Verantwortlich wäre die Einhaltung des Friedensgebots

Verantwortlich wäre die Einhaltung des Friedensgebots

von Willy Wimmer, ehemaliger Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium*

Seit Jahren wird von den jeweils berufenen Mitgliedern der deutschen Bundesregierung, mit der Bundeskanzlerin an der Spitze, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit davon geschwätzt, dass Deutschland – trotz der vom Westen in niederträchtigster Weise seit der deutschen Wiedervereinigung herbeigeführten Weltlage – in Anbetracht des erkennbaren Schwächelns der Vereinigten Staaten «mehr und grössere Verantwortung» in der Welt übernehmen müsste. Mitte Februar war das noch bei der jährlich stattfindenden Kriegstreiber-Tagung in München, neben den getragenen blauen EU-Pullis, das tragende Motto, auf das sich die einschlägigen Kriegstrommler verständigen konnten.
Warum nicht? Lasst uns deutsche Verantwortung für die Welt übernehmen! Das steht doch schon in dem Grundgesetz, das in diesem Jahr siebzig Jahre alt wird. Man kann sich die Reden jetzt schon durch die Ohren jagen, die an diesem Tage von den üblichen Staatsrednern über dem deutschen Volk ausgegossen werden.

Zum Frieden in der Welt beitragen?

Eine Wette kann man dazu jetzt schon abschliessen. Kein Wort wird die Rede davon sein, dass das deutsche Volk in besonderer Weise zum Frieden in der Welt beitragen soll. Der Grund für dieses Schweigen? Seit dem brutalen Angriff mitten im Frieden durch die Nato auf die Bundesrepublik Jugoslawien hat die damalige deutsche Bundesregierung klargemacht, dass sie nicht mehr bereit ist, der eigenen Verfassung strikt zu gehorchen. «Nato befiehl – wir folgen», das war fortan das schändliche und vergangenheitsbelastete Leitmotiv für ein wiedervereinigtes Deutschland, das dem friedlichen Ausgleich unter den Völkern und der Charta der Vereinten Nationen seine staatliche Einheit zu verdanken hatte.

Missbrauch der Geschichte und Missachtung des Völkerrechts

Es mehren sich die Gedenkreden, die schreckliche Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte nur dazu nutzen, die Schrecken der Vergangenheit für neue Kriege gegen den Willen des deutschen Volkes zu missbrauchen und zu instrumentalisieren. Wo ist denn der Bundespräsident oder der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, der sich mit politischer deutscher Spitzenverantwortung hinter das Verbot deutscher Beteiligung an Angriffskriegen gestellt hatte oder stellen wird? Angriffskriege sind nach der Charta der Vereinten Nationen alle die Kriege, die über kein eindeutiges Mandat der Vereinten Nationen verfügen. Aber seit dem Frühjahr 1999 und dem Nato-Bombenhagel auf Belgrad hat die jeweilige Bundesregierung bis heute alles daran gesetzt, die Charta der Vereinten Nationen deshalb zu eliminieren, weil die Vereinigten Staaten für ihre Weltmachtpläne kein Interesse mehr an dieser Charta hatten und haben. «Recht ist, was den Vereinigten Staaten nutzt», diese sinngemässe Forderung von Henry Kissinger, die man in den neunziger Jahren in seinerzeit bedeutenden deutschen Zeitungen nachlesen konnte, wird bis heute konsequent und mit deutscher Beteiligung umgesetzt. Worin, Frau Dr. Merkel, besteht dabei der Unterschied zu einer Politik aus der Vergangenheit, von der man sich nicht in Festreden, sondern in der Wirklichkeit und im politischen Handeln absetzen sollte?

Deutsche «Verantwortung» heisst bislang: den kriegstreibenden Mächten unter die Arme greifen

Das ganze Gerede der Amtsträger von deutscher Verantwortung und der Übernahme von Lasten in dieser Welt besteht doch nur darin, den mehr und mehr schwächelnden kriegstreibenden Mächten wie den USA, Grossbritannien und Frankreich dadurch unter die Arme zu greifen, dass man immer mehr deutsche Soldaten und deutsches Geld diesen Staaten für ihre UN-Charta-fernen Kriege zur Verfügung stellt. Musterbeispiel ist dabei die gewaltige Steigerung des Militärhaushaltes, nicht wegen entsprechender Debatten im Deutschen Bundestag, sondern wegen Abtretung deutscher staatlicher Verantwortung an den amerikanischen Präsidenten. Bei den Reichsbürgern regt man sich darüber auf, dass sie Deutschland nicht als Staat, sondern als «Firma» ansehen. Die Verrenkungen der Bundesregierung in Sachen Entscheidungsgewalt des Bundestages über Militäreinsätze und die gewaltigen Steigerungsraten für den Militärhaushalt machen deutlich, wie man die eigene Verantwortung am «Kleiderhaken der Nato» und damit der USA abzugeben bereit ist. Das macht keine «Firma», die was auf sich hält.

Das deutsche Volk steht zur Verfassung und deren Friedensgebot

Nein, das deutsche Volk will in seiner übergrossen Mehrheit, dass durch die Bundesregierung die Verfassung mit dem Friedensgebot, dem Verbot des Angriffskrieges und der Beachtung der Regeln des Völkerrechts nach dem Soldatengesetz eingehalten wird und Deutschland sich nur an internationalen Organisationen beteiligt, die diesen Zielen entsprechen. Dem Grundgesetz kann man nur entsprechen, wenn man entsprechend der Verfassung Verantwortung übernimmt, und nicht, weil die Herren des Staatsumbaus einem das aufgeben. Es müsste der Bundesregierung und den Mainstream-Organisatoren doch auffallen, dass die weitaus überwiegende Zahl der Deutschen von der Regierung nichts anderes erwartet als die Wahrung des Rechts und den Respekt vor den in der Verfassung niedergelegten staatlichen Institutionen. Diese Bundesregierung hat in rechtlicher Hinsicht und in der Sicherung der Rechtsordnung aus unserem Land ein «Tollhaus» gemacht. Wenn das deutsche Volk in Übereinstimmung mit der verfassungsmässigen Ordnung diese nicht wieder herstellt, wird man sich über «Übernahme deutscher Verantwortung» keine Gedanken mehr machen müssen. Dann sind wir in fremder Hand.
Sofortiger Einsatz Deutschlands in Nato und EU für die Übernahme des Friedensgebotes und des Verbotes von Angriffskriegen nach dem deutschen Grundgesetz ist das Gebot unserer Erfahrungen, und der jährliche Bericht über das Ergebnis dieser Bemühungen vor dem Plenum des Deutschen Bundestages jährlich zum Tag des Grundgesetzes zwingend erforderlich. So sieht die «Übernahme deutscher Verantwortung» aus – und nur so.    •

*    Willy Wimmer war Bundestagsabgeordneter der CDU von 1976–2009, Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium von 1988–1992 und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE von 1994–2000. Er ist Mitautor des Buches «Die Wiederkehr der Hasardeure. Schattenstrategen, Kriegstreiber, stille Profiteure 1914 und heute» (gemeinsam mit Wolfgang Effenberger 2014) und Autor der Bücher «Die Akte Moskau» (2016) und «Deutschland im Umbruch. Vom Diskurs zum Konkurs – eine Republik wird abgewickelt» (2018). Ende Januar 2019 wurde Willy Wimmer der Bautzener Friedenspreis verliehen.

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