PISA Study as a Soft Power in Education? Lessons from Switzerland and the US. European Journal of Education, Vol. 46, No. 1, 2011, Part I

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung. Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung. Strategie der Bundesregierung. Bonn 2016

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Afrika und ­Europa – Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft. Eckpunkte für einen «Marshallplan mit Afrika». Bonn 2017

British Council & DAAD. Impacts of transnational education on host countries: academic, cultural, economic and skills impacts and implications of programme and provider mobility. Going Global. 2014

DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst. Transnationale Bildung in Deutschland. Positionspapier. Bonn 2012

Pelz, Daniel. Ein Marshallplan mit Afrika. Deutsche Welle. 18.1.2017. Sandner, Philipp. Deutschlands Marshallplan – Afrikas Skepsis. Deutsche Welle. 14.11.2016

Transnationale Bildung

ah. Die Entwicklung der Transnationalen Bildung TNB (engl. auch: borderless oder cross-border education) geht auf den Beginn der 1990er Jahre zurück. Insbesondere die neoliberale Doktrin Milton Friedmans und der Chicagoer Schule war es, die der Privatisierung des Bildungswesens den Weg bereitete, damit Bildungsdienstleistungen über nationalstaatliche Grenzen hinweg (cross-border) angeboten werden können. Mit der Unterzeichnung der GATS-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (engl. General Agreement on Trade in Services GATS) kamen Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO, unter anderem auch die Schweiz, überein, den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und seine fortschreitende Liberalisierung zu fördern. Dazu gehören auch die Liberalisierung des Bildungswesens und der Handel mit Bildungs­angeboten.
Angelsächsische Länder wie die USA und Grossbritannien, aber auch Australien gelten als Vorreiter von TNB. Im Zuge der abnehmenden oder stärker wettbewerblich organisierten Hochschulfinanzierung durch den Staat erlangten die Hochschulen eine stärkere Autonomie. In Australien führte man in der Folge höhere Studiengebühren ein, womit die Verpflichtung verbunden war, auch von ausländischen Studierenden Studiengebühren mindestens in der Höhe der Durchschnittskosten der angebotenen Studienprogramme zu verlangen. So wurden internationale Studierende als mögliche Einnahmequelle für Hochschulen erkannt. Studierende aus dem Ausland konnten sich jedoch zum Teil die gestiegenen Studienkosten nicht mehr leisten, weshalb man dazu überging, Studienprogramme offshore, also ausserhalb der eigenen Grenzen, anzubieten, da dort die Kosten unter anderem für das Lehrpersonal günstiger waren. Dazu gehören auch kostengünstige Distance- oder E-Learning-Studiengänge, sofern die Studienmateria­lien ausserhalb des Herkunftslandes angeboten werden.
Transnationale Bildungsangebote (durch Hochschulgründungen im Ausland, Stu­dienangebote an ausländischen Hochschulen oder Fernstudiengänge) dienen zunächst also der Erschliessung zusätzlicher Finanzierungsquellen; darüber hinaus erfüllen sie den Zweck, die intelligentesten und talentiertesten jungen Menschen durch Hochschul-Marketing anzuziehen, einerseits um den Ruf der Hochschule exzellent und somit attraktiv zu machen (vgl. sogenannte Exzellenz-Initiativen), andererseits aber auch, um die «besten Köpfe» in die westlichen Industrieländer zu locken («brain drain») und für die Spitzenforschung oder für die Wirtschaft zu rekrutieren.
Damit verbunden war ein entscheidender Wechsel in der Bildungspolitik innerhalb der westlichen Industrienationen: Nicht länger war man an einer breiten «Volksbildung» interessiert, wie sie in den westlichen Demokratien üblich ist, zu der alle Schichten der Bevölkerung Zugang haben, wie insbesondere nach dem «Sputnik-Schock» der 1950er Jahre und in den Jahrzehnten danach, als man durch «kompensatorische Vorschulerziehung» verstärkt bildungsfernere Schichten förderte. Mit TNB ging man in den neunziger Jahren dazu über, off­shore im Teich der Talente zu fischen. Nur so ist zu erklären, warum in den westlichen Industrienationen, die sich in TNB engagieren, weitgehend der politische Wille fehlt, das abnehmende Bildungsniveau im Inland zu stoppen und die europäisch-humanistische Bildungstradition vor dem Niedergang zu bewahren. Man holt sich die «besten Köpfe» im Ausland.
Mit TNB verbunden ist auch die Ausrichtung der Lehrpläne auf transnationale «Kompetenz»standards (vgl. Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für das Sprachenlernen GER, Bologna-Reform, Lehrplan 21 und andere). Den Weg dafür haben internationale Vergleichserhebungen wie die Pisa-Studien der OECD geebnet. Bildungsinhalte werden damit weitgehend aus den nationalstaatlichen (und regionalen) Kulturen, Werten und Normen herausgelöst und auf transnationale Benchmarks ausgerichtet. Die innere Bindung der (akademischen) Jugend an Geschichte, Herkunft und Kultur eines Landes wird geschwächt. Aus Angst vor der dauerhaften Abwanderung, bedingt durch TNB, bevorzugen deshalb viele Länder ausserhalb der westlichen Hemisphäre die Ausbildung ihrer Jugend an eigenen Hochschulen.

«Soft power»

ah. Staaten führen nicht nur militärische Kriege gegen andere Staaten oder Wirtschaftskriege, sie führen auch Kultur- und Bildungskriege, um ihre wirtschafts- und machtpolitischen Ziele durchzusetzen. Die Einflussnahme mit den Mitteln auswärtiger Kultur-, Sprach- und Bildungspolitik zählt zur sogenannten «soft power».
Unter «soft power» versteht man nach Joseph Nye die Machtausübung eines Staates durch die Entfaltung kultureller Aktivitäten in einem anderen Staat. Das kann durch Kulturveranstaltungen, die Gründung von Kulturinstituten und/oder Sprachschulen im Ausland geschehen. «Soft power» setzt auf Attraktion und Bewunderung (positive images), hervorgerufen durch schöne Menschen, hervorragende Künstler oder herausragende Sportler; auch Ausstellungen in Museen u.a. gehören dazu. Damit richtet man Menschen auf sich aus, formt deren Präferenzen für Entscheidungen, damit sie – scheinbar freiwillig – das wollen, was man selbst will.
Eine zentrale Rolle spielen dabei finanzielle Anreize oder Zuwendungen (Sponsoring) für Projekte. Die Strategie besteht darin, mit anderen eher zusammenzuarbeiten als sie zu zwingen; man bietet (Projekt-)Partnerschaften an und bindet dadurch Menschen an sich. – Neben «hard power», die auf den beiden Säulen der militärischen oder wirtschaftlichen Machtausübung aufbaut, gilt «soft power» als dritte Säule aussenpolitischer Machtausübung.

Nye, Joseph S. (2010). Soft Power. The Means to Success in World Politics. New York, Perseus, 33–72.

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