Schweizergeist – gerade heute unerlässlich (Teil II)

Der General, der alles tat, um die andere Seite nicht zu demütigen: Henri Dufour

von Peter Küpfer

Im ersten Teil  dieser Rückbesinnung auf das Wesen des Schweizergeists («Niklaus von Flüe verhindert einen drohenden Bürgerkrieg in der frühen Eidgenossenschaft», Zeit-Fragen Nr. 26 vom 29.11.2022) wurde das Augenmerk auf eine der frühen inneren Zerreissproben gerichtet, welche die Schweiz seit ihrer Entstehung immer wieder an den Rand der drohenden Spaltung führten. Es war dies eine der ersten Zerwürfnisse (neben dem Alten Zürichkrieg), welches einer grundlegenden Spannung innerhalb der Eidgenossenschaft zugrunde lag, jener  zwischen ländlich geprägten Völkerschaften und denen der Städte. Natürlich nahmen aus dieser Spannung heraus erwachsende innere Krisen der Schweiz je nach geschichtlichem Umfeld ganz verschiedene Formen an. Der zu Recht immer wieder genannte und auch heute noch bestehende Stadt-Land-Gegensatz kann nicht eins zu eins mit einem spätmittelalterlichen Konflikt mit ähnlichen Wurzeln verglichen werden. Aber seine destruktive Dimension beruht auf den gleichen Faktoren, die auch heute die Einheit der Schweiz unter anderen Bedingungen wieder bedrohen: das gegenseitige Misstrauen, das seinerseits Hass und Ablehnung schafft, Wurzeln jedes Krieges.

Im vorliegenden Beitrag wird, ähnlich wie im ersten, aber an einem unserer Zeit näheren Beispiel aus der Schweizer Geschichte, auch wieder Gewicht darauf gelegt, welche gleichzeitig einwirkenden positiven Kräfte es sind, die dieses schicksals-entscheidende Misstrauen lindern und beheben können. Solche positiven Kräfte vermögen das Misstrauen, für welches die Menschen gerade in Krisenzeiten so anfällig sind, zu lindern und zu beheben, so dass es nicht zur Krise und zum Zerwürfnis führen muss. Das Bewusstsein der «Einheit in der Vielfalt» gibt der Demokratie vielmehr höchst belebende Impulse, das zeigt ja gerade der Gesamtgang der Schweizer Geschichte, die man zu Recht als Erfolgsgeschichte bezeichnen darf. Ihr liegt der Respekt vor der anderen Meinung zugrunde, der auf tieferen Schichten beruht als auf den geschürten Empfindungen, welche unsere Tagespolitik lenken. Das war auch in früheren Zeiten so. Gerade das im folgenden dargestellte Beispiel, das dem Schweizer General Henri Dufour gewidmet ist, macht das deutlich. Es ist kein Zufall, dass der höchste Berg der Schweiz im hochalpinen Grenzgebiet des Monte-Rosa-Massivs seinen Namen trägt: die «Dufourspitze», 4634 Meter über Meer.
  Seine zu dieser Ehrung führende Tat ist für viele heutige Schweizer allerdings der Vergessenheit anheimgefallen. Kein Wunder, wenn das Schulfach Schweizer Geschichte so behandelt wird, als ob unsere Jugend sich dafür schämen müsste. Ich kenne kein anderes europäisches Land, in dem die eigene Geschichte heute derart lieblos, ja, selbstzerstörerisch behandelt wird wie bei uns seit einiger Zeit, in einem Kernland Europas, in unserer Schweiz. Vor dieser durch bestimmte Kreise (darunter viele sich selbst so nennende «Kulturschaffende») geschürten Geringredung der Schweizer Geschichte waren auch Nichtschweizer der Überzeugung, dass die Schweiz den ihr häufig verliehenen Ehrentitel «Wiege der Demokratie» zu Recht trägt. Das waren kaum alles realitätsferne Beschöniger.
  Dass man heute die traditionelle Geschichtsschreibung, die auch die Errungenschaften der eigenen nationalen Geschichte beleuchtet, nicht nur die Irrungen (welches Land kennt sie nicht?), als grössenwahnsinnigen, selbstverliebten nationalen Mythos abtut oder mit dem Modewort «Narrativ» (willkürlich zusammengebastelte Erzählung), hat offensichtlich eher politische Hintergründe als solche, die aus ernsthaften historischen Analysen erwachsen. Um so mehr ist es angezeigt, sich der Qualitäten der Selbstwerdung unseres Landes zu versichern. Wie überall in der Welt, wo solid Beständiges entsteht und sich halten kann, ist es an das Wirken hervorragender Menschen geknüpft, die das Wohl des Ganzen im Auge hatten, nicht nur ihre persönliche oder parteiliche Optik.
  Auch zu Beginn des für die Schweiz schicksalhaften frühen 19. Jahrhunderts zeigt sich die genannte schweizergeschichtliche Konstante des Konflikts zwischen eher in der Landschaft verankerten traditionellen Auffassungen und den «progressiven» einer sich selbst als Elite sehenden städtisch-liberalen Bevölkerungsschicht.
  Es ist von daher ein höchst bemerkenswerter Umstand, dass die Verfassung der modernen Schweiz von 1848 nur ein Jahr nach einer der gefährlichsten Bewährungsproben der entstehenden modernen Schweiz zustande gekommen ist, dem sogenannten «Sonderbundskrieg» innerhalb der Eidgenossenschaft. Es war ein echter Bürgerkrieg, wo Schweizer gegen Schweizer standen, auch wenn er glücklicherweise in Hinblick auf seine menschlichen Opfer und Zerstörungen begrenzt blieb. Das war in erster Linie der Zivilcourage und Weitsicht des militärischen Führers der eidgenössischen Truppen zu verdanken, General Guillaume Henri Dufour (1787–1875).

Verhängnisvolle Vorgeschichte

Ausgangspunkt und Ablauf des Schweizer Sonderbundskrieges von 1847 sollen hier kurz in Erinnerung gerufen werden. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts verschärften sich die religiös-konfessionellen Spannungen auch in unserem Lande einmal mehr, ja, unter der forschen Politik der Liberalen (Freisinnigen) wurden sie an verschiedenen Fragen radikalisiert. Dabei vermischte sich Politisches mit Religiösem. Die Liberalen arbeiteten an der Umwandlung des schweizerischen Staatenbundes in einen modernen Bundesstaat nach dem Vorbild der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. In diesem liberalen Konzept waren nicht nur Föderalismus und die parlamentarische Demokratie vorgezeichnet, sondern auch die strikte Trennung von Kirche und Staat sowie die obligatorische, laizistische Volksschule. Dazu forderten liberal-radikale Geister in provokativer Form die Schliessung der Klöster und das Verbot der Jesuiten. Während Zürich in der eben gegründeten Universität als Theologen David Ludwig Strauss berief, der in seiner Streitschrift «Leben Jesu» «ein radikal diesseitiges Verständnis des Gottessohnes vorgelegt hatte» (Stadler, S. 223), berief der Grosse Rat Luzerns am 24. Oktober 1844 sieben Jesuiten als Lehrer an die theologische Fakultät und an das Priesterseminar. Dies provozierte die liberale Jugend, darunter damals auch den jungen Gottfried Keller. Wie viele andere radikale Jugendliche Zürichs entschloss sich auch der spätere Schriftsteller des Realismus und Staatsschreiber des Kantons Zürich zur Teilnahme an einem bewaffneten Freischarenzug gegen die «Luzerner Reaktionäre» von Ende März, Anfang April 1845, der aber schon vor jeder Kampfhandlung ergebnislos und für die «liberalen» Freischärler (es gab solche Freischaren-Scharmützel auch von der konservativen Seite) schmählich im Sande verlief (Stadler, S. 227f.).
  Auf der weltlichen und liberalen Seite hofften vor allem auch wirtschaftliche Kreise auf eine Zeitenwende, insbesondere auf die Aufhebung bestehender Handelshemmnisse durch eine an Haupt und Gliedern «modernisierte» Schweiz. Eine Reise durch die Schweiz war damals unterbrochen von vielen Zollstationen, an denen eigene Gewichte, Währungen und Abgaben galten; die Schaffung einer Eisenbahnstrecke durfte angrenzende Kantonsgebiete nicht kreuzen; ein Brief von Romanshorn nach Genf wurde damals «mit Vorteil über Deutschland und Frankreich geleitet», weil in der Schweiz für jedes Kantonsgebiet eigene Regeln und Taxen bestanden (Wartenweiler, S. 57).
  Einmal mehr standen sich vor der militärischen Eskalation nun auch hier eine ländlich-konservativ geprägte Schweiz und eine städtisch-innovative Schicht immer unversöhnlicher gegenüber. Als aus dem jahrelang andauernden Patt dann die Situation wurde, dass die «Liberal-Radikalen» (durch eine Veränderung des politischen Gewichts in ihre Richtung durch den jungen Kanton St. Gallen) in der Tagsatzung plötzlich die Überhand gewannen, war ihre Stunde gekommen. Vorwand zum militärischen Einsatz des Bundes ergaben ungeschickte internationale militärische Absprachen und Bündnisse des Sonderbunds mit den die Schweiz umgebenden, sie misstrauisch beobachtenden Monarchien, die in diesen revolutionären Zeiten alle mit Unruhen und radikaldemokratischen Aufständen zu kämpfen hatten. Deren Exponenten wollten auch im übrigen Europa vielerorts gerade das, was in der Schweiz seit 1815 bestand und nun noch selbstbewusstere Formen annehmen wollte: die eidgenössische demokratische Republik als neuen Bund (Bundesstaat statt Staatenbund).
  Als die Tagsatzung mit ihrer neuen liberalen Mehrheit im Sommer 1847 die Ausweisung der Jesuiten und die Revision der Schweizer Verfassung in Richtung föderativen Bundesstaat durchsetzte und in der Folge die Gesandten der «Schutzvereinigung» (so nannte sich der Sonderbund selbst, bestehend aus den mehrheitlich katholischen Innerschweizer Kantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Zug, Luzern, mit Fribourg und dem Wallis,) den Tagungsort Bern unter Protest verliessen, war der Bruch und damit der unvermeidliche Krieg beschlossene Sache. Beide Parteien rüsteten auf.

Es ging um mehr als einen Sieg

Am 21. Oktober 1847 wurde von der Mehrheits-Tagsatzung der Genfer Bürger und Soldat Guillaume Henri Dufour (1787–1875) zum General der Schweizer Bundestruppen gewählt. Bei diesem humanistisch gesinnten und gebildeten Zeitgenossen, der ursprünglich Arzt werden wollte, handelte es sich um eine schon damals bekannte und verdiente Persönlichkeit. Er diente als Spezialist in Logistik und Generalstabsoffizier unter Napoleon, war später Kantonsbaumeister in Genf, bahnbrechender Kartograph, Betreiber und Herausgeber der ersten zuverlässigen und nach ihm benannten Karte der Schweiz, Dozent und dann Direktor der ersten Zentralschule für Schweizer Offiziere in Thun (sie besteht heute noch), schliesslich Generalquartiermeister der Schweizer Armee (entspricht einem heutigen Generalstabschef). Die Wahl dieses bescheidenen, eher konservativ gesinnten Offiziers stiess manchem liberalen Hitzkopf sauer auf. Dahinter stand aber ein weitsichtiges eidgenössisches Konzept, das haargenau zum Charakter dieses verdienten Militärführers passte. (siehe Kasten Biographie Dufour)
  Sein Feldzug war kurz, entschlossen und zielführend. Schon die Strategie entsprach dem Willen des Generals, der alles daran setzte, dass der nicht zu vermeidende Feldzug schnell und mit grösstmöglicher Schonung des Gegners erfolgte.
  «Am 4. November begannen die militärischen Operationen. […] Dufour […] setzte seine Truppen zunächst gegen das isolierte Freiburg ein, das bereits am 14. November kapitulierte. Dann wandte er sich mit der Masse der Armee gegen das Kernland des Sonderbundes, die Innerschweiz. Vom Freiamt aus erfolgte der Vorstoss nach Luzern. Nach einem heftigen Gefecht bei Gisikon [am 23. November 1847] brach die Verteidigung des Sonderbundes zusammen. Luzern wurde von den eidgenössischen Truppen besetzt. Die übrigen Urkantone gaben darauf den Kampf auf, zuletzt auch das Wallis am 29. November. Fünfundzwanzig Tage hatte der Krieg gedauert; es gab nur wenige Todesopfer.» (Cattani, S. 284)
  Dufours Feldzug gegen den Sonderbund hatte damit insgesamt nicht einmal einen ganzen Monat gedauert. Seiner Losung entsprechend wurden die militärischen Ziele bei einer geringen Anzahl menschlicher Opfer und kriegerisch motivierter Zerstörungen mit der bedingungslosen Kapitulation des Sonderbunds und dessen Auflösung vollständig erreicht. Auch das Wichtigste für Dufour: die grösstmögliche Schonung nicht nur der Zivilbevölkerung, sondern auch der gegnerischen Truppen, denen vor dem Kampf weder Hass noch nach dem Sieg Rache und Erniedrigung zuteil werden durfte, sondern die ehrliche Einladung, nun bei der aufzubauenden modernen Schweiz mitzutun, zwar als Besiegte, aber weiterhin Geachtete. Gerade heute, wo selbst Schweizer in höchster politischer, wirtschaftlicher und medialer Position eifrig zum Hass gegen ein Land und dessen Führung aufrufen (aber nicht, wie es Dufour und die Kreise, die ihm sein schweres Amt anvertrauten, taten: zu Mässigung und Vernunft), kann dieser Unterschied nicht genug betont werden. Dufour ging es gerade nicht um Vernichtung des Gegners, sondern in erster Linie darum, ihm zu signalisieren, allerdings mit der Ultima ratio (der militärischen Intervention), dass er zu weit gegangen war. Für ihn musste schon die Art, wie seine Truppe das tat, Beweis sein dafür sein, dass es der neuzeitlichen Schweiz ernst damit war, den militärisch Besiegten danach zu ermutigen, sich am Wieder- und Neuaufbau einer durch diesen Konflikt reifer gewordenen Schweiz zu beteiligen. «Sein Ziel war es, das gespaltene Vaterland in einem raschen Feldzug ohne grosses Blutvergiessen wieder zu einigen und die miteinander hadernden Parteien zu versöhnen. Anlage und Durchführung der militärischen Operationen waren letztlich von politischen Überlegungen bestimmt. Indem der Kampf mit grösstmöglicher Schonung des Gegners geführt wurde, begann bereits im Krieg die Vorbereitung der kommenden Verständigung». (Cattani, S. 284, Hervorhebung pk)

Eine epochale Leistung

Das ist die einzigartige, die epochale Leistung dieses Oberbefehlshabers.
  In der schon zitierten Schrift über herausragende Schweizer stellt der Volksbildner Fritz Wartenweiler den Schweizer General in ungewöhnlich lebendigen Formulierungen vor unser Auge. Es wird sich jeder, der von den historischen Fakten ausgeht, seiner abschliessenden Würdigung anschliessen können:
  «Dieser Krieg hätte sich zu einer unabsehbaren Katastrophe auswachsen können. Ein Zusammenbruch wäre nicht etwa nur dann eingetreten, wenn der Sonderbund den Sieg davon getragen hätte, sondern ganz einfach dann, wenn ein anderer Mann die Führung der eidgenössischen Truppen übernommen und die Bataillone der Mehrheits-Kantone nicht mit jener sicheren Überlegenheit geleitet hätte, wie es Dufour gelang. Diese Gefahr lag ausserordentlich nahe.» (Wartenweiler, S. 59)
  Die folgenden abschliessenden Ausschnitte aus den täglichen Appellen Dufours an seine Offiziere und Soldaten (seine sogenannten «Tagesbefehle», ausführlich zitiert bei Wartenweiler) machen seine Verdienste besonders deutlich. Würde ihre darin enthaltene Weitsicht nicht auch manchem heutigen Oberbefehlshaber gut anstehen, nicht nur einem schweizerischer Truppen?
  Zu Beginn des Feldzuges, am 4. November 1847, gab Dufour folgende geltenden Weisungen an seine Offiziere:
  «Es ist das Möglichste zu tun, um zwecklose Konflikte zu vermeiden. Die eidgenössischen Truppen sind auf das nachdrücklichste anzuhalten, dass sie sich mit Mässigung benehmen und nicht zu übler Behandlung hinreissen lassen […] Um jeden Preis ist die Verletzung der katholischen Kirche und religiösen Anstalten zu verhindern. […]
  Wenn eine feindliche Truppe zurückgeschlagen wird, so sind ihre Verwundeten wie die eigenen zu pflegen und mit allen dem Unglück schuldigen Rücksichten zu behandeln. […] Die Gefangenen sind zu entwaffnen. Es darf ihnen aber kein Leid zugefügt, noch dürfen sie irgendwie beschimpft werden. […] Nach dem Gefecht soll die Aufregung der Soldaten gezügelt, sollen die Besiegten geschont werden.» (Wartenweiler, S. 62)
  Und im ersten Tagesbefehl zu Beginn der Operation, am 4. November 1847, richtete sich der General mit folgenden gewichtigen, echt zukunftsweisenden Worten an seine Truppe:
  «Soldaten! Ihr müsst aus diesem Kampf nicht nur siegreich, sondern auf vorwurfsfrei hervorgehen; man muss von euch sagen können: Sie haben tapfer gekämpft, wo es not tat, aber sie haben sich menschlich und grossmütig gezeigt. Ich stelle also unter euern Schutz die Kinder, die Frauen, die Greise und die Diener der Religion. Wer die Hand an eine wehrlose Person legt, entehrt sich und schändet seine Fahne…» (Wartenweiler, S. 63)
  General Dufour konnte die auch nach dem Sieg der eidgenössischen Truppen über die Dissidenten weiter noch scharf bestehenden Gegensätze und Spannungen zwischen Konservativen und Radikalen zwar nicht beheben. Sie lagen tief und dauerten gerade in der Schweiz noch jahrzehntelang an. Aber er milderte sie und war durch sein Verhalten allen jenen ein Vorbild, welche das Proporzsystem bei der Wahl in den Nationalrat anstrebten. Dieses Verfahren kam erst 1919, nach der schweren Krise des Landesstreiks von 1918 (siehe Teil III dieses Beitrags) in die Verfassung und schuf mit die institutionellen Voraussetzungen dafür, dass die Wogen sich glätteten, auch bezüglich der zu Anfang des 20. Jahrhunderts besonders scharfen Gegensätze in der sozialen Frage.
  Es wundert nicht, dass General Dufour, fast fünfundzwanzig Jahre später, sich aus dieser Haltung heraus auch für die Gründung des schweizerischen und internationalen Komitees vom Roten Kreuz einsetzte. Als ebenfalls ein Genfer, Henry Dunant, erschüttert und aufgewühlt von den selbst miterlebten Schrecken des italienischen Krieges, das internationale und schweizerische Komitee vom Roten Kreuz gründete und aufbaute, hat der schon betagte ehemalige Schweizer General diesen Aufbau unterstützt und sich daran aktiv und repräsentativ beteiligt.  •

Literatur:

Cattani, Alfred. «Guillaume Henri Dufour». In: Jaeckle, Erwin und Stäuble, Eduard (Hrsg.). Grosse Schweizer und Schweizerinnen. Erbe als Auftrag. Ein Beitrag zur 700 Jahr-Feier der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291–1991. Stäfa, Th. Gut & Co. Verlag 1990

Stadler, Peter. Epochen der Schweizer Geschichte. Zürich 2003

Wartenweiler, Fritz. Führende Schweizer in schweren Krisenzeiten. Bruder Klaus, Escher von der Linth, General Dufour. Erlenbach b. Zürich (Rotapfel Verlag), o. J.

* Als Ergänzung zur dominierenden, von einem radikalen Liberalismus geprägten Sicht auf diesen Abschnitt der Schweizer Geschichte sehr lohnend: Roca, René. «Die Bedeutung des Katholizismus und der Katholisch-Konservativen für die Entwicklung einer demokratischen Kultur in der Schweiz». In: Katholizismus und moderne Schweiz. Basel 2016

Zur Biographie von Guillaume Henri Dufour

Ein naturwissenschaftlich-humanistisch gebildeter Offizier und tätiger Mitwirker der Republik Genf (Schweizer Kanton seit 1815)

  • Geboren am 15. September 1787 in Konstanz als Sohn des Genfer Uhrmachers Bénédicte Dufour.
  • Verlebt seine Kindheit ab dem zweiten Lebensjahr in Genf, wo die Familie nach einem politisch motivierten Exil wieder sesshaft wird. Collège, dann Studium der Geisteswissenschaften und Physik an der Genfer Académie.
  • 1807–1809 weiterführende Studien an der Ecole Polytechnique Paris.
  • 1809–1810 militärwissenschaftliche Studien mit Schwerpunkt Geniearbeit in Metz.
  • Von 1811–1817 Dienst als Offizier im Generalstab der französischen Armee, bis 1815 unter Napoleon Bonaparte.
  • 1817–1850 Kantonsingenieur in Genf. Widersetzte sich der Schleifung der Genfer Stadtbefestigungen, weil er die Festung Genf als südwestlichen Grenzschutz für die Schweiz bewahren wollte. Gestaltete neben dem Bau von Brücken die Uferpromenade in den Quaianlagen. Parallel dazu unterrichtete Dufour an der Académie die Fächer Mathematik, Geometrie, Vermessungskunde und Hydraulik.
  • Ab 1817 Integration als Hauptmann in das neue geschaffene Schweizer Bundesheer.
  • 1819 Mitbegründer der heute noch bestehenden Militärschule Thun, unterrichtete dort die Génieabteilung und wurde Schulleiter. Zu seinen Schülern gehörte auch Louis Bonaparte, der nachmalige Kaiser Napoleon III, die beiden verband eine lebenslange Freundschaft. Autorschaft militärwissenschaftlicher Schriften, vor allem zum Festungsbau und zur militärischen Taktik.
  • 1827 Beförderung zum Schweizer Oberst, dann Eintritt in den Schweizer Generalstab. Er hatte dort die Aufgabe, im Angriffsfall die Verteidigung der Schweiz zu organisieren.
  • 1832 Beförderung zum Schweizerischen Generalstabschef (im Range des «Oberstquartiermeisters»).
  • Leitete 1843 in dieser Eigenschaft einen Einsatz zur Beruhigung der ausufernden Konfrontationen zwischen Radikalen und Konservativen. Leitung der Triangulationsarbeiten und dann Ausarbeitung der ersten zuverlässigen Landeskarte der Schweiz im Massstab 1:100 000 (die nachmalig nach ihm benannte «Dufour-Karte») bis zu ihrer Fertigstellung 1864.
  • 1847 wird Dufour von der Tagsatzung zum Oberbefehlshaber der eidgenössischen Truppen im Range des Generals gegen den Sonderbund bestimmt. Er kennzeichnete die eidgenössischen Truppen mit einer Armbinde mit dem weissen Kreuz im roten Feld (die Truppen trugen damals noch kantonale Uniformen, die einander allerdings ähnelten), dem Emblem, das ab 1848 die offizielle eidgenössische Fahne bildete.
  • 1856 Eidgenössischer Oberbefehlshaber beim Truppenaufgebot zur Verteidigung Neuenburgs gegen die angedrohte preussische Intervention.
  • 1863 Mitbegründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, für das er sich bis an sein Lebensende einsetzte. Der Vorschlag, die Rotkreuz-Fahne quasi als Umkehrung der Schweizer Fahne zu gestalten (rotes Kreuz im weissen Feld) stammte von ihm.
      Neben diesen militärischen Aufgaben war Dufour auch politisch tätig, als Abgeordneter Genfs in der Tagsatzung, als Mitglied des Genfer Verfassungsrats, als Delegierter im städtischen und dann kantonalen Parlament, schliesslich als Ständerat des Kantons Genf.
  • Dufour starb am 14. Juli 1875 in Genf im Alter von 87 Jahren. Sein ausdrucksstärkstes Portrait stammt von seiner Tochter Anne Octavie L’Hardy-Dufour (Öl auf Leinwand, 1840), einer angesehenen Künstlerin und Portraitistin.

ev. Fritz Wartenweilers (Jugend-)Buch «Unser General Dufour» steht exemplarisch für seine Schriften: Stets suchte er das humanistische Bildungsanliegen zu fördern und gerade Jugendlichen und heranwachsenden jungen Menschen durch lebendig Schilderung von Vorbildern Wege zur Persönlichkeitswerdung, zum vollen Menschsein in Einklang mit dem Gemeinwohl zu eröffnen. Das müsste auch heute Ziel echter Bildung sein.

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